Schwammig, verschwurbelt, vage
Die Norwegerin Victoria Kielland beschäftigt sich in ihrem Roman „Meine Männer“ mit der historischen Figur der Brynhild/Bella/Belle Gunness, einer Frau, die aus Norwegen um die Jahrhundertwende 1900 herum ...
Die Norwegerin Victoria Kielland beschäftigt sich in ihrem Roman „Meine Männer“ mit der historischen Figur der Brynhild/Bella/Belle Gunness, einer Frau, die aus Norwegen um die Jahrhundertwende 1900 herum in die USA auswanderte und dort begann ihre Ehemänner bzw. später auch Anwärter auf eine Ehe umbrachte. Der Roman setzt bereits beim ärmlichen Leben der Siebzehnjährigen (damals noch) Brynhild auf einem norwegischen Bauernhof, auf welchem sie als Magd angestellt ist, ein. Sie scheint wild verliebt in den Hoferben, lässt sich auf sexuelle Kontakte ein, die zwischen leidenschaftlichem und gewaltvollem Sex oszillieren und wird von ihm schwanger. Nach der Offenbarung ihm gegenüber prügelt er nicht nur das Kind aus ihr heraus, sondern scheinbar auch einen Teil ihres Vertrauens in die Menschen, spezieller die Männer. Nach dem Umzug in den Norden der USA beginnt sie Männer aus dem Weg zu räumen und sackt deren Geld ein, um vorgeblich ihre Kinder zu ernähren.
Das, was in der oben zusammengefassten Inhaltsangabe so verständlich und übersichtlich klingt, ist es im Text von Kielland keinesfalls. Kielland schreibt in einer Art und Weise vage, verschwurbelt, schwammig und nichtssagend, dass man zwischenzeitlich vergisst, um was es im Roman eigentlich geht. Obwohl nur 185 Seiten kurz, erschien dieser Roman so unaushaltbar lang, wie die Sätze der Autorin. Da der Schreibstil nicht immer mal wieder zwischendurch nur einen verschachtelten, vagen Satz präsentiert, über den man dann genüsslich nachdenken könnte, sondern durchweg derart formuliert wird, verliert man irgendwann die Lust daran, das Geschrieben tiefgründig verstehen zu wollen. Was zu Beginn noch wie die poetische, intensive Darstellung der ersten, verhängnisvollen Liebe dieser zukünftigen Serienmörderin wirkt, stellt sich schnell als durchgängiger Schreibstil heraus, der in seiner Schwammigkeit und künstlicher Aufgeladenheit mit philosophischer Tiefe das eigentliche Geschehen vollkommen überdeckt. Zwischenzeitlich hatte ich sogar vergessen, dass es um eine Mörderin geht, so vage werden ihre Handlungen dargestellt. Man springt von einer Anekdote zur nächsten, ohne sich irgendwo festhalten zu können.
Um vorab besser einschätzen zu können, ob man diesen Schreibstil aushält, habe ich hier nur drei Stellen herausgegriffen, die aber exemplarisch für den gesamten Roman stehen, für jeden einzelnen Satz in diesem Buch:
„Der durchgeprügelte Kopf, der Druck hinter den Augen, es hörte nie auf, jedes Mal explodierte dieselbe Erinnerung und rieselte langsam zu Boden, das schmelzende schwarze Licht breitete sich in jeden Winkel aus und stachelte hoch ins Gesicht, Gottes große Hand hob sie empor durch die Nacht, hinauf ins Licht, durch die Wolken hindurch, bis sie unter sich das sandig wüste Flussbett sah, alles was noch immer dort am Grund lag, trug sie zwischen den Bäumen hindurch, zu der stinkenden schwarzen Lache.“ (S. 51)
Am Anfang eines solchen Bandwurmsatzes hat man noch das Gefühl: Okay, ich habe eine Ahnung, was gemeint sein könnte. Aber mit zunehmender Aneinanderreihung von merkwürdigen Metaphern, verliert man jeglichen Halt und fragt sich, warum man das noch liest.
Im Verlauf wird es aber auch nicht besser:
„Bella war umgeben von ihresgleichen, Blut, Tränen und Urin, es flimmerte lautlos und ruhig, die Trauerweiber, die dasselbe Schiff genommen hatten wie sie, Familien, die lebten und starben, und trotzdem erkannte sie sich nicht wieder, es gab keine bewährte Liebe, nur einen Hauch Routine.“ (S. 121)
oder
„Und die anhaltendste Bewegung war weder Sehnsucht noch Liebe, sondern das Schlagen der Schmetterlingsflügel im Garten, war der Tod, das Auge, das dauernd Blickkontakt aufnahm, das anhaltendste, ewige Flimmern.“ (S. 157)
Alles verstanden? Es ändert übrigens nichts, wenn man den Kontext kennt, aus dem diese Zitate stammen.
Es tut mir leid, sehr hätte mich dieses Thema der ersten großen weiblichen Serienmörderin der USA literarisch aufgearbeitet interessiert. Aber bei dieser unglaublich vagen Sprache, konnte ich leider nicht viel bis gar nichts aus der Lektüre mitnehmen, denn an keiner Stelle (außer zu Beginn) hat mich dieser Roman abgeholt und mitgenommen in das Leben und die Psyche von Brynhild/Bella/Belle, von der ich so gern mehr erfahren hätte. So bleibe ich ahnungslos zurück und kann leider auch meinerseits nicht die Lektüre weiterempfehlen. Und dabei hat mich das tolle Cover doch gleich angelockt, die Leseprobe zumindest Interesse geweckt, der Roman dann aber doch enttäuscht. Schade.
2/5 Sterne