Tote Ehemänner im Lockdown
Femizide, sogenannte Ehrenmorde, physische und psychische Gewalt oft über Jahre Hinweg - Wenn es um Gewalt in einer Beziehung geht, sind die Täter fast immer männlich, die Opfer ihre Ehefrauen, Partnerinnen, ...
Femizide, sogenannte Ehrenmorde, physische und psychische Gewalt oft über Jahre Hinweg - Wenn es um Gewalt in einer Beziehung geht, sind die Täter fast immer männlich, die Opfer ihre Ehefrauen, Partnerinnen, Töchter. Die Statistiken von Organisationen wie Terre des femmes sind ernüchternd und schockierend. Damit ein so ernstes und hartes Thema Gegenstand eines durchaus humorvollen Kriminalromans ist, braucht es vermutlich den berühmten schwarzen britischen Humor - und genau das funktioniert in "Ein Mann zum Vergraben" von Alexia Casale ziemlich gut.
Es war ein Unfall. Als Ehemann Jim sie in einem seiner Wutanfälle einmal wieder mit kochendheißem Wasser übergießen will, greift die englische Hausfrau Sally, Mutter zweier erwachsener Kinder, zum erstbesten Gegenstand, um ihn abzuwehren. Dass die gusseiserne Pfanne, ein Erbstück ihrer Oma, derart fatale Wirkung hat, merkt sie erst, als Jim tot auf dem Küchenboden liegt.
Nach einem Schaumbad und einer Eis- und Kuchen-Orgie ringt Sally mit sich selbst: Sollte sie nicht die Polizei rufen? Würde ihr Notwehr angerechnet? Doch andererseits findet sie, sie hat jede mögliche Strafe in ihrer mehr als 20 Jahre dauernden Ehe verbüßt. Bleibt die Frage: Wie entsorgt man einen toten Ehemann, ohne eine Festnahme zu riskieren? Dass gerade Corona-Lockdown herrscht, macht es einerseits komplizierter, andererseits einfacher.
Zwischen Schuldgefühlen und Plänen für ein anderes, glücklicheres Leben muss Sally feststellen: Sie ist nicht allein. In ihrer eigentlich überschaubaren Nachbarschaft lernt sie weitere Frauen in ählnicher Situation kennen. Als "Club der heimlichen Witwen" und unter Beachtung der Abstandsregeln planen sie die Entsorgung ihrer toten Ehemänner. Ein Plan muss her, der das Verschwinden der vier Männer so erklärt, dass kein Verdacht auf die Frauen fällt.
Immer haarscharf am Rande eines Nervenzusammenbruchs stellen sich die Frauen Grenzsituationen, erleben aber auch Sisterhood, Solidarität und Zuspruch. Und vor allem: Endlich können sie über das reden, was sie jahrelang aus Scham Freundinnen und Angehörigen verschwiegen haben.
Die Autorin hat sich jahrelang für misshandelte Frauen engagiert und besonders glaubwürdig ist das Buch dort, wo es der Frage nachgeht: Warum beenden so viele Frauen eine toxische Beziehung nicht einfach, die für sie ganz offensichtlich auch tödlich enden könnte? Warum werden Hilfsangebote, so sie denn kommen, abgelehnt und heile Welt vorgespielt? Bei allem Humor und seinen sympathischen Protagonistinnen wird das ernste Thema häuslicher Gewalt nicht heruntergespielt oder verharmlost. Gleichzeitig hilft der britische Humor, mit einem Lächeln durch das Buch zu gehen. Zugleich weckt Casale Sensibilität für ein Thema, das immer noch in der Öffentlichkeit zu sehr verharmlost wird.