Ein bunter Strauß aus Beobachtungen, Wissen und Erfahrungen
Dieses Buch ist auf gelungene Weise ungewöhnlich. Es ist eine teils literarisch anmutende Erzählung mit Rückblicken in den Alltag früherer Generationen, teils fast poetische Darstellung der Beobachtungen, ...
Dieses Buch ist auf gelungene Weise ungewöhnlich. Es ist eine teils literarisch anmutende Erzählung mit Rückblicken in den Alltag früherer Generationen, teils fast poetische Darstellung der Beobachtungen, welche die Autorin in ihrem Garten macht, teils Ratgeber für natürliche Gartengestaltung, teils Sachbuch über Naturkunde und teils Manifest. Letztlich ähnelt es dem Garten der Autorin – es findet sich hier so vieles, oft Unerwartetes, manches nimmt eine andere Entwicklung als gedacht, aber alles bildet ein harmonisches Ganzes. Es hat Spaß gemacht, auf diese Reise voller kleiner Abzweigungen zu gehen. Dies beginnt schon beim ungemein liebevoll gestalteten Einband – hochwertig und mit einem zauberhaften Motiv.
Kleine Vignetten, die sich in die Vorfahren der Autorin hineinversetzen, bieten einen anschaulichen Einblick in das von Landwirtschaft und Wissen über die Natur bestimmte Leben jener Zeit, ebenso wie die Alltagserinnerungen der Autorin aus ihrer Kindheit. Diese konzentrieren sich auf das Wesentliche, es ist der ganz normale Alltag, der hier ruhig und sachlich geschildert wird, und gerade das macht es interessant und veranschaulicht, wie sehr sich vieles innerhalb von ein paar Generationen geändert hat, das zuvor über Jahrhunderte zum Leben dazugehörte.
Den Großteil des Buches bilden die Erfahrungen, welche die Autorin mit ihrem eigenen riesigen Garten macht und ihre – innere und äußere – Reise von der konventionellen Gartengestaltung zum sich fast selbst überlassenen natürlichen Garten. Sie schildert viele faszinierende Beobachtungen und das tut sie so farbig, daß man es beim Lesen miterleben kann. Auch die Symbiosen zwischen den unzähligen Lebensformen in der Natur werden hier durch eigene Beobachtungen dargestellt. Hintergrundinformationen erfahren wir auf verschiedene Weise. Einmal durch Informationen der Autorin selbst, häufig durch die beiden Söhne der Autorin. Dies stellt allerdings einen Wermutstropfen des Buches dar. Die Söhne haben viel Wissen und auch viel Enthusiasmus für das Thema, was an sich eine tolle Sache ist. Nur treten sie in einer statisch belehrenden Rolle auf, die stilistisch nicht überzeugt. So gibt es immer wieder Einschübe mit „Mein Sohn sagt“ oder „Meine Söhne sagten“, denen dann ein langer handbuchartiger Einschub folgt (was dann, wenn das angeblich beide Söhne sagen, eher unfreiwillig komisch wirkt, da es klingt, als ob beide nach Art eines griechischen Chores diese langen Passagen gemeinsam deklamieren). Wahrscheinlich sollte es durch die wörtliche Rede lebendiger wirken, aber die Umsetzung hat etwas Unnatürliches und wirkt in ihrer Häufigkeit enervierend.
Ebenfalls anstrengend fand ich den emotionalen Überschwang. Der innere Aufruhr der Autorin bei allerlei kleinen Vorkommnissen und Erkenntnissen wirkte auf mich übertrieben und in seiner Häufigkeit auch überspannt. Sätze wie „Ich kann alle und alles dem Tod anheimgeben. (…) Meine ungeheuerliche Macht“ und allerlei fast dramatische Reaktionen auf Handlungen, die die Autorin im Nachhinein als nicht richtig einstuft, ellenlanges Sinnieren über die „Beziehung“ zu den Pflanzen und Gekränktheit, weil diese sie nicht beachten oder brauchen, waren mir viel zu viel und haben mein Lesevergnügen beeinträchtigt. Auch die Erkenntnisse, denen ich oft zustimme und für sehr wichtig halte, waren mir häufig zu dramatisch dargebracht. Die immer wieder vorkommenden Wiederholungen hätten m.E. ebenfalls eingeschränkt werden können.
Insgesamt ist der Schreibstil aber erfreulich – der Text ist zugänglich, oft farbig, ungemein persönlich und gut lesbar. Auch ist das Thema faszinierend. Hätte ich einen Garten, würde ich vieles von dem hier Erwähnten umsetzen und das Buch läßt mich wünschen, ich hätte einen Garten. Die Natur um mich herum beobachte ich aber nun entschieden noch aufmerksamer und ich weiß zu schätzen, wie viel ich hier gelernt habe. Das Buch weckt ein Bewußtsein und das ist heutzutage dringend notwendig. Mir gefiel die Umsetzung in mehrerlei Hinsicht nicht, gerade was das übertriebene Pathos und die Einsetzung der Söhne als Handbuchzitierer betrifft, aber dafür fand ich auch viele Aspekte ausgezeichnet. Insbesondere die Vermittlung des Wissens, welches sich die Autorin erster Hand und über lange Jahre erarbeitet hat, ist bemerkenswert. Die Leser haben hier an einem ungewöhnlichen Lernprozess teil.