Befreiung aus der Lieblosigkeit
'Die Vegetarierin' wurde bereits im Jahre 2007 veröffentlich und die Südkoreanerin Han Kang erhielt dafür in diesem Jahr (2024) den Literaturnobelpreis. Der Roman ist weit davon entfernt, ein Wohlfühlroman ...
'Die Vegetarierin' wurde bereits im Jahre 2007 veröffentlich und die Südkoreanerin Han Kang erhielt dafür in diesem Jahr (2024) den Literaturnobelpreis. Der Roman ist weit davon entfernt, ein Wohlfühlroman zu sein. Mich hat er zunächst sprachlos zurückgelassen, zum Nachdenken aufgefordert. Themen wie Einsamkeit, Gewalt, Verzweiflung, Selbstzerstörung stehen im Mittelpunkt der Geschichte, werden unaufgeregt in einer eher nüchternen Sprache in Szene gesetzt und erzeugen beim Lesen eine Sogwirkung. Ein historisches Trauma zerstört nicht nur Ehen, entzweit eine Familie, sondern lässt die Protagonistin Yong-Hye kümmerlich verdorren, wie eine Pflanze, der man jegliche Fürsorge und Liebe entzieht.
Nach einem verstörenden Traum verweigert Yong-Hye die Aufnahme von tierischen Produkten, insbesondere von Fleisch und wird damit zur Zielscheibe ihrer Familie, die mit Unverständnis, Ablehnung und sogar Gewalttätigkeit reagiert. Nur ihre ältere Schwester In-Hye zeigt sich ihr gegenüber fürsorglich, obwohl sie ebenso Leidtragende der patriarchischen Entgleisungen und Verachtung wird. Doch auch ihr entzieht sich Yong-Hye, strebt nach Isolation und Abschottung durch Verwandlung.
In drei Erzählsträngen berichten drei Familienmitglieder aus ihrer Sicht über die Zeit der Verwandlung dieser jungen Frau von einer Ehefrau, einer Schwägerin, einer Schwester hin zur Hungerkünstlerin. Parallelen zu Kafkas 'Ein Hungerkünstler' sind deutlich zu erkennen.
Es lohnt sich diesen Roman zu lesen, der zugleich berührt und nachdenklich stimmt.