Was in unseren Bücherregalen und auf Literaturlisten steht – und wie wir das jetzt ändern
Literatur. Kanon. Revolte! – Die Zukunft des Lesens steht auf feministischen Füßen
Wie das Patriarchat über „wichtige“ Literatur entscheidet, unsere Weltsicht prägt – und warum wir jetzt etwas dagegen tun müssen
Beginnen wir mit einer beliebten Unwahrheit: Jugendliche wollen nicht mehr lesen. Absoluter Quatsch, sagt Autorin Teresa Reichl. Vielmehr ist es so: Wir müssen endlich mit den verstaubten Kanon-Listen und den ewig gleichen Autoren (!) aufräumen. Tun wir das nicht, gefährden wir die Zukunft des Lesens. Denn: Wie kann es sein, dass nur eine Perspektive zum Klassiker taugt? Wie sollen wir uns für Bücher begeistern, wenn Geschichten wieder und wieder und wieder aus einer ähnlichen Sicht erzählt werden? Wenn nur bestimmte Autoren (weiß, männlich, heterosexuell …) als große Literaten gefeiert werden? Am besten haben wir keine Meinung zu Klassikern, die von der allgemeinen abweicht, und falls doch, sind wir vielleicht einfach nicht „intelligent“ genug oder wir haben diese „hohe Kunst“ einfach nicht verstanden. Woher das alles kommt? Welcome to patriarchy! Ja, das Patriarchat hat überall Einfluss – auch auf das, was und wie wir lesen. Es ist deshalb Zeit für den nächsten logischen feministischen Schritt: Die Literatur und ihre Geschichte werden umgeschrieben. Werden divers. Werden endlich korrigiert.
Bam! Grundlagen, Alternativ-Kanon und geballtes Wissen: in verständlich und für alle!
Eine neue Sicht auf Literatur ist möglich und notwendig. Das beweist Teresa Reichl, indem sie Basics zur Literaturgeschichte klärt, die bestehende Riege der Klassiker gründlich prüft und einen ausgewachsenen Alternativ-Kanon entwirft. Wofür? Um zu zeigen, dass es Bücher (ja, auch alte!) von Autor*innen gibt, von denen immer behauptet wird, sie hätten nichts geschrieben. Um endlich neue Stimmen erzählen zu lassen. Die Autorin macht deutlich, dass es eine Offenheit braucht, die neue Bücher im literarischen Kanon zulässt. Um Blickwinkel zugänglich zu machen, mit denen sich Jugendliche, aber auch Erwachsene identifizieren können. Das hier ist der Anfang einer Literaturrevolte. Wie sie aussehen könnte? Steht in diesem lehrreichen, wütenden und zugleich witzigen Buch.
"Alle Autor*innen, zumindest die der Vergangenheit, auf jeden Fall aber die klassischen, sind auf irgendeine Art sexistisch, rassistisch, ableistisch, queer- feindlich oder klassistisch." Buchzitat
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"Alle Autor*innen, zumindest die der Vergangenheit, auf jeden Fall aber die klassischen, sind auf irgendeine Art sexistisch, rassistisch, ableistisch, queer- feindlich oder klassistisch." Buchzitat
In leicht verständlicher Sprache mit viel Humor führt die Autorin im ersten Teil in das Thema Literatur ein, beschreibt, was alles a la Literatur zählt und bricht eine Lanze für das Lesen (inkl. wissenschaftlichen Fakten über die positiven Effekte).
Im zweiten Kapitel geht es um die Kritik an "DEN" Klassikern. Die Autorin führt an einigen Beispielen auf, was an gängigen Klassikern problematisch ist, dass vielmehr über negativ betroffene Personen als von ihnen selbst geschrieben wird und dass die Literatur, die wir in der Schule lesen zum aaaaaallergrößten Teil von weißen, heterosexuellen, christlichen, gutbürgerlichen, nicht-behinderten cis-Männern geschrieben wurde was uns vieler Perspektiven beraubt.
Im 3. Teil versucht die Autorin diese dadurch entstandene Lücke zu füllen und listet in Kurzform Werke auf, die in den Schulliteraturkanon des 21. Jahrhunderts gehören sollten.
Meine Empfehlung also UNBEDINGT lesen. Auch als Erwachsene:r!
Muss ich das gelesen haben? - Ja, find ich schon!
Zugegeben, man merkt Teresa Reichls Buch an, dass es sich an eine jüngere Generation richtet. Wenn man jedoch über den Slang hinweglesen kann, erkennt ...
Muss ich das gelesen haben? - Ja, find ich schon!
Zugegeben, man merkt Teresa Reichls Buch an, dass es sich an eine jüngere Generation richtet. Wenn man jedoch über den Slang hinweglesen kann, erkennt man, dass Reichl jemand ist, der verdammt gerne liest, über Bücher reflektiert und dann darüber spricht. In diesem Buch nun lässt sie uns an den Gedanken darüber teilhaben, dass die (Pflicht-)Lektüren an unseren Schulen und der gängige Literaturkanon überwiegend ziemlich gleich und deshalb ziemlich eintönig sind. Die Germanistin und Poetry-Slammerin plädiert in jugendlicher Begeisterung für eine Neubetrachtung und -orientierung zu authentischen, diversen und bunten Geschichten, die den beispielsweise immergleichen Goethe und seine Homies ablösen, denn Literatur hat so viel mehr zu bieten!
Reichls kleine Literaturrevolte war für mich ähnlich inspirierend wie Nicole Seiferts "Frauenliteratur" und ich fänd es so toll, wenn ganz viele Lehrer:innen ihre Unterrichtsgestaltung damit bunter gestalten würden und überhaupt alle, die es lesen, alte (Literatur-)Systeme hinterfragen. Nehmt diese Bücher als Augenöffner!
„Muss ich das gelesen haben?“
Diese Frage habe ich mir schon früher gestellt, wenn es im Deutschunterricht hieß: Heute behandeln wir das 241. (Achtung: Übertreibung!) Buch von Goethe.
Deutsch war damals ...
„Muss ich das gelesen haben?“
Diese Frage habe ich mir schon früher gestellt, wenn es im Deutschunterricht hieß: Heute behandeln wir das 241. (Achtung: Übertreibung!) Buch von Goethe.
Deutsch war damals eines meiner Lieblingsfächer und ich habe alle Bücher, die wir lesen mussten, auch wirklich gelesen. Die meisten mochte ich sehr gerne, aber es gab auch 2, 3 Bücher, die mich heute noch im Schlaf heimsuchen (das kann aber auch am Lehrer liegen, der mir das Buch letztendlich - wegen stundenlanger Interpretationen - madig geredet hat).
Trotzdem war ich genervt, wenn dann das 3. Buch von Goethe gelesen werden musste.. gibt es nichts anderes? Muss ich das wirklich gelesen haben?
Muss man dieselben Bücher immer noch lesen, die bereits unsere Eltern und unsere Großeltern gelesen haben?
Genau mit diesem Thema setzt sich Teresa Reichl in ihrem Buch „Muss ich das gelesen haben? Was in unseren Bücherregalen und auf Literaturlisten steht – und wie wir das jetzt ändern“ auseinander.
Ihr Ziel ist es, den deutschen Literaturkanon umzugestalten.
Denn seien wir mal ehrlich. Die Werke, die wir in der Schule und im Studium lesen mussten, die heute noch unterrichtet werden und die bereits unsere Eltern lesen mussten, stammen fast ausschließlich von weißen cis Männern. Vom Mittelalter bis zur Postmoderne: (weiße cis) Männer, Männer, Männer.
Uns wurde damals gesagt „Frauen haben halt nicht geschrieben“, „das war halt so“. Teresa wird das sehr gut in ihrem Buch widerlegen. Auch, dass es sehr wohl andere Gruppen, wie queere Autorinnen, BiPoC Autorinnen, behinderte Autorinnen und noch viele mehr, gibt!
Das Buch ist in drei Hauptkategorien unterteilt.
Im ersten Teil erklärt Teresa Fachbegriffe, was Literatur eigentlich ist, warum wir lesen sollten und was einen Klassiker ausmacht.
Der zweite Teil zeigt auf, welche Autoren im deutschen Literaturkanon vertreten sind und warum das eigentlich nur Männer sind.
Und im dritten Teil erhalten wir Buchempfehlungen aus vielen Bereichen. Denn Frauen haben sehr wohl geschrieben, und das schon immer. Und auch behinderte Menschen schreiben, auch Menschen verschiedenster Religion schreiben, auch queere Menschen schrieben, und und und.
Das alles erklärt uns Teresa aber nicht in einer trockenen Sachtext-Sprache, sondern herrlich locker und mit Witz. Ich hatte während des Lesens das Gefühl, ein spannendes Buch zu lesen und kein Sachbuch. Durch zahlreiche Fußnoten mit witzigen Anmerkungen wird das Ganze aufgelockert. Teresa schreibt so wie sie spricht, da fließen auch mal Anglizismen ein oder das Wort „lol“.
Wenn ich an Sachtexte denke, denke ich an sehr komplizierte, trockene Sätze, die ich öfter lesen muss um sie überhaupt zu verstehen. Das ist hier nicht so. Das mag anfangs erstmal ein bisschen verwirrend sein, denn es handelt sich ja trotzdem um ein Sachbuch und wir Deutschen müssen doch eigentlich alles sehr kompliziert machen. Hauptsache es klingt schlau. Das war hier aber zum Glück nicht der Fall. Denn vor allem möchte Teresa Jugendliche mit ihrem Buch ansprechen. Jugendliche sollen wieder Spaß am Lesen haben bzw. finden.
Dieses Buch ist so wichtig. Ich hoffe sehr, dass viele auf dieses Buch aufmerksam werden, es lesen und es vielleicht auch in die richtigen Hände fällt und so der deutsche Literaturkanon endlich umgestaltet werden kann.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, ich habe vieles Neues dazugelernt, mir wurden die Augen geöffnet und ich werde mir auf jeden Fall einige Bücher, die Teresa genannt hat, näher anschauen. Denn auch ich habe dringenden Nachholbedarf was Literatur von Frauen, BiPoC Autorinnen, Behinderten Autor*innen, etc. angeht.
Absolute Leseempfehlung!
In „Muss ich das gelesen haben?“ richtet sich Autorin Teresa Reichl primär an Jugendliche und hat dabei vor allem ein Ziel, nämlich die klassischen Lektüren in Schulen und Unis zu verändern. Denn was bisher ...
In „Muss ich das gelesen haben?“ richtet sich Autorin Teresa Reichl primär an Jugendliche und hat dabei vor allem ein Ziel, nämlich die klassischen Lektüren in Schulen und Unis zu verändern. Denn was bisher meist gelesen wird ist oft von genau einer gesellschaftlichen Gruppe geschrieben, weißen, wohlhabenden bzw. gutsituierten und christlichen Männern. Und um eines gleich vorweg zu nehmen, das Argument „es gibt ja nichts anderes“ oder „andere Gruppen haben ja nichts geschrieben“ wird in diesem Buch gründlich widerlegt. Denn wie Teresa Reichl nachdrücklich und überzeugend aufzeigt, es gibt sie eben doch, die echten Alternativen! Diese werden vor allem im dritten Abschnitt des Buchs vorgestellt. Zunächst einmal nimmt uns die Autorin aber mit auf einen Crashkurs um zu klären was Literatur ist, was einen Klassiker zum Klassiker macht und was bisher so gelesen wird. Hochinteressant, abwechslungsreich und trotz der komplexen Materie so gar nicht langweilig. Ihr Schreibstil ist dabei bewusst nahe am Umgangsprachlichen und richtet sich an Jugendliche. Dadurch liest er sich auf jeden Fall super flüssig und auch erstaunlich leicht. Ich als Erwachsene, hätte aber auch auf die zahlreichen Anglizismen und andere jugendsprachliche Ausdrücke verzichten können. Im Verlauf des Buchs konnte ich mich an den Stil allerdings erstaunlich gut gewöhnen. Letztendlich überzeugte mich aber der Inhalt. Das Buch punktet wirklich mit jeder Menge Expertise, erhebt dabei aber keinen Vollkommenheitsanspruch. Und auch der Humor der Autorin lockert das Ganze wunderbar auf. Ich für meinen Teil habe jede Menge gelernt, tolle Buchtipps mitgenommen und kann „Muss ich das gelesen haben?“ nur aus ganzem Herzen empfehlen! Letztendlich sollte Jede:r dieses Buch gelesen haben, insbesondere aber auch Lehrer:innen und Dozent:innen.