Lesenswert!
“Lydia ist tot.”. Mit diesem ersten Satz beginnt dieser Roman der dem Genre Literatur zuzuordnen ist. Ein Drama sondergleichen. Schockierend, ehrlich, menschlich und so voller Tragik. Als Leser kann man ...
“Lydia ist tot.”. Mit diesem ersten Satz beginnt dieser Roman der dem Genre Literatur zuzuordnen ist. Ein Drama sondergleichen. Schockierend, ehrlich, menschlich und so voller Tragik. Als Leser kann man sich zu Beginn gar nicht vorstellen, welch familiäre Tragödie sich in dieser Erzählung abspielen wird. Tiefsinnig und grandios umgesetzt, in einer ruhigen Sprachen und einem wunderbarem Stil.
James wünschte sich als Sohn chinesischer Einwanderer nur eines: er wollte dazugehören. Akzeptiert werden in einer Gesellschaft, wo nur Weiße privilegiert waren. Er tat alles dafür. Nicht nur lernte er fleißiger als jeder anderer, er verweigerte die Sprache seiner Eltern, begab sich nie außerhalb Amerikas. Harvard schaffte er mit Bravur. Doch sein größter Traum an dieser Uni als Professor zu unterrichten wurde ihm vereitelt.
Marilyn, Tochter einer weißen Amerikanerin, wollte immer ausbrechen aus diesem System. Sie wollte keine von diesen Frauen werden, die nach der Uni heiraten, Kinder bekommen und ihre Zeit als Hausfrau und Mutter verbringen. Ihr Traum war es Ärztin zu werden. Keine Schikane der männlichen Mitstudenten konnten sie von ihrem Vorhaben abbringen.
In Harvard begegneten sich James und Marilyn und verliebten sich ineinander. Marilyn wurde bald schwanger und die Beiden heirateten. Ihr Studium legte sie erst mal auf Eis. Später wollte sie wieder einsteigen. Für eine Frau, gerade in dieser Zeit, kommt es natürlich anders als gedacht. Nach Sohn Nathan kam Tochter Lydia. Als Marilyns Mutter starb, brach sie aus ihrem Mutter und Hausfrauendasein aus. Wollte ganz allein noch einmal durchstarten. Lies James mit den Kindern einfach hinter sich. Doch wieder machte ihr eine Schwangerschaft einen Strich durch die Rechnung.
Nathan und Lydia waren zu diesem Zeitpunkt noch sehr klein. Besonders das Mädchen litt unter der Abwesenheit der Mutter. Sie schwor sich alles dafür zu geben, wenn nur ihre Mutter wieder zu ihnen zurück kommen würde. Und genau dieser Schwur wurde dem Mädchen zum Verhängnis. Natürlich wusste die Mutter davon nichts. Doch Marilyn wollte ihre nicht verwirklichten Träume bei Lydia erfüllt sehen. Wollte, dass das Mädchen an ihrer statt eine erfolgreiche Ärztin wird. Und das Mädchen tat alles was die Mutter sich wünschte, denn sie hat es ja geschworen. Der Vater wünschte sich nichts sehnlicher als Freunde für seine Tochter. Denn Freunde sind wicht, sie bereichern einen. Nathans Wünsche und Träume wurden kaum beachtet oder als Humbug abgetan. Und Hannah das Nesthäkchen war für alle unsichtbar.
Der Roman ist eine Zeitreise. Der Beginn ist der tragische Tod Lydias. Gekonnt schickt einen die Autorin an den Anfang der Geschichte, zu James und Marilyn. Erfährt wie sie wurden, was sie sind. Kommt wieder zurück, um die Familie gefangen in ihrer Trauer zu erleben. Jeden einzelnen auf seine eigene Art. Fühlt mit ihnen, ist verzweifelt, denn keiner findet die richten Worte oder einen Weg aus dieser Tragödie. Als Leser erfährt man was Ehrgeiz und das”unbedingte dazugehören wollen” aus Menschen machen kann. Die Eltern mit ihren Scheuklappen vor den Augen und der Meinung so ihren Kindern das Richtige mitzugeben für ihr Leben. Besonders für Lydia, denn sie ist das Kind mit den blauen mandelförmigen Augen. Der Beweis, dass nicht nur Weiße etwas Besonderes sind. Lydia findet keinen Weg aus dieser elterlichen Schiene. Sie verzweifelt an ihrem eigenen Schwur und dann hat sie diese Eingebung wie ihr ihr Entkommen gelingt. Dieses Entkommen ist tragisch, schockierend und traurig. Und nur der Leser weiß am Ende was wirklich geschah!
Die Familienmitglieder sind so real dargestellt. Die Zeit in der sich diese Tragödie abspielt, eine Zeit in der die gesellschaftliche Position eines Menschen durch Herkunft und Geschlecht noch klar strukturiert war. Weiße waren privilegiert, Frauen fanden ihren Platz in der Gesellschaft als Hausfrau und Mutter. Kinder aus Misch-Ehen hatten es besonders schwer. Die Autorin hat diese schwierigen sozialen Bedingungen, mit all ihren fatalen Folgen, ganz gekonnt in die Handlung integriert.
Das Hardcover ist einfach aber ansprechend. Man Blickt in einen grelles Licht, umgeben von einem Zaun aus Schilf.
“Was ich euch nicht erzählte” ist das Romandebut von Celeste Ng (sprich: Ing). Sie schrieb schon einige Erzählungen und Essays, die in verschiedenen literarischen Magazinen erschienen sind und mit dem Hopwood Award und dem Pushcard Preis ausgezeichnet wurden. Der Roman wurde in 20 Sprachen übersetzt, vielfach prämiert und wird auch verfilmt.
Mein Fazit:
Ein wirklich gelungener Roman über eine Familie, deren gesellschaftliche Position sie hadern lässt, in der Anders sein nicht geduldet war, man ausgegrenzt wurde und man doch alles dafür tun würde um dazu zu gehören oder Erfolgreich zu sein. Sprachgewaltig und fesselnd. Auch für Einsteiger in die gehobene Literatur.