Cover-Bild Zitronen
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Suhrkamp
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: Familienleben
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 186
  • Ersterscheinung: 12.02.2024
  • ISBN: 9783518431726
Valerie Fritsch

Zitronen

Roman | Ein sprachgewaltiges Buch über das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom | Nominiert für den Österreichischen Buchpreis 2024
August Drach wächst in einem Haus am Dorfrand auf, das Hölle und Paradies zugleich ist. Der Vater, von sich und dem Leben enttäuscht, misshandelt seinen Sohn, Zärtlichkeit hat er nur für die Hunde übrig. Trost findet August bei seiner Mutter, die ihn liebevoll umsorgt. Doch als der Vater die Familie verlässt, verwandelt sich die Zuwendung der Mutter: Sie mischt August heimlich Medikamente ins Essen, schwächt das Kind, macht es krank; von seiner Pflege verspricht sie sich Aufmerksamkeit und Bewunderung. Erst Jahre später gelingt es August, sich aus den Fängen der Mutter zu befreien, ein unabhängiges Leben zu führen, erste Liebe zu erfahren. Doch wie lernt ein erwachsener Mensch, das Rätsel einer Kindheit zu lösen, in der Grausamkeit und Liebe untrennbar zusammengehören? Wie durchbricht er den Kreislauf von Lügen und Betrügen? Und was passiert, wenn sich dieser Mensch, Jahre später, an den Ursprung des Schmerzes zurückwagt?
Sprachgewaltig, in packenden Bildern und Episoden erzählt Valerie Fritsch in ihrem neuen Roman von der Ungeheuerlichkeit einer Liebe, die hilflos und schwach macht, die den anderen in mentaler und körperlicher Abhängigkeit hält. Ein Entkommen ist nicht vorgesehen, es sei denn um den Preis, selbst schuldig zu werden.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.11.2024

When life gives you lemons…

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...make lemonade! Heißt ein bekannter Spruch. So begleiten wir hier August Drach, der in einem Dorf in Österreich aufwächst und dem das Leben nur Zitronen zu geben scheint. Erst wird er von seinem Vater ...

...make lemonade! Heißt ein bekannter Spruch. So begleiten wir hier August Drach, der in einem Dorf in Österreich aufwächst und dem das Leben nur Zitronen zu geben scheint. Erst wird er von seinem Vater ständig verprügelt und psychisch misshandelt, dann verschwindet der Vater und August meint kurz, dass jetzt das Leben besser werden könnte, aber dann liegt er mit einem Virusinfekt darnieder und statt sich zu erholen, bleibt sein gesundheitlicher Zustand fast die gesamte Kindheit weiterhin schlecht. Was er nicht weiß, wir Leser:innen allerdings: Die Mutter von August sucht Bestätigung und Selbstwerterhöhung in der Pflege des Jungen, weshalb sie auch diejenige ist, die ihn krank macht.

In der ersten Hälfte des Romans lernen wir August, seine Mutter und sein Dorf kennen, sowie die dysfunktionalen Bewältigungsstrategien, die in dieser Geschichte ein jeder und jede anwendet. Im zweiten Teil der Geschichte springen wir in Augusts Erwachsenenleben und erfahren, was diese Dysfunktionalität später mit einem Menschen macht, wie sie ihn tief prägen kann und was August aus seinem Leben macht. Er versucht, im übertragenen Sinne Limonade aus den Zitronen, die ihm bisher das Leben gegeben hat, zu machen. Ob ihm dies gelingt, sollte man sich selbst erlesen.

All dies beschreibt Valerie Fritsch mit einer gleichsam poetischen und hochpräzisen Sprache. Meines Erachtens ist die Sprache das Herausragendste an diesem kurzen Roman. Aber auch wie Fritsch die psychologischen Zusammenhänge darstellt und mit einem mitunter bitterbösen Ton Familiendynamiken herausschält. Wie in diesem Roman immer wieder Bilder auftauchen, die später aufgegriffen werden und Handlungen enden, die man so nicht hat kommen sehen, finde ich äußerst gelungen.

Insgesamt hätte ich mich auch noch etwas länger in diesem Kosmos aufgehalten und empfand den Roman einen Tick zu kurz. Auf jeden Fall eine interessante Idee, das Münchhausen-Stellvertretersyndrom prosaisch darzustellen und dessen Folgen auf das betroffene Kind in dessen Erwachsenenleben zu extrapolieren.

3,5/5 Sterne

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Wundervoll poetisch, nicht durchgehend gut.

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ZITRONEN
Valerie Fritsch

Der junge August Drach wächst alles andere als behütet auf:
Sein Vater schlägt ihn, egal was er macht. Sagt er die Wahrheit, ist es genauso falsch, als wenn er löge. Er kann es ...

ZITRONEN
Valerie Fritsch

Der junge August Drach wächst alles andere als behütet auf:
Sein Vater schlägt ihn, egal was er macht. Sagt er die Wahrheit, ist es genauso falsch, als wenn er löge. Er kann es ihm einfach nicht recht machen.
Seine Mutter beschützt ihn nicht - tut so, als wenn es sie nicht beträfe. Erst wenn der Vater von ihm ablässt, nimmt sie ihn zärtlich in den Arm. „Dem Vater fiel er in die Hände, der Mutter in die weit ausgebreiteten Arme.“ (S. 67)
Seine Kindheit verändert sich, als sein Vater ohne ein Wort des Abschieds seine Familie verlässt.
Erst scheint sich alles für August zum Guten zu wenden, doch dann wird er krank. Die vermeintliche Medizin, die seine Mutter ihm verabreicht, macht ihn müde und träge und lässt ihn tageweise durchschlafen.
Als Dr. Otto, der neue Freund seiner Mutter, bei ihr ein Rezeptblock mit seiner gefälschten Unterschrift findet, hat er es in der Hand, August zu helfen.
Ob er hilft, müsst ihr herausfinden.

Die Gewalt, die sich in Valerie Fritschs poetischen und wundervollen Schreibstil versteckt, hat mich zutiefst schockiert.
Wie kann etwas so Böses in so feinen Zeilen verpackt sein?
Das Schicksal des jungen Augusts hat mich zu Beginn tief berührt. Doch im Laufe des Buches und geprägt von seinen Eltern, entwickelt er sich einfach in eine falsche Richtung und wird mir zum Ende regelrecht unsympathisch. Am Ende des Buches war ich einfach nur froh, dass das Kapitel August für mich abgeschlossen war.

Fazit:
Wundervoll poetisch, außergewöhnlich, verwirrend, großartige Stellen, aber nicht durchgehend gut.
3½-4/ 5

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Veröffentlicht am 15.03.2024

Hoch poetisch

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Eigentlich war ich mir sicher, dass ich dieses Buch lieben würde. Das Cover ist einfach zu genial und die Beschreibung verspricht eine sehr besondere Geschichte, dramatisch und anrührend. Genau meins. ...

Eigentlich war ich mir sicher, dass ich dieses Buch lieben würde. Das Cover ist einfach zu genial und die Beschreibung verspricht eine sehr besondere Geschichte, dramatisch und anrührend. Genau meins. Noch dazu ist der Erzählstil zum Niederknien.

Es erzählt die tragische Geschichte von August Drach, der eine wirklich schlimme Kindheit durchleben musste. Ein gewalttätiger Vater, eine Mutter, die darin aufgeht, ihren kranken Sohn zu pflegen und deshalb dafür sorgt, dass es ihm nicht gut geht. So etwas hinterlässt Spuren.

Als er älter ist, versucht er sich ein eigenes Leben aufzubauen, weit ab von seinem Heimatdorf. Nur lässt ihn seine Kindheit einfach nicht los.

Im Grunde sollte man das Buch direkt mit einem Textmarker lesen. Da tummeln sich die schönen Sätze, die zitiert werden möchten. Sie sind wohlgesetzt, geschliffen, fein, atmosphärisch und berühren zutiefst. Man leidet sehr mit August, obwohl uns blutige Details erspart bleiben. Leicht zu lesen ist das allerdings nicht. Diesen Text muss man sich langsam erschließen.

Später verliert sich die Geschichte leider ein wenig. August treibt dahin und das Geschehen auch. Kleine Schlenker, mal pittoresk, mal makaber, mal fabulierend, verwässern das Thema. Der Stil ist noch immer grandios, aber nicht mehr so zielgenau wie am Anfang. Ein wenig verschwindet da das Drama im Ambiente.

Meine anfängliche Begeisterung für das Buch hat nach etwa der Hälfte stark nachgelassen. Zum Ende hin verpufft die Tragödie mit einem eher müden Knall. Schade.

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Veröffentlicht am 28.03.2024

Poetischer Schrecken ohne Mehrwert.

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Von einer unbeschwerten Kindheit kann August Drach nur träumen. Das verwunschene, leicht schiefe Haus am Ortsrand samt Apfelgarten lässt an laue Sommerabende und nackte Kinderfüße denken, an Winternachmittage ...


Von einer unbeschwerten Kindheit kann August Drach nur träumen. Das verwunschene, leicht schiefe Haus am Ortsrand samt Apfelgarten lässt an laue Sommerabende und nackte Kinderfüße denken, an Winternachmittage mit Kako und Büchern. Doch die Atmosphäre ist alles andere als heimelig, denn sein Vater demütigt und misshandelt August. Als dieser wenig später die Familie verlässt, kann August einen Sommer lang aufatmen - bevor seine Mutter ihn durch die Gabe unnötiger Medikamente schleichend vergiftet und damit an ihre "liebevolle" Fürsorge kettet. Lilly Drach leidet am Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom und sonnt sich in der Bewunderung und Aufmerksamkeit, die sie durch die Pflege ihres "kranken" Kindes erhält. August ist noch zu klein, vertraut ihr blind, bis er als junger Erwachsener seine Dämonen nicht mehr abschütteln kann...

Düster ist das erste Wort, das mir zu diesem Roman in den Sinn kommt. Die gesamte Atmosphäre ist durchzogen von trüben, grauen Schleiern. Ein wenig goldgelbes Licht fällt hier und da zwischen die Seiten; brüchig und scharfkantig sind die kurzen Momente des Glücks, wie die Glasscherben auf dem Cover. Valerie Fritschs zarte, fast poetische Prosa steht in hartem Kontrast zum Inhalt des Romans. Ihr Schreibstil erinnert mich an Künstler*innen in den Fußgängerzonen großer Städte, die mit raschen Bleistiftstrichen das Porträt eines Menschen skizzieren und damit dessen Wesen zu Papier bringen können. Mit wenig Worten und starken Bildern charakterisiert sie Personen und Situationen, verweist auf deren Schwachstellen und Verletzlichkeiten.

Ein Plot, der sich einer seltenen Erkrankung widmet und eine bezaubernde Sprache - das hätte großartig werden können und doch hat mich der Roman nicht erreicht. War ich zu Beginn noch tief beeindruckt, so hat mich die Sprache ab dem ersten Drittel regelrecht erdrückt. Fritsch presst jede noch so banale Alltäglichkeit in einen Schraubstock aus Kunstfertigkeit: "...klobige Apparate, die sich an der Ewigkeit abarbeiteten, bis sie eines Tages schwarz wurden. Die Satellitenschüsseln wuchsen hundertfach aus den bröckelnden Fassaden der Häuserblöcke wie fremdartige Pflanzen, runde graue Blüten, die sich in den Himmel streckten und Signale direkt aus jener anderen Welt, der man irgendwann angehören wollte, empfingen." (S. 102 f.) Auf Dauer anstrengend und bemüht künstlich.

Sobald wir August als jungen Erwachsenen treffen, zerfasert leider auch der Inhalt. Fritsch eröffnet einige völlig unnötige Nebenschauplätze und -figuren, wie eine Leichenhalle, in der August eine Weile arbeitet oder dessen Nachbarn mit ihren Lebensgeschichten. Dabei spart sie nicht mit makabren und teils gewaltvollen Details, die sie jedoch nicht ins eigentliche Geschehen einordnet. Kaum Kontext, keine Aufarbeitung. Hier wären einige Triggerwarnungen sinnvoll.

Ich hatte völlig andere Erwartungen an den Roman. Erhofft habe ich mir eine sensible Auseinandersetzung mit der tabuisierten Erkrankung der Mutter und der gestörten Mutter-Sohn-Beziehung. Stattdessen bekomme ich eine Geschichte, die ich so schon gefühlt tausendfach gelesen und gehört habe: Junger Mann mit schwieriger Kindheit, körperlich und psychisch schwer misshandelt, wird selbst zum Täter. Ähnlich wie dessen Eltern, die ebenfalls eine schwere Kindheit hatten und so weiter. Das ist Psychologie nach dem Baukasten-Prinzip, das eröffnet keine neuen Blickwinkel.

Valerie Fritsch ist ohne Frage eine Sprachkünstlerin, die mit Worten malen kann. Viele ihrer Bilder haben sich mir eingebrannt, weil sie so treffsicher sind. Dennoch war mir der Roman im Gesamten gleichzeitig zu viel und zu wenig. Poetischer Schrecken ohne Mehrwert. Leider keine Empfehlung von mir.

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