Die Schrecken der Vergangenheit – Atmosphärisch, düster, isländisch
Zwölf Jahre nach dem Tod und der Vergewaltigung eines Mädchens wird eine Zeitkapsel in Reykjavik gehoben. Darin enthalten: 10 Jahre alte Briefe von Schülern, die beschreiben, wie sie sich Island im Jahre ...
Zwölf Jahre nach dem Tod und der Vergewaltigung eines Mädchens wird eine Zeitkapsel in Reykjavik gehoben. Darin enthalten: 10 Jahre alte Briefe von Schülern, die beschreiben, wie sie sich Island im Jahre 2016 vorstellen. Darunter findet sich noch etwas anderes: eine unheimliche Botschaft, die akribisch genau die Initialen von zukünftigen Mordopfern auflistet. Kurz danach werden zwei abgetrennte Hände in einem Hot Tub in der Stadt treibend gefunden. Doch noch hat keiner eine Vermisstenanzeige bei der Polizei gestellt. Schon bald taucht die erste verstümmelte Leiche auf, dicht gefolgt von einer zweiten, und es ist klar, dass die Botschaft aus der Zeitkapsel ernst zu nehmen ist.
Ein Fall für Kommissar Huldar, der sich beweisen muss: von seinen Leitungsaufgaben entbunden, wird er von den meisten seiner früheren Untergegebenen gemieden, die Beziehung zur Kinderpsychologin Freyja ist ebenfalls ruiniert, was er zu reparieren hofft, indem er sie in die jetzigen Ermittlungen mit einbezieht ...
Die Autorin:
Yrsa Sigurdardóttir, geboren 1963, ist eine vielfach ausgezeichnete Bestsellerautorin, deren Spannungsromane in über 30 Ländern erscheinen. Sie zählt zu den "besten Kriminalautoren der Welt" (Times Literary Supplement). Sigurdardóttir lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Reykjavík. Sie debütierte 2005 mit "Das letzte Ritual", einer Folge von Kriminalromanen um die Rechtsanwältin Dóra Gudmundsdóttir. DNA ist Start einer neuen Serie um die Psychologin Freyja und Kommissar Huldar von der Kripo Reykjavik. (Quelle: btb Verlag)
Reflektionen:
SOG ist der zweiten Band der Reihe um Kommissar Huldar und Kinderpsychologin Freyja. Nach dem Huldar bei den Ermittlungen im ersten Band der Reihe (DNA) schwerwiegende Fehler begangen hat und Freyja im Kinderhaus einen Mann erschossen hat, sind beide von ihren beruflichen Positionen degradiert. Huldar ist es recht, die Führungsposition los zu sein, aber er wird von seinen Kollegen geschnitten und leidet. Untereinander machen sich Huldar und Freyja gegenseitig unausgesprochene Vorwürfe, die damalige Situation verschuldet zu haben und sie verzichten im Einklang darauf, miteinander überhaupt in Kontakt zu treten, bis sie dieser neue Fall unabdingbar zur Zusammenarbeit zwingt.
Die Charaktere von Huldar und Freyja sind intensiv und vielschichtig gezeichnet. Ihre lebendigen Legenden sind interessant und es verbindet sie ein unsichtbares Band. Sie empfinden etwas füreinander, es knistert hin und wieder und dann stoßen sie sich erneut gegenseitig, fast angewidert, voneinander ab. Allein diese beiden Charaktere bieten Stoff für zahlreiche, weitere Bände der Reihe.
Der Prolog erzählt von der 8-jährigen Vaka, die nach einem Umzug eine neue Schule besucht. Widererwartend steht sie vergeblich an der Schule und wartet auf ihren Vater, der sie abholen wollte und doch nicht kommt. Stark verunsichert bittet Vaka eine Mitschülerin bei ihr Zuhause telefonieren zu dürfen und danach verliert sich jede Spur von ihr.
Yrsa Sigurdardóttir gelingt es erneut, eine unheimliche, düstere, athmospährische Grundspannung zu erzeugen, die 500 Seiten lang vorherrscht. Geschickte Wendungen und intelligente Verstrickungen lassen bis fast zu Letzt keine sicheren Schlüsse zu, wer hier Täter und wer Opfer ist. Mit der Darstellung der tiefen, psychologischen Einblicke in die Seelen von zahlreichen Figuren produziert Yrsa Sigurdardóttir reichlich Futter für Kopfkino und Spekulationen.
Der komplexe Plot macht wirklich Spaß. Dennoch, Yrsa Sigurdardóttirs eher gewohnt ruhige, isländische Stil, lässt die Spannungskurve nur mit einem gemäßigten Tempo ansteigen. Wenn auch actionreiche Szenen vorhanden sind, so bewegt man sich doch eher in einem gemäßigt soliden, literarischen Fahrwasser durch die Geschichte. Würde die Autorin noch ein bisschen mehr Pfeffer verarbeiten und etwas von ihrer unaufgeregten Sprache ablegen, würde man von einem brillanten Titel sprechen können.
Recht zart besaitete Leser könnten sich an den brutalen Verbrechen stoßen, aber der detailreiche Schwerpunkt der Verbrechen liegt eindeutig auf den Geschehnissen rund um die Taten, so dass das Blutige schnell wieder im Hintergrund verschwindet und empfindsame Leser doch beruhigt diese Reihe lesen können.
SOG kann durchaus als stand alone gelesen werden, doch die Einblicke in die komplexen Charakterzeichnungen der Hauptfiguren wären dann nicht schlüssig und nachvollziehbar. Auch verzichtet Yrsa Sigurdardóttir auf einen Rückblick des ersten Falls und so empfiehlt es sich, zunächst DNA, den ersten Teil der Reihe, zu lesen.
Fazit und Bewertung:
SOG glänzt mit einem komplexen Plot und intensiven Charakterzeichnungen. Atmosphärisch und düster entwickelt sich die Spannungskurve zwar in gemäßigtem Tempo, aber Yrsa Sigurdardóttir weiß dennoch ihre Leser spannend zu unterhalten.
Für einen dritten Teil der Reihe wäre etwas mehr Pfeffer und etwas weniger unaufgeregte Sprache ein Highlight.
©nisnis-buecherliebe