Cover-Bild Solange wir schwimmen
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12,99
inkl. MwSt
  • Verlag: mareverlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: allgemein und literarisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 08.08.2023
  • ISBN: 9783866488243
Julie Otsuka

Solange wir schwimmen

Katja Scholtz (Übersetzer)

In ihrem Schwimmbad fühlen sie sich zu Hause, hier können sie bei ihren täglichen Bahnen ihre Sorgen hinter sich lassen: Designer, Nonnen, Hundesitter, Veganerinnen, Polizisten, Professorinnen, Schauspieler... Bis eines Tages ein Riss erscheint – am Beckengrund, aber auch im Gedächtnis von Alice, die genau wie die anderen hier im Schwimmen stets Trost und Halt gefunden hat. Während sie bald nur noch in bruchstückhaften Erinnerungen schwimmt, versucht ihre Tochter, sich in ihre Mutter hineinzuversetzen, ihr Verhältnis zueinander neu auszuloten und Alice' Leben Sinn und Zusammenhang zurückzugeben.
Aus so unterschiedlichen wie verblüffenden Perspektiven und mit unvergleichlichem Gespür für das Komische im Tragischen schreibt Julie Otsuka über Liebe und Verlust, Trauer und Erinnerung, Mütter und Töchter und die große Frage, was wir unseren Eltern schuldig sind.

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.10.2023

Überzeugender, multiperspektivischer Roman über Demenz

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In ihrem 160 Seiten dünnen Roman, erschafft Julie Otsuka, amerikanische Autorin mit japanischen Wurzeln, das Bild von einer dich auflösenden Person. Diese ist Alice, wohl nahe an der Mutter der Autorin ...

In ihrem 160 Seiten dünnen Roman, erschafft Julie Otsuka, amerikanische Autorin mit japanischen Wurzeln, das Bild von einer dich auflösenden Person. Diese ist Alice, wohl nahe an der Mutter der Autorin angelegt, welche an einer Frontotemporalen Demenz erkrankt und zunehmenden ihren Platz in der Welt verliert. Solange Alice noch regelmäßig mit einer eingeschworenen Truppe in einem unterirdischen Schwimmbad schwamm, gehörte sie noch dazu, zur Gemeinschaft, zur Gesellschaft. Aber dann erscheint ein Riss im Schwimmbecken und das Schwimmbad wird für immer geschlossen. Mit dem Verlust der Routine scheint sich auch Alice‘ Zustand zu verschlechtern, sie muss ins Pflegeheim und die Tochter kämpft mit ihrem schlechten Gewissen bezüglich dessen, was sie alles im Umgang mit der Mutter versäumt hat.

Nun könnte der vorliegende Roman einer sein, der in denen Kanon thematisch ähnlicher Veröffentlichungen der letzten Jahre passt. Er sticht jedoch ganz klar durch seine stilistischen Mittel heraus. Zum einen nutzt die Autorin sehr kurze, nur scheinbar simple Sätze jedoch mit vielen Aufzählungen, um tiefgründige Sachverhalte, Gefühle und Gedanken darzulegen. Zum anderen – und das ist hier das Meisterhafte am Roman – nutzt die Autorin in jedem Kapitel eine neue Erzählperspektive. Lernen wir noch das Schwimmbad aus der „Wir“-Perspektive kennen und erleben das Auftauchen des Risses, gehören auch wir noch zur Gemeinschaft dazu. Danach wechseln wir in die „Sie“-Perspektive (personal), durch welche wir die zunehmenden kognitiven Einschränkungen von Alice mit einem gewissen erzählerischen Abstand, aber nicht minder intensiv, aufgezeigt bekommen. Gerade die Wiederholungen der Aufzählungen sind hier herausragend, da sie das Davor mit dem Währenddessen bzw. Danach vergleicht. Dann schlüpfen wir in eine ganz ungewohnte Perspektive, die „Sie“-Perspektive (Höflichkeitsform). Denn nun werden wir direkt wie in einem Werbevideo oder Werbeprospekt für ein Pflegeheim von den Betreibern angesprochen. Es werden uns die vermeintlichen Vorteile des Heims angepriesen. Und trotzdem merken wir schnell: Das ist kein Ort, an dem wir leben wollen würden. Alice‘ muss es aber aufgrund ihrer Erkrankung. Und zuletzt spricht sich die Autorin mit der „Du“-Perspektive quasi selbst als Tochter an. Sie macht sich Vorwürfe, erinnert sich an Momente mit ihrer Mutter, verarbeitet, was das Verschwinden ihrer Mutter obwohl sie physisch zunächst noch anwesend ist, mit ihr macht.

Meines Erachtens geht die Autorin in ihrem Welt nicht nur äußerst kreativ die Thematik der Veränderung eines Umfeldes und einer Person durch die Erkrankung einer Demenz an, sondern gleichzeitig mit ganz feinem Humor und auch Zärtlichkeit. Selbst im sehr kritischen Kapitel zum Pflegeheim scheint immer wieder diese Zärtlichkeit durch die Werbementalität hindurch. Das Kapitel übt Kritik am System aber nicht an den Menschen darin. Und gleichzeitig ist es zum schreien komisch, wenn die Autorin die Mechanismen aufs Korn nimmt.

Ich bin absolut angetan von diesem kleinen Büchlein. Und ich betone gleich mal das "kleine Büchlein", denn mit dieser Kürze von nur 160 Seiten passt für mich alles. Es ist eine Länge, die dieses schwere Thema aushalten lässt. Es ist aber auch eine Länge, die die Besonderheiten des Sprachstils, nämlich der ungewöhnlichen Perspektiven und der Aufzählungen, gerade nicht anstrengend werden lässt. Die kurzen Sätze und die Kürze des Romans erscheinen da ebenso passend. Demnach hat die Autorin mich sprachlich vollends von ihrem Können überzeugt. Inhaltlich ebenso, denn sie schafft es auf ganz vielseitige Weise Blicke auf die Erschütterungen zu werfen, die eine Demenzerkrankung auf nicht nur einen Menschen, sondern auch sein Umfeld auslöst. Ich habe das Gefühl, dass die Autorin immer mehr rangezoomt hat und zwar letztlich auf sich selbst als Angehörige. Wir beginnen ganz breit gefächert mit dem Schwimmbad und den Menschen (WIR) darin. Es wird klar, dass es einen Riss gibt. Dieser führt zur Hospitalisierung (das SIE in der Höflichkeitsform), dann fliegen wir an Alice vorbei und beobachten sie (bleiben aber in der SIE-Form, die Alice meint) und zoomen dann heran an die Tochter (DU), die damit ganz nah an eigene Versäumnisse, Vorwürfe aber auch schöne Erinnerungen herantritt. Toll gemacht!

Mich konnte die Autorin von Seite Eins an mit ihrem kleinen, aber feinen Roman unglaublich berühren. Häufig standen mir die Tränen in den Augen. Deshalb bekommt dieser Roman in der wunderbaren Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Katja Scholtz auch die volle Punktzahl von mir. Ein Highlight, welches ich nicht so schnell vergessen werde.

5/5 Sterne

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Veröffentlicht am 15.10.2023

Was zählt?

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Das Schwimmbad unter der Erde – regelmäßig trifft sich dort eine eingeschworene Gemeinschaft, die unterschiedlicher nicht sein könnte. Das Schwimmen eint sie, es ist ihr Anker, ihre Konstante im Leben, ...

Das Schwimmbad unter der Erde – regelmäßig trifft sich dort eine eingeschworene Gemeinschaft, die unterschiedlicher nicht sein könnte. Das Schwimmen eint sie, es ist ihr Anker, ihre Konstante im Leben, auch für Alice, die ganz langsam der Demenz anheim fällt.

Doch dann passiert etwas, es gibt einen Riss im Schwimmbad und das gewohnte Leben ist in Gefahr. Woher kommt der Riss? Ist er gefährlich? Kann er repariert werden? Auch die Erinnerungen von Alice werden immer brüchiger und so kommt sie eines Tages in ein Pflegeheim. Ihre Tochter beginnt, die Beziehung zu ihrer Mutter aufzuarbeiten und zu vertiefen.

Das Buch hat mich unglaublich berührt. Es fängt so leicht an mit der Beschreibung der Menschen, die sich regelmäßig im unterirdischen Schwimmbad treffen. Die ganzen merkwürdigen Typen mit ihren kleinen und großen Macken. Sie beschreibt auch ganz genau, wie gut es tut, regelmäßig Bahnen zu ziehen und das Gefühl danach. Es kommt mir nur zu bekannt vor.

Dann wird es von Kapitel zu Kapitel ernster und es geht an den Kern des Buches. Es geht um die Geschichte von Alice, ihrer Demenz und dass ihre Tochter merkt, dass es jetzt zu spät ist, all das nachzuholen, was sie mit ihrer Mutter hätte machen können.

Julie Otsuka gelingt es, das Ganze sprachlich so gut auszudrücken und schafft es sogar, das Pflegeheim in eine Stimme zu verwandeln. Es ist eine Stimme, die aufzählt, was dort auf Alice wartet und nichts beschönigt.

Diese Beschreibungen zeigen, was aus den Erinnerungen alles verloren geht. Jegliche Selbstbestimmung, Intimsphäre und die gewohnte Umgebung mit den geliebten Menschen – es ist ein kompletter Neustart, bei dem das Ende vorbestimmt ist. Und den Weg dorthin schildert die Stimme des Pflegeheims genau, sehr sachlich, aber sehr direkt, so dass mir jetzt beim Schreiben noch immer ein Gefühl der Enge in der Magengegend ist.

Beklemmend genau geht beschreibt Julie Otsuka den Weg von Alice, sie schildert ihr Leben, die Höhen und die Tiefen und auch die Beziehung ihrer Tochter zu ihr. Ihr wird klar, was sie versäumt hat und man fühlt als Leser*in den Schmerz und den Verlust. Es tut so unglaublich weh und was ist das für eine Schreibkunst, das so fühlbar zu machen!

So traurig das Buch ist, so gut ist es auch. Eine ganz große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 07.10.2023

Schonungslos

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„Solange wir schwimmen“ von Julie Otsuka erzählt uns über Alice, leidenschaftliche Schwimmerin, wundervolle Mutter, bezaubernde Frau mit frontotemporale Demenz. Subtyp Morbus Pick.
Pick-Gehirne sind eher ...

„Solange wir schwimmen“ von Julie Otsuka erzählt uns über Alice, leidenschaftliche Schwimmerin, wundervolle Mutter, bezaubernde Frau mit frontotemporale Demenz. Subtyp Morbus Pick.
Pick-Gehirne sind eher selten und doch möchte wohl niemand zu dieser Ausnahme zählen.

Ein Buch, welches ich mit offenem Herzen gelesen und vor allem (mit-)gefühlt habe.

Im Schwimmbad unter der Erde herrscht eine strenge Ordnung.

Hier fühlen sie sich wohl und schwimmen ihre Bahnen.
Alle Sorgen von oben, an Land, kann man hinter sich lassen.

Auch Alice schwimmt hier seit Jahren kontinuierlich ihre Bahnen.
„Da oben, sagt sie, bin ich einfach nur eine kleine alte Dame. Aber hier unten im Schwimmbad bin ich ich selbst.“ (Pos.41)

Im wirklichen Leben „oben“ sind sie Nichtskönner, Vielesser, Dichter, Ehepartner, Nonne uvm. , aber unten, im Schwimmbad, sind sie nur eins von dreien: die Schnellen, die Durchschnittlichen und die Langsamen. Oben, an Land, machen sie oftmals nicht viel her, jedoch im Schwimmbecken werden sie wendig, gelenkig unf geschmeidig.

Eines Tages erscheint ein Riss im Becken, ist er Einbildung, wirklich da, wurde er gesehen? Manche haben Angst, andere ignorieren den Riss und wieder andere verlassen das Schwimmbecken. War Alice die erste, die diesen Riss gesehen hat? Auch Alice‘s Gedächtnis bekommt einen Riss, oder war er schon da?
Die Schwimmer stellen erstmals fest, dass das Leben dort unten auch Nachteile hat.

Als Leser nimmt man den Verfall und die Sanierung des Schwimmbades, den Verlust und die Traurigkeit wahr.
Parallel taucht man, auf eine berührende Weise, in die fortschreitende Demenz von Alice ein.
Der besondere, schlichte und doch kraftvolle Schreibstil der Autorin reißt mich als Leser mit einer Wucht in einen emotionalen Gefühlsstrudel.
Die Herangehensweise an das Thema Demenz, Verlust und Mutter-/Tochter-Beziehung werden hier auf eine sehr besondere Art beschrieben, bildlich dargestellt und detailliert alle Phasen ausgearbeitet. Aus unterschiedlichen Perspektiven hat Julie Otsuka ihren Roman aufgebaut. Die Darstellung der verschiedenen Sichtweisen fesselnd unglaublich, eine Schwere, Traurigkeit und immer wieder ein kleiner Hoffnungsschimmer zieht durch die Seiten.

Die Wahrheit, dass die Krankheit keine höhere Bedeutung hat, keinen höheren Sinn, weder ein Geschenk, noch eine Prüfung ist, sondern nur traurig macht und Ihrem unausweichlichen Ende näher bringt, ist ehrlich, schonungslos und hart zugleich. Das unabänderliche wird aufgezeigt, alles was sie im Leben verschoben haben, werden sie niemals mehr nachholen können.
“Nous sommes desoles. Die Party ist leider vorbei. “ (Pos.993)

“Nichts bleibt, wie es ist.” (Pos. 887)

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Veröffentlicht am 27.02.2024

Sehr berührend!

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Du hast immer gedacht, sie würde ewig leben. Sie war nie krank. Sie hat nie geklagt. Sie hat sich nie einen einzigen Knochen gebrochen. Sie war, solange du denken kannst, bärenstark.“ (S. 135)

Jetzt hat ...

Du hast immer gedacht, sie würde ewig leben. Sie war nie krank. Sie hat nie geklagt. Sie hat sich nie einen einzigen Knochen gebrochen. Sie war, solange du denken kannst, bärenstark.“ (S. 135)

Jetzt hat sie Demenz und warten im Heim darauf, von dir oder deinem Vater abgeholt zu werden. Sie hat bereits alle ihre Sachen in ein Kissenbezug gestopft, aber keiner wird Alice heute oder jemals wieder nach Hause fahren.
„Ganz allmählich beginnt sie zu verschwinden […]“. (S. 136)

SOLANGE WIR SCHWIMMEN
Julie Otsuka

… ist die Geschichte von Alice, die eine unheilbare Krankheit hat und in einer Langzeit-Pflegeeinrichtung untergebracht ist. Wir erfahren in kurzen, knappen Sätzen, wie ihr Leben zuvor verlief, aber auch verlaufen wird, denn das Pflegeheim hat kaum Kapazitäten, sich um jeden einzelnen Patienten angemessen zu kümmern.

Es ist eine traurige Geschichte, die mir sehr naheging.

Zugegeben, die ersten beiden Kapitel mit diesen vielen stilistischen Mitteln gefielen mir nicht und irgendwie kam mir diese Schwimmgruppe auch so unglaublich kleinkariert vor, aber als ich dann merkte, dass der Fokus sich auf Alice konzentrierte und mir die liebe @maria riet, durchzuhalten und das Buch nicht abzubrechen, bekam das Buch eine Wende, und ich konnte mich auf den besonderen Schreibstil einlassen.

Fazit:
Ein kleines Juwel, dieses feine und tief traurige Buch. Große Leseempfehlung.
4½/ 5

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Sehr bewegend

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Das Buch ist weit außerhalb meines üblichen Beuteschemas, aber es ist ein wichtiges Thema und hat mich sehr interessiert.
Das Buch ist in drei Teile geteilt. Der erste Teil geht über eine „Schwimmgemeinschaft“ ...

Das Buch ist weit außerhalb meines üblichen Beuteschemas, aber es ist ein wichtiges Thema und hat mich sehr interessiert.
Das Buch ist in drei Teile geteilt. Der erste Teil geht über eine „Schwimmgemeinschaft“ und ihr Leben als Schwimmer. Es kommt einem beim lesen vor, als ob es eine eigene Welt, mit eigenen Regeln ist. Eine Welt, die mich warum auch immer, an die Coronazeit erinnert hat. Denn als plötzlich ein Riss im Boden des Beckens auftaucht, wird alles sehr skurril und abstrus.
Zitat:
>>Andere haben gehört, dass der Riss die Öffnung zu einer zweiten und tieferen Welt bildet, die unter der Oberfläche der unsrigen liegt. Eine alternative und vielleicht echtere Welt, die ihr eigenes Schwimmbad unter der Erde hat, mit schnelleren, attraktiveren Menschen…<<
Der erste Teil war für mich am angenehmsten zu lesen, auch wenn man sich an den „interessanten“ Schreibstil, der praktisch hauptsächlich auf Aufzählungen von Fakten und ähnlichem besteht, gewöhnen muss.
Auch Teil zwei und drei sind in der Art geschrieben, handeln aber einmal aus der Sicht von Alice und ihren Weg der Demenz, während Teil drei aus der Sicht der Tochter geschrieben ist. Der letzte Teil, war für mich am schwersten zu lesen, da er einfach auf Tatsachen beruht und uns zeigt wie Hilflos wir in der Situation sind.
Für mich persönlich war es eine Leseherausforderung, aber es war definitiv die Reise wert. Von mir eine klare Leseempfehlung zu einem Buch, das einem das Thema Demenz schonungslos nahebringt.

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