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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.02.2024

Allerfeinste Satire

Die Rassistin
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Heutzutage ist es nicht leicht, sich richtig zu verhalten und niemanden dabei zu verletzen oder zu diskriminieren. (Ist „Niemand“ eigentlich garantiert geschlechtslos?)
Jana Scheerer behauptet vorsichtshalber, ...

Heutzutage ist es nicht leicht, sich richtig zu verhalten und niemanden dabei zu verletzen oder zu diskriminieren. (Ist „Niemand“ eigentlich garantiert geschlechtslos?)
Jana Scheerer behauptet vorsichtshalber, ihr neues Buch wäre nicht von ihr, sondern von einem Freund geschrieben worden. Da geht es um Rassismus und davon kann man sich gar nicht weit genug entfernen (das meine ich ernst!)
Hier kam es zu einem rassistischen Vorfall an einer Universität. Nora Rischer ist Dozentin für Germanistik, lesbisch noch dazu, und meint, sie wäre die personifizierte Weltoffenheit. Kann ausgerechnet sie sich verquatscht haben? Und wenn ja, war es doch nicht so gemeint, wie es klingt. Ganz und gar nicht.
Der Institutsrat (und zahlreiche Freunde und Bekanntinnen der Autorin und ihres Ghostwriters) versuchen, den Vorfall aufzuklären. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Frage, ob die Geschehnisse denn wohl einen Vorfall darstellen und wie der einzuordnen wäre.
Das Buch ist nicht leicht zu lesen. Es ist ein Fest der bissigen Spitzfindigkeiten, die hier Schlag auf Schlag ausgeteilt werden und die man verdauen muss. Es ist aber auch ein erlesener Spaß. Ich habe lange nicht mehr so oft beim Lesen gelacht.
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Veröffentlicht am 02.02.2024

Ein Thriller der anderen Art

Notizen zu einer Hinrichtung
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Dies ist ein Thriller der anderen Art.

Anselm Packer ist ein Serienmörder. Er hat Frauen ermordet, weiß, dass das schlecht ist und bereut es trotzdem nicht. Anselm, ein Psychopath aus dem Bilderbuch, ...

Dies ist ein Thriller der anderen Art.

Anselm Packer ist ein Serienmörder. Er hat Frauen ermordet, weiß, dass das schlecht ist und bereut es trotzdem nicht. Anselm, ein Psychopath aus dem Bilderbuch, sitzt in der Todeszelle und schreibt seine Gedanken nieder, die einen das Gruseln lehren.

Es kommen aber auch Frauen zu Wort, die eine Rolle in seinem Leben gespielt haben. Seine Mutter, seine Exfrau, eine Polizistin, seine Nichte, sie alle haben ihn gekannt, erlitten, aber auch beeinflusst.

Anselms Leben wird sehr gründlich beleuchtet von seiner ersten Stunde an. Man bekommt eine Idee davon, was so einen Mörder zum Mörder macht, aber auch davon, wie es sich mit ihm lebt, wie man ihn jagt, fängt und verurteilt.

Und während man all das erfährt, läuft gnadenlos der Countdown zur Hinrichtung, grausig, unaufhaltsam.

Sehr atmosphärisch, spannend und eindringlich, beleuchtet dieses Buch das Für und Wider der Todesstrafe. Es zeigt deutlich, dass niemandem damit geholfen ist, wenn der Mörder getötet wird, bringt elegant und unaufdringlich eine wichtige Botschaft auf den Weg.

Mit lebendigen Figuren und schöner Sprache hat Danya Kukafka hier einen Thriller entworfen, der mehr will und mehr kann als schnöder Thrill. Es ist ein Buch, das gleichzeitig unterhält und unter die Haut geht.

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Veröffentlicht am 28.01.2024

Möhren sind für alle da!

Hilda Hasenherz. Das Abenteuer im Fuchswald
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Möhren sind für alle da!

Ich hoffe, ich spoilere nicht zu sehr, aber die Zielgruppe liest wahrscheinlich eh keine Rezensionen. Hier passiert Sensationelles. Hilda Hasenherz, ein einfaches Hasenmädchen, ...

Möhren sind für alle da!

Ich hoffe, ich spoilere nicht zu sehr, aber die Zielgruppe liest wahrscheinlich eh keine Rezensionen. Hier passiert Sensationelles. Hilda Hasenherz, ein einfaches Hasenmädchen, entwickelt sich von einer Buddelhäsin zur Abenteuer- und Heldenhäsin und revolutioniert das ganze Hasenreich.

Wie kann es sein, dass die Buddelhasen tagtäglich Möhren ausbuddeln und selbst nie auch nur eine zu mümmeln bekommen? Die Möhren sind für König Mümmel und Prinz Lämpchen. Wirklich?

Hilda kommt tatsächlich üblen Machenschaften auf die Spur und begibt sich auf eine abenteuerliche Reise, um Hilfe zu holen. Dabei trifft sie überall Tiere, die sie noch nie gesehen hat, die ihr dann aber bei ihrer schweren Mission zur Seite stehen.

Das ist so nett und niedlich, wie es klingt und bietet zwischendurch einige Spannung und Abenteuerliches. Ein schönes Buch mit einer tapferen Heldin, die sich immer wieder Gefahren stellt, die bei Licht betrachtet gar nicht so schlimm waren, aber um das festzustellen, muss man sich erst einmal der Gefahr stellen.

Für ganz kleine Kinder hat es wahrscheinlich zu viele gruselige Momente, aber Kinder ab 6 werden es lieben.

Besonders toll finde ich die Hörbuchfassung. Hier wurde mit zahlreichen Sprechern, Musik und Gesang ein mitreißendes Hörspiel inszeniert. Dabei sind die Stimmen sehr passend, lustig und sympathisch. In Hilda Hasenherz verliebt man sich sofort.

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Veröffentlicht am 27.01.2024

Traurig aktuell

Nachbarn
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Diane Oliver wurde nur 22 Jahre alt. Sie ist 1966 gestorben und hat trotz ihres jungen Alters ein Werk hinterlassen, das mit Preisen bedacht wurde und uns heute noch beeindruckt.

In „Nachbarn“ wurden ...

Diane Oliver wurde nur 22 Jahre alt. Sie ist 1966 gestorben und hat trotz ihres jungen Alters ein Werk hinterlassen, das mit Preisen bedacht wurde und uns heute noch beeindruckt.

In „Nachbarn“ wurden einige ihrer Kurzgeschichten zusammengestellt, die neben plastischem Zeitkolorit der 60er Jahre auch von Misogynie und Rassismus erzählen und leider auch heute noch sehr aktuell wirken.

Die Geschichten lassen uns in die Köpfe der unterschiedlichsten Frauen gucken. Da ist Winifred, das einzige schwarze Mädchen am College, oder Nora, deren Vater seine Familie verlassen hat, Millie wird auf ihrer Reise durch Österreich bestaunt wie ein exotisches Tier und Libby kocht für reiche Leute, während ihre Kinder zu Hause hungern.

Es geht um kleinere oder größere Dramen des Alltags. Dabei schafft es die Autorin, sofort zu fesseln, eine Situation auf kleinstem Raum so auszubreiten, dass man ihren Figuren nahekommt.

Der Höhepunkt ist für mich die Geschichte von Jenny, die als Spielball verschiedener Männer ins Unglück getrieben wird. Hier bekommt der Erzählstil nochmal eine ganz eigene Note, wird eher intuitiv, bekommt einen Rhythmus und klingt fast wie ein Lied oder ein Gedicht.

„ Willst du tanzen, Jenny? - Komm schon Jenny! - Du liebst mich nicht genug. - Und dann war sie tot.“

Diese Sätze sind der Refrain einer Tragödie, ziehen sich wie ein Mantra durchs Geschehen, ganz schlicht und doch schrecklich.

Und spätestens an dieser Stelle muss man auch die Sprecherin des Hörbuchs bewundern. Maya Alban-Zapata trägt ganz wunderbar vor, einfühlsam aber ohne Pathos, und setzt so ein I-Tüpfelchen auf ein sehr beeindruckendes Buch.

Es dauert 7 Stunden, 55 Minuten.

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Veröffentlicht am 04.01.2024

Bitter sarkastische Geschichte, die bewegt und unterhält

Die Bäume
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Eigentlich hatte ich Percival Everett von meiner Leseliste gestrichen, weil mir „Erschütterung“ nicht besonders gefallen hat. Dieses Buch ist anders, als hätte es ein ganz anderer Autor geschrieben. Es ...

Eigentlich hatte ich Percival Everett von meiner Leseliste gestrichen, weil mir „Erschütterung“ nicht besonders gefallen hat. Dieses Buch ist anders, als hätte es ein ganz anderer Autor geschrieben. Es ist bissig, bitter ironisch, purer Sarkasmus, dabei aber auch berührend und noch hoch komisch.

In Money, Mississippi passieren plötzlich grausame Morde, die nach Ritualmorden aussehen. Es werden Weiße getötet und zusammen mit einem schwarzen Jungen in Szene gesetzt. Und nicht nur das. Verbrechen nach dem selben Schema werden plötzlich auch in anderen Bundesstaaten gemeldet. Die Situation ist bedrohlich und ekelhaft und ruft unterschiedliche Ermittler auf den Plan.

Das Geschehen orientiert sich an einer wahren Geschichte. Emmett Till, ein 14jähriger schwarzer Junge, wurde 1955 aus lächerlichen Gründen grausam gelyncht. Stellen diese Morde eine Anklage dar? Warum jetzt?

Ich habe dieses Buch vermutlich direkt zweimal gehört. Es ist verwickelt, die Kapitel sind kurz, die Perspektiven wechseln ständig und alle 10 Minuten stirbt jemand anderes. Wenn man auch nur kurz mal mit den Gedanken abschweift, hat man den Faden verloren, dabei macht der Sprecher seine Sache fantastisch. Jona Mues hat unzählige verschiedene Stimmen im Repertoire, jede davon authentisch, kann sogar singen und interpretiert die poetischeren Passagen wirklich berührend. Chapeau!

Es ist eine wirklich skurrile Geschichte, die betroffen macht, aber auch gleichzeitig ein großer Spaß und dauert 8 Stunden und 9 Minuten.

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