Als der 72jährige Volker März an einem kalten Herbstmorgen den Bahnsteig betritt, ahnt er nicht, dass er beobachtet wird. Der alte Mann gilt als dringend tatverdächtig in einem Mordfall, der vor 40 Jahren ganz Deutschland erschütterte: Im November 1981 wurde die 17jährige Nina Markowski auf brutale Weise umgebracht. Die Spuren am Tatort belasteten Volker März damals schwer, doch die Beweise reichten nicht für einen Schuldspruch. Verzweifelt kämpft Ninas Vater seither für Gerechtigkeit. Unterstützung erfährt er von Kriminalhauptkommissarin Anne Paulsen, die den Fall Jahrzehnte später wieder aufrollt. Angetrieben von einem sehr persönlichen Motiv schmiedet sie einen ungeheuerlichen Plan, um den damals Freigesprochenen doch noch zur Rechenschaft zu ziehen. Aber ist sie auch bereit, dafür selbst zur Täterin zu werden?
Eindringlich, aufwühlend und hochaktuell - die mitreißende Anatomie eines wahren Verbrechens, angelehnt an den Fall Frederike von Möhlmann
Der Autor hat seinen Roman nach den rechtlichen Irrungen und Verwirrungen eines realen Mordfall gestaltet, der eine große rechtswissenschaftliche Bedeutung hat und zu Gesetzesänderungen geführt hat, da ...
Der Autor hat seinen Roman nach den rechtlichen Irrungen und Verwirrungen eines realen Mordfall gestaltet, der eine große rechtswissenschaftliche Bedeutung hat und zu Gesetzesänderungen geführt hat, da die geltende Rechtslage als unerträglich erfahren wurde. Es gelingt dem Autor, anhand des Falles die juristischen Details wie z. B. das Mehrfachverfolgungsverbot (Ne bis in idem) des Art. 103 Abs. 3 Grundgesetz auch für Laien verständlich darzustellen. Positiv ist auf jeden Fall, dass er als Jurist weiß, von was er schreibt. Seinen fiktiven Fall im Roman schildert er sehr kleinteilig und minutiös, was mir streckenweise zu langatmig war, weil es zu viele nebensächliche Details gab. Die Perspektiv- und Zeitwechsel fand ich wiederum sehr gut dosiert. Ich hatte immer das Gefühl, die Informationen richtig einordnen zu können. Mir hat auch gefallen, dass auch die Situation der Angehörigen und der Ermittler gezeigt wird und was die Tat für ihr Leben bedeutet hat. Aufgrund kleiner Abstriche gibt es gute vier Sterne von mir.
Die 17jährige Nina wird 1981 auf dem Heimweg von einer Chorprobe vergewaltigt und mit mehreren Messerstichen ermordet. Ein Verdächtiger, Volker März, ist relativ schnell ins Visier der Ermittler geraten, ...
Die 17jährige Nina wird 1981 auf dem Heimweg von einer Chorprobe vergewaltigt und mit mehreren Messerstichen ermordet. Ein Verdächtiger, Volker März, ist relativ schnell ins Visier der Ermittler geraten, weil er ein ungleiches Verhältnis zu ihr hatte. Sie war seine Traumfrau und er für sie nur ein guter, fast väterlicher Freund, da deutlich älter.
Da ich ungern in einer Rezension zu viel vom Inhalt verraten möchte, muss ich an dieser Stelle zum weiteren Verlauf schweigen. Jeder, der die zugrunde liegenden Umstände im Fall Frederike von Möhlmann kennt, ahnt, was daraus wird.
Dass dieses Thema, wenn auch stark abgewandelt, in einem spannenden Roman aufgearbeitet wird, ist tatsächlich lobenswert. Die Allgemeinheit wurde wegen der daraus entstandenen juristischen Auseinandersetzungen, die bis zum Oberverfassungsgericht reichten, durchaus aufgewühlt und auch mir war der echte Fall sofort präsent - bereits vor der Lektüre des Buches, das ich auch aus diesem Grunde ins Auge gefasst hatte.
Der Roman wird in mehreren Ebenen erzählt. Da ist zum Einen das Jahr 1981 mit der Ebene des Tatvorlaufs und -hergangs sowie der Ebene der Ermittlungen bis ins Jahr 1982. Dann zum Anderen die Jahre 2007 sowie 2012 bis 2014 und letztlich noch die "aktuelle" Ebene 2022 und ein Rückblick in die 70er Jahre, die jedoch nur am Rande mit dem Fall Nina zu tun hat. Dankbarerweise sind die jeweiligen Daten immer als Kapitelüberschriften vorhanden,, sodass keine Verwirrung herrscht.
Die aktuelle Zeitebene bildet einen Parallelstrang des Romans, mit dem er sogar beginnt. Kommissarin Anne Paulsen entführt den Tatverdächtigen März in eine leerstehende Gaststätte, um ihm ein Geständnis zu entlocken. Dieser Strang baut auf dem realen Fall des Magnus Gäfgen, Mörder des Entführungsopfers Jakob von Metzler auf, allerdings nur in stark abgewandelter Form.
Wenn einem die realen Fälle bekannt sind, ist verständlicherweise nicht mehr viel mit Spannung im Sinne von Überraschung zu holen, da man bereits im Vorfeld weiß, wie es enden wird. Dies schadet der Lektüre jedoch keinesfalls. Der Schreibstil des Autors ist wieder einmal ausgesprochen packend und man kann das Buch nur schwer aus der Hand legen. Als Jurist weiß Markus Thiele genau, wovon er schreibt. Und in diesem Buch erklärt er auch recht genau, warum das Empfinden der Leserschaft nicht unbedingt mit geltendem Recht und Gesetz harmoniert. Und wie beim Fall Gäfgen verleitet er uns, am Ende doch mit Ermittlerin Paulsen zu bangen, ob es nicht vielleicht doch gut ausgehen kann für sie.
Die Story ist sehr gut aufgebaut, wobei mir der Paulsen-Strang etwas unrealistisch und schwer nachvollziehbar schien. Leider haderte ich auch mit der Rolle von NInas Vater, die in meinen Augen sehr schöngeschrieben und bewusst bemitleidenswert angelegt war. Da ich mich letztlich jedoch ohnehin mit keiner der Rollen identifizieren konnte oder wollte oder musste oder was auch immer, hat das dem Lesevergnügen keinen Abbruch getan.
Dieser Roman nach einem wahren Kriminalfall besticht nicht durch Spannung, sondern durch den Erzählstil und den Inhalt. Es wird sehr objektiv berichtet, wie sich die Geschichte über die Jahrzehnte schreibt ...
Dieser Roman nach einem wahren Kriminalfall besticht nicht durch Spannung, sondern durch den Erzählstil und den Inhalt. Es wird sehr objektiv berichtet, wie sich die Geschichte über die Jahrzehnte schreibt und wie die handelnden Personen agieren beziehungsweise reagieren.
Die Personen sind sehr gut herausgearbeitet und der Schreibstil kann nicht anders als mitreissend beschrieben werden.
Hier wird der Finger in eine salzbestreute Wunde gelegt was unser Rechtssystem angeht und vermittelt das Gefühl, dass mehr für die Täter als die Opfer getan wird. Es wird aber dabei auch gut gezeigt, dass die Umsetzung sowohl Staatsanwälte als auch Richter vor Herausforderungen stellt, da sie oft anders handeln wollen als sie es können.
Insgesamt ein sehr abwechslungsreiches Werk, da die Vergangenheit wie auch die Gegenwart zur Sprache kommt. Bei vielen Episoden fragt man sich zunächst, wo der Weg hinführen soll. Später dann werden diese vielen Fäden verknüpft und es ergibt sich ein sehr stimmiges Gesamtbild.
Wer wahre Kriminalfälle oder in neudeutsch auch True Crime mag kommt hier auf seine Kosten, auch wenn die Geschichte natürlich für den Roman an der ein oder anderen Stelle nicht ganz auf die wahre Begebenheit zurückzuführen ist. Die wahre Geschichte wird am Schluss noch auf wenigen Seiten erläutert, sodaß man die Fiktion von der Realität in diesem Fall noch zu unterscheiden lernt.
„Unschuldig ist er nur nach dem Gesetz.“
Markus Thiele – Zeit der Schuldigen – Lübbe
Vor 40 Jahren wird ein 17-jähriges Mädchen vergewaltigt und brutal ermordet. Der mutmaßliche Täter ...
„Unschuldig ist er nur nach dem Gesetz.“
Markus Thiele – Zeit der Schuldigen – Lübbe
Vor 40 Jahren wird ein 17-jähriges Mädchen vergewaltigt und brutal ermordet. Der mutmaßliche Täter wird freigesprochen. Für den Staat ist die Sache damit erledigt, jedoch für Klaus, den Kripobeamten, Hans, den Vater des Mädchens und später Anne Paulsen, die Kriminalhauptkommissarin, nicht.
„Verdammt, worauf hat sie sich hier bloß eingelassen? […] Sie entführt einen zweiundsiebzigjährigen Greis, um ihm ein Geständnis abzupressen.“
Markus Thiele – Zeit der Schuldigen – Lübbe
Die einzige Möglichkeit, wie er doch noch als Täter verurteilt werden könnte.
Ein Roman zwischen Realität und Fiktion.
Markus Thiele hat in diesem True-Crime-Roman den Fall „Frederike von Möhlmann“ verarbeitet, jedoch um fiktionale Charaktere ergänzt.
Die Perspektive wechselt von verschiedenen Beteiligten in unterschiedlichen Jahren.
Als Leserin verliert man dabei zu keiner Zeit den Überblick und es ist von Anfang bis Ende spannend.
Auch was den rechtlichen Hintergrund betrifft, ist alles genial ausgearbeitet. Als Leserin versteht man die Gesetzeslage auch ohne Vorwissen sehr gut, weil alles anschaulich erklärt ist, ohne dass es belehrend rüberkommt.
Am Schluss bleibt ein Gefühl … eine Frage … Verstehen und gleichzeitig Unverständnis.
„Was ist Schuld? Sie ist nichts weiter als vorwerfbare Verantwortung, sie ist „persönliches Dafürkönnen“ für begangenes Unrecht.“
Markus Thiele – Zeit der Schuldigen – Lübbe
Das Cover gefällt mir so ganz gut. Ob es passt, bin ich mir unschlüssig. Man erwartet eine andere Art des Thrillers, wobei es aus gewisser Sicht auch einer ist. Ein Thriller über Gerechtigkeit, der einen ...
Das Cover gefällt mir so ganz gut. Ob es passt, bin ich mir unschlüssig. Man erwartet eine andere Art des Thrillers, wobei es aus gewisser Sicht auch einer ist. Ein Thriller über Gerechtigkeit, der einen darüber nachdenken lässt, was Gerechtigkeit eigentlich bedeutet.
Die Protagonisten finde ich zum Großteil sehr sympathisch, bis auf den Mörder natürlich und sie wirken auch echt. Der Schreibstil war durchwegs spannend und hat mir gut gefallen.
Der erste Teil des Buchs befasst sich mit der Tat ansich, dem Finden des Täters und dem Schmerz des Vaters. Der zweite Teil hingegen befasst sich eher mit dem deutschen Gesetz. Der Mörder steht fest, aber das deutsche Recht enthält Tücken, die dem Gerechtigkeitsempfinden entgegen stehen. Man beginnt, darüber nachzudenken, was nun gerecht ist und was nicht.
Den Teil um Anne's Vergangenheit hätte es meiner Meinung nach nicht zwingend gebraucht, aber es erfüllte seinen Zweck, die Abneigung gegen den Täter wuchs noch weiter, sofern das überhaupt möglich wäre.
Fazig: Ein durchaus spannendes Buch, dass sich nicht nur mit der Tat, sondern auch dem Gesetz auseinandersetzt und einen zum Nachdenken bringt.