Fesselnder historischer Roman
„...Ich glaube, dass Euer Gemahl Euch einen gefährlichen Sumpf hinterlassen hat, den Ihr derzeit bei waberndem Nebel und leider nur mit halb geöffneten Augen durchwandert...“
Wir schreiben das Jahr 1423. ...
„...Ich glaube, dass Euer Gemahl Euch einen gefährlichen Sumpf hinterlassen hat, den Ihr derzeit bei waberndem Nebel und leider nur mit halb geöffneten Augen durchwandert...“
Wir schreiben das Jahr 1423. Vor einem halben Jahr hat die 20jährige Tuchhändlerstochter Aleydis den 56jährigen Lombarden und Geldwechsler Nicolai Golatti geheiratet. Er ist ein Freund ihres Vaters. Trotz des Altersunterschiedes hat es Aleydis gut getroffen. Das liegt an seinem freundliches Wesen und seine Großzügigkeit. Außerdem vertraut er Aleydis die Führung seiner Rechnungsbücher an, denn er weiß um ihre Begabungen.
Doch dann nimmt ihr Leben eine unerwartete Wendung. Nicolai wird erhängt aufgefunden. Aleydis besteht darauf, ihren Mann sehen zu dürfen. Danach weist sie darauf hin, dass er ermordet wird und verlangt die Aufklärung des Verbrechens. Damit beauftragt wird der Kölner Gewaltrichter Vinzenz van Cleve.
Die Autorin hat einen fesselnden historischen Roman geschrieben. Das Buch hat mich schnell in seinen Bann gezogen. Einmal begonnen fällt es schwer, es aus der Hand zu legen.
Aleydis ist eine selbstbewusste junge Frau. Doch nun muss sie erfahren, dass ihr Mann zwei Gesichter hatte. Er war nicht nur der liebevolle Ehemann und großzügige Vater, sondern auch ein gerissener Kreditgeber, der notfalls seine Forderungen mit Gewalt durchsetzte. Seine Tochter Cathrein lebt bei den Beginen. Sie ist Aleydis beste Freundin und etwa im gleichen Alter. Nach einer Ehe voller Gewalt lässt sie keine Männer mehr an sich heran. Golatti hat seine Enkeltochter Ursel bei sich aufgenommen.
Vinzenz van Cleve gilt als harter, aber gerechter Mann. In seinem Auftreten wirkt er düster und schafft so eine gewisse Distanz zu seinem Gegenüber. Sein Vater Georg ist ebenfalls Geldwechsler und Golattis härtester Konkurrent.
Der Schriftstil des Buches ist ausgefeilt. Sehr gut wiedergegeben werden die Verhältnisse im mittelalterlichen Köln. Obiges Zitat stammt von van Cleve. Es zeigt, dass die Autorin das Spiel mit Worten und Metaphern beherrscht. Entgegen der damaligen Sitte hat Nicolai seine Frau als Alleinerbin eingesetzt. Damit hat sie nach seinem Tod alle Hände voll zu tun. Sie muss sich in seine Geschäfte einarbeiten, möchte aber an der Aufklärung des Verbrechens beteiligt werden. Andererseits versuchen diejenigen, die vor ihrem Mann gekuscht haben, sich nun an ihr schadlos zu halten. Zu den Höhepunkten gehören für mich die fein ausgearbeiteten Dialoge zwischen Aleydis und van Cleve. Beide schenken sich nicht. Hart prallen die Fronten aufeinander. Dabei zeigt van Cleve allerdings auch eine unerwartete Seite. Er legt Wert darauf, dass Aleydis in der Lage ist, sich gegen Angreifer zu verteidigen, denn seiner Meinung nach ist sie in Gefahr. Bei den Gesprächen ist das Knistern zwischen beiden in jeder Zeile spürbar. Für Aleydis ist es eine neue Erfahrung, dass ein Mann sie erregt. Mit den Gefühl kann sie wenig anfangen und hält deshalb Abstand. Van Cleve hat nach seiner letzten Ehe einen harten Panzer um sein Herz gelegt. Der soll auf keinen Fall brechen.
Die Mordermittlungen gestalten sich schwierig. Galotti hatte sich viele Feinde gemacht. Nicht jeder Befragte sagt die Wahrheit.
Geschickt hat die Autorin Informationen über alte Bekannte aus anderen Serien eingebaut. Wer diese Bücher nicht kennt, wird aber nichts vermissen. Ich denke dabei insbesondere an Elsbeth, die die Vorsteherin der Dirnen in einem gehobenen Haus in der Schwalbengasse ist.
Sehr ausführlich wird das Geldwesen der damaligen Zeit beschrieben. Die Ausgabe von Wechsel und der Umtausch in anderen Währungen gehören dazu. Erstaunt war ich, dass es damals schon Strafzölle gab, wenn ein Kredit vorzeitig zurückgezahlt wurde.
Nicht unerwähnt möchte ich lassen, das auch viele Nebenfiguren gut charakterisiert werden. Das trifft insbesondere auf die Bediensteten in Galottis Haushalt zu.
Eine Karte von Köln, ein ausführliches Personenverzeichnis und ein inhaltsreiches Nachwort ergänzen das Buch.
Der Roman hat mir ausgezeichnet gefallen. Er ist eine gekonnte Mischung aus Historie und Krimi.