Cover-Bild Kleine Monster
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Hanser Berlin in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 256
  • Ersterscheinung: 22.07.2024
  • ISBN: 9783446281448
Jessica Lind

Kleine Monster

Roman
Nominiert für den Österreichischen Buchpreis 2024
Ein soghafter Roman über die zerstörerische Kraft des Ungesagten. »Einzigartig und nervenzerfetzend.« Doris Knecht

Pia und Jakob sitzen im Klassenzimmer der 2B, ihnen gegenüber die Lehrerin ihres Sohnes. Es habe einen Vorfall gegeben, mit einem Mädchen. Pia kann zunächst nicht glauben, was ihrem siebenjährigen Kind da vorgeworfen wird. Denn Luca ist ein guter Junge, klug und sensibel. Sein Vater hat daran keinen Zweifel. Aber Pia kennt die Abgründe, die auch in Kindern schlummern, das Misstrauen der anderen erinnert sie an ihre eigene Kindheit. Sie lässt ihren Sohn nicht mehr aus den Augen und sieht einen Menschen, der ihr von Tag zu Tag fremder wird. Bei dem Versuch, ihre Familie zu schützen, wird Pia schließlich mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert. Ein fesselndes psychologisches Drama über die Illusion einer heilen Kindheit.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.08.2024

Die Herausforderungen von Elternschaft

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“Kleine Monster” von Jessica Lind ist eine Geschichte über Familie, Elternschaft, insbesondere das Mutter-Dasein und ein Bewusstwerden über die eigene Kindheit. Die Geschichte wird dabei auf zwei Zeitebenen ...

“Kleine Monster” von Jessica Lind ist eine Geschichte über Familie, Elternschaft, insbesondere das Mutter-Dasein und ein Bewusstwerden über die eigene Kindheit. Die Geschichte wird dabei auf zwei Zeitebenen erzählt, einmal der heutigen, in der Pia und Jakob sich als Eltern mit den Problemen ihres Sohnes Luca auseinandersetzen müssen. Die andere Ebene spielt in Pias eigener Kindheit, zusammen mit ihren zwei Schwestern und den schwerwiegenden Schicksalen, die diese mit sich bringen.

Für mich hat sich mit dem Titel, dem Klappentext und dem Beginn der Handlung die Frage gestellt, ob auch in Kindern schon Abgründe schlummern können, die sich in ihren Taten widerspiegeln. Diese Frage verneine ich grundsätzlich, fand es aber unglaublich spannend, dem Gedanken trotzdem nachzugehen und war somit neugierig auf Jessica Linds Umsetzung. Tatsächlich hat sich die Handlung aber in eine etwas andere Richtung entwickelt, auch wenn die Frage immer wieder aufkam.
Es ging mehr um die prägende Kindheit Pias, familiären Zusammenhalt - aber auch Probleme, die Trauer in der Familie um den Tod eines Kindes, den Umgang mit seinem Kind, der in Stresssituationen nicht immer perfekt stattfindet und einen Blick auf Mutterschaft. Mutterschaft, die gesellschaftlich ungleichberechtigte Verteilung von Aufgaben und Verantwortung zu Lasten der Frauen und wie überproportional selbstverständlich eine Mutter gegenüber dem Vater erachtet wird.

Damit hat eine feministische Kritik an unserer aktuellen Gesellschaft stattgefunden, die mir sehr gefallen hat. Und auch wenn unsere Protagonistin Pia einiges daran hinterfragt, ist sie selber nicht frei von Fehlern, was sie und die Geschichte umso authentischer gemacht hat, wenn auch in meinen Augen nicht unbedingt sympathisch. Tatsächlich habe ich keinen der Charaktere wirklich gemocht, da der Fokus des Buchs insgesamt auf einer realistischen Betrachtung liegt , die eben häufig nicht nur positiv aussieht.

Den Umgang mit Kindern, der in dem Buch abgebildet wird, muss ich aber nochmal schärfer kritisieren, als dies sowieso schon durch die Geschichte getan wird, da das Wort Missbrauch durchaus kurz ausgesprochen wird, aber noch viel tiefgehender dargestellt wurde. Was hier beschrieben wird, ist nicht in Ordnung und sollte auch in keiner Ausnahmesituation so praktiziert werden!

Den Roman fand ich schon eher anspruchsvoll zu lesen, da die Themen durchaus bedeutsam und zum Teil schwer verdaulich sind, aber auch die Sprache fand ich an einigen Stellen herausfordernd. Dies mag vermutlich daran liegen, dass Jessica Lind Österreicherin ist und sich dies auch in Teilen in ihrer geschriebenen Sprache wiederfindet. Und auch durch die häufigen Szenen- und Zeitsprünge musste ich mich immer wieder neu in der Geschichte zurechtfinden.

Schlussendlich lässt die Autorin meiner Meinung nach noch viele Fragen offen und damit uns Leser*innen einen großen Interpretationsspielraum. Ich denke, dass das für viele ernüchternd sein könnte, mich hat es aber zum Nachdenken angeregt und ich konnte den Ausgang der Geschichte mit meinen eigenen Schlüssen vervollständigen. Wem dies ebenfalls zusagt, kann ich “Kleine Monster” durchaus weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 22.10.2024

Mütter und ihre eigenen kleinen Monster

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Angesprochen durch das fein gestaltete Cover und die Leseprobe bin ich mit einiger Vorfreude ins Buch gestartet in Erwartung eines psychologisch interessanten Familienromans. Die Geschichte hat zu Beginn ...

Angesprochen durch das fein gestaltete Cover und die Leseprobe bin ich mit einiger Vorfreude ins Buch gestartet in Erwartung eines psychologisch interessanten Familienromans. Die Geschichte hat zu Beginn tatsächlich einen gewissen Sog. Dabei ist die Sprache klar und schnörkellos. Der 7 jährige Sohn soll in der Schule ein Mädchen übergriffig behandelt haben und schweigt. In der Mutter entstehen Ängste und Sorgen, kennt sie ihr Kind wirklich? Das muss doch ein Irrtum sein. Gleichzeitig liest sich zwischen den Zeilen heraus, dass auch die Mutter als Kind Teil einer Tragödie war. Vieles scheint unausgesprochen und ungeklärt zu sein. Und während der Vorfall in der Schule mehr und mehr in den Hintergrund tritt, bekommt der Leser eine Ahnung, welche "kleinen Monster" die Ich-Erzählerin in sich trägt. Allerdings verliert mich der Roman leider ab der Mitte zunehmend. Beim Lesen entstanden immer mehr Fragen in meinem Kopf und mir war es dann am Ende tatsächlich etwas zuviel der Ungeklärtheiten und es blieb das Bild einer unschönen familiären Tragik mit einer Protagonistin, die wenig Sympathie und Mitgefühl auslöst, zurück. Wenn man als Leser die Aufklärung des Vorfalls in der Schule in den Hintergrund stellen kann zugunsten der Thematik um eine komplexe Mutterfigur, die durchaus beim Lesen polarisiert, wird man mit "Kleine Monster" seine Freude haben.

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Veröffentlicht am 13.10.2024

Nicht schlecht, aber habe mir deutlich mehr erhofft!

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Achtung, die Rezension enthält Spoiler, vor denen aber im Text noch einmal gewarnt wird!

Inhalt

Ihr siebenjähriger Sohn soll ein Mädchen belästigt haben, deshalb werden Pia und Jakob in die Schule ...

Achtung, die Rezension enthält Spoiler, vor denen aber im Text noch einmal gewarnt wird!

Inhalt

Ihr siebenjähriger Sohn soll ein Mädchen belästigt haben, deshalb werden Pia und Jakob in die Schule zitiert. Für Pia ändert das alles. Sie beginnt, Luca zu misstrauen, meint etwas Dunkles in ihrem Sohn zu erkennen. Sie hat immer mehr das Gefühl, dass er intelligenter ist, als man es einem Kind zutrauen würde, dazu noch berechnend und manipulativ. Wenn Luca wirklich ihre schlechten, dunklen Seiten (die sie sogar vor ihrem Partner verbirgt) geerbt hat, muss sie die anderen und ihn selbst unbedingt davor schützen…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz

Inhaltswarnung: Tierquälerei, Tod, Gewalt gegen Kinder, Vernachlässigung von Kindern, männliche Gewalt, Mobbing, s+xualisierte Gewalt
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- Rückblenden
- einfacher Schreibstil
- unheimliche Grundstimmung
- Themen: Kindheit, Schuld, Tod, Trauer, Elternschaft (besonders Mutterschaft) und Erziehung
- s+xualiserte Gewalt, Geschlechterrollen
- Gewalt gegen Kinder + Vernachlässigung
- Adoption, Geschwisterliebe
- Landleben

Lieblingszitate

„‘Wir wissen doch gar nicht, ob es wirklich so passiert ist. Ein Mädchen hat eine Geschichte erzählt und jetzt sind alle in heller Aufregung.‘
‚Glaubst du, sie hat es erfunden?‘“ Ebook, Position 64

„Wenn sich Luca erschreckt, wird er ganz still. Wenn wir schimpfen, zieht er die Schultern ein und senkt den Blick. Wie eine Schnecke, die sich in ihr Haus verkriecht.“ E-Book, Position 79

„Aber manchmal komt es mir doch so vor, als hätten zwei Bäume miteinander den Platz getauscht, oder es kommt eine Biege, die ich ganz woanders hingetan hätte.“ E-Book, Position 162

„Die Liebe ist keine Selbstverständlichkeit für mich. Die Mutterhaut, die ich trage, passt nicht wie angegossen. Ich bin nicht Aschenputtel, ich bin eine ihrer Schwestern, die sich erst die Ferse abschneiden muss oder den großen Zeh.“ E-Book, Position 519

Meine Rezension

Bei „Kleine Monster“ haben mich Klappentext und Leseprobe (s+xualisierte Gewalt im Kindesalter, Umgang der Eltern und Schule damit) vollkommen in ihren Bann gezogen! Deshalb war mir schnell klar: Dieses Buch muss ich unbedingt lesen! Die Nominierung für den Österreichischen Buchpreis (mit der ich fest gerechnet hatte) und die vielen positiven Rezensionen sowohl im Feuilleton als auch von anderen Blogger:innen haben mich nur noch neugieriger gemacht…

So, meine Lieben, ich mache es kurz und schmerzlos: Es ist wieder einmal Zeit für eine „unpopular Opinion“! Denn auch wenn sich Leser:innen und Literaturexpert:innen noch so vor Lob überschlagen – ich sehe es nicht, tut mir leid! Den großen Hype um „Kleine Monster“ kann ich leider nicht wirklich verstehen. Natürlich fragt man sich in so einem Fall schon: Nanu, stimmt etwas nicht mit mir? So viele Leute können doch nicht irren, oder? Fest steht, dass ich mir auch dieses Mal selbst treu bleiben und euch meine ungeschönte Meinung besonders gut erklären muss – und damit fangen wir sofort an!

Was mir an „Kleine Monster“ gefallen hat: Ich fand den Titel und den Einstieg in den Roman genial! Man ist sofort mitten in der Geschichte, hat gefühlt 1000 Fragen (was ist genau passiert? Warum hat Luca das getan? Wie geht man mit Vorfällen dieser Art und in diesem Alter richtig um? Wie werden sich die Eltern nun verhalten? Wieso ist Pia direkt so misstrauisch?) und möchte unbedingt wissen, wie es weitergeht!

Pluspunkte hat das Werk bei mir auch mit seiner (zumindest stellenweise) unheimlichen Grundstimmung (was weiß nie, was als Nächstes passieren wird, hat Angst, dass die Lage eskalieren könnte!) und dem sehr flüssig lesbaren Schreibstil gesammelt, ebenso mit seiner ehrlichen und ungeschönten Auseinandersetzung mit Themen wie s+xualisierte Gewalt, Tod, Schuld, weiblicher Wut, Mutterschaft und Gewalt in der Kindererziehung. Pias fast schon paranoides Misstrauen ihrem Sohn gegenüber wird sehr greifbar und eindringlich geschildert – ihre Gewaltausbrüche ihrem Kind gegenüber sind hierbei nicht immer leicht zu verdauen (Achtung, Inhaltswarnung!). Bei einer Lesung, die ich besucht habe, hat die Autorin (die übrigens eine unglaublich schöne Stimme und angenehme Art hat, sie sollte wirklich Hörbücher sprechen!) erklärt, dass sie in ihren Romanen jene negativen Muttergefühle wieder hervorholt und von allen Seiten ins Licht hält, die eigentlich nicht sein dürfen und die sie im Alltag sofort beiseiteschiebt – und von dieser Authentizität profitiert die Geschichte extrem, man spürt sie in jeder Zeile.

Positiv aufgefallen sind mir auch die vielen starken weiblichen Figuren, die gleichberechtigte Elternschaft zwischen Jakob und Pia und die Art, wie Rollenstereotype (besonders die der „aufopferungsvollen Mutter“ und des „natürlichen Mutterinstinkts“) immer wieder bewusst hinterfragt und gebrochen werden. Besonders Letzteres fand ich sehr erfrischend!

Was mir an „Kleine Monster“ nicht gefallen hat: Vielleicht bin ich durch die vielen positiven Bewertungen mit zu hohen Erwartungen an diese Geschichte, die viele Rückblenden enthält, herangegangen, jedenfalls ließ sie mich sehr unbefriedigt zurück und ich fragte mich am Ende ernüchtert: „Was? Das war’s schon?“ Wo andere die vielschichtige, tiefgründige Geschichte loben, sehe ich einen Schreibstil, der durch seine einfachen, kurzen Sätze und den Mangel an Details oberflächlich bleibt. Wo andere ein grandioses Buch sehen, nehme ich eine gute Idee wahr, aus der man aber so viel mehr hätte machen können.

Irgendwie hat mich das Buch auch nie richtig gefesselt (abgesehen von den ersten Seiten), zog sich und fühlte sich viel länger an, als es ist (es hat ja nur knapp 250 Seiten). Hier fehlte mir ein durchgehender Spannungsbogen. Außerdem bleiben für meinen Geschmack viel zu viele GRUNDLEGENDE Fragen offen! ACHTUNG, SPOILER ab hier: Warum quält Luca nun Tiere (leichte Inhaltswarnung!)? Was steckt dahinter? Wie werden Pia und Jakob damit und mit dem Vorfall in der Schule umgehen? Dass das Kind große Probleme mit Empathie hat, war doch keine Einbildung? Hat es wirklich mehrmals bewusst seine Eltern angelogen (Wasserglas)? Was ist am Todestag der Schwester wirklich passiert? Hat Romy wirklich alles getan, um Linda zu retten? Wird Romy wieder ein Teil von Pias Leben werden? Fragen über Fragen – und eine Geschichte, die sich nur auf den ersten Seiten um s+xualisierte Gewalt dreht, danach aber eine vollkommen andere Richtung einschlägt und das Thema zur Nebensächlichkeit verkommen lässt. An meiner Enttäuschung ist deshalb sicher auch der (bewusst?) irreführende Klappentext schuld…

Mein Fazit

„Kleine Monster“ ist sicher kein schlechtes Buch (versteht mich nicht falsch, es hat durchaus seine Stärken!), doch von Begeisterungsstürmen bin ich meilenweit entfernt. Ich bleibe nach der Lektüre ernüchtert und mit vielen Fragezeichen zurück – ich habe mir einfach deutlich mehr erhofft… Eine explizite Leseempfehlung gibt es deshalb von mir nicht.

Bewertung (in Schulnoten)

Cover / Aufmachung (altes Cover): 3
Idee: 2
Inhalt, Themen, Botschaft: 3
Tiefe: 3
Umsetzung: 3
Worldbuilding: 2
Einstieg: 1+ ♥
Ende: 2
Schreibstil: 3
Figuren: 3
Spannung: 3-4
Pacing/Tempo: 3-4
Wendungen: 3
Atmosphäre: 2
Emotionale Involviertheit: 3
Feministischer Blickwinkel: 1-2
Einzigartigkeit: 2

Insgesamt:

Note 3

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Veröffentlicht am 30.09.2024

"Kinder sind nicht nur kleine Engel. Ganz im Gegenteil"

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Den Roman "Kleine Monster" von Jessica Lind wollte ich unbedingt lesen. Schon Linds Erstling "Mama", eine Art Schauerroman, der die Urgewalt der Mutterschaft thematisiert, sehr roh zwischen Traum und Wirklichkeit ...

Den Roman "Kleine Monster" von Jessica Lind wollte ich unbedingt lesen. Schon Linds Erstling "Mama", eine Art Schauerroman, der die Urgewalt der Mutterschaft thematisiert, sehr roh zwischen Traum und Wirklichkeit jongliert und einen mit einem sehr beklemmenden Gefühl zurücklässt, fand ich wahnsinnig toll. So etwas ähnliches erwartete ich nun auch bei "kleine Monster"; umgemünzt auf das Familienleben, das zwischenmenschliche Gefüge und Ver- bzw. Misstrauen zwischen Eltern und Kind.

Pia und Jakob werden für ein Gespräch in die Schule ihres Kindes bestellt. Es gab ein Vorfall zwischen Luca und einem Mädchen. Sie können es zunächst nicht glauben, wollen es nicht glauben. Ihr guter, sensibler und vernünftiger Junge. Doch der Siebenjährige schweigt, möchte mit ihnen nicht darüber reden. Und gerade das macht Pia fertig. Während Jakob sich noch auf die Seite seines Sohnes stellt - "Wir wissen doch gar nicht, ob es wirklich so passiert ist. Ein Mädchen hat eine Geschichte erzählt und jetzt sind alle in heller Aufregung." - beginnt bei Pia bereits eine Wunde aufzureißen. "Jakob sieht nicht, was ich sehe. Weil er das Dunkle nicht kennt. Aber ich kenne es, und wenn Luca auch so ist, dann ist er es wegen mir. Wegen meiner Familie." Sie wird vorsichtiger, die Bindung zwischen ihr und ihrem Sohn bröckelt und Skepsis macht sich breit. Die Angst davor, dass er eben nicht so lieb und ruhig ist, wie gedacht, nimmt überhand, trübt ihren Blick und sie beginnt ihrem Sohn Dinge zu unterstellen. Bis es dann eines Tages nicht nur bei Unterstellungen und Gedanken bleibt... alles zu kippen droht. "...ich weiß, dass mein Gefühl stimmt, dass da noch mehr ist, dass Luca etwas verschweigt. Jakob liegt falsch, wenn er sagt, dass Schweigen nicht Lügen ist. Schweigen ist noch schlimmer. Ich weiß, wovon ich rede."

"Der >Vorfall< schwebt über uns wie eine finstere Wolke, begleitet uns überallhin, wohin wir auch gehen. Ich suche nach einem Zauberspruch oder wie in einem Computerspiel nach der richtigen Abfolge von Handlungen, mit der man den Kampf gegen das Monster schließlich gewinnt."

Doch wer ist hier das Monster? Ihr Sohn? Der Vorfall? Sie selbst?

Ich habe mich lange gefragt, woran es liegt, dass dieses Buch bei mir nicht so 'funktionierte'. Während viele von beklemmender Faszination berichten, hatte ich eher mit Verständnislosigkeit und Wut auf die Protagonistin zu kämpfen. Für mich eine irgendwie neue und krasse Erfahrung - was ein Text mit mir und in mir auslöst, wie ich mich gegen den erzählenden Charakter richte und wie wütend ich da werden kann. Und das war für mich dann auch das Faszinierendste an diesem Roman, denn umso weiter ich las, umso weniger begreifbar und logisch wurde es. Ich habe es nicht verstanden, wie sich das alles so aufbauschen kann, dass weder ihr Partner, noch das Umfeld eingriffen und Pia (ohne nun zu viel verraten zu wollen) ihr persönliches, allem zugrunde liegendes Trauma über das aller stellt, obwohl auch andere, und das noch viel näher, an den damaligen Ereignissen beteiligt waren, mehr gesehen und gelitten haben. Zwar zeigen sich Traumata bei jedem anders und doch war mir das in diesem Fall einfach zu egozentrisch dargestellt. Vielleicht auch zu einfach.
An anderen Stellen war mir der Text hingegen einfach nicht hart genug, die Aufteilung in drei Teile hat für mich keinen Sinn ergeben, außer dass es vielleicht die Steigerung der psychischen Gewalt und das Pias Misstrauen unterstreicht, allerdings hätte es dafür keine 'Szenensprünge' gebraucht, es hätte auch genauso gut als durchgehender Text funktioniert. Und irgendwie hatte ich beim Lesen ständig das Gefühl, dass dieser Roman sehr glatt gezogen wurde. Alle Ecken und Kanten, die ich an "Mama" so liebte und die dieses Schauergefühlartige hervorriefen waren verschwunden. Dieser Text ist nun so typisch 'publikumsverlagig' und eintönig. Leider ist das nicht das erste Mal, dass Lieblingsautor
innen zu Hanser wechseln und dann eben genau das passiert. Ich freue mich sehr für Lind und dass ihr zweiter Roman nun eine größere Aufmerksamkeit genießt, aber irgendwie hat's mich da auch so ein Stück weit verloren.

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Veröffentlicht am 19.09.2024

Intensiv aber unnahbar

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Ehrlich gesagt habe ich basierend auf dem Klappentext etwas anderes erwartet - zumindest einen anderen inhaltlichen Fokus auf das Geschehen. Daher konnte ich mich zwar gut auf das Buch einlassen, habe ...

Ehrlich gesagt habe ich basierend auf dem Klappentext etwas anderes erwartet - zumindest einen anderen inhaltlichen Fokus auf das Geschehen. Daher konnte ich mich zwar gut auf das Buch einlassen, habe aber dennoch die ganze Zeit eine Wendung der Ereignisse erwartet, die nicht kam.

Ausgelöst durch einen Vorfall in der Schule mit ihrem Sohn, werden bei Pia ein Gedankenkarussell und Erinnerungen in Gang gesetzt, die von außen betrachtet schnell außer Kontrolle geraten.

Wenn das Buch anfangs noch dazu anregt, sich mit dem Thema Mutterschaft auseinanderzusetzen, wird schnell klar, dass ein tabuisiertes Kindheitstrauma bei der Protagonistin kein rationales Bewerten der Situation mehr zulässt.

Das Buch ließ sich gut und flüssig lesen, die Charaktere blieben aber unnahbar und die anfängliche Identifikationsfläche ging schnell verloren. Immer mehr rückte die toxische Beziehung zur Mutter und die Auswirkungen auf die eigene Mutter-Sohn-Beziehung in den Mittelpunkt, die teils schwer zu ertragende Auswüchse annahm.

Ein gut geschriebenes Buch, das seinen Schwerpunkt auf die Kindheitserinnerungen der Mutter legt und diese nach und nach enthüllt, einen aber auch etwas erschüttert zurücklässt.

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