Die Lebenskraft der Schwestern - strakt wie ein Bär ?
Nach ihrem weltweit gefeierten Debütroman >>Das Verschwinden der Erde>Cascadia>Bear>hanseblau>auseinander>Schneeweißchen und Rosenrot
Nach ihrem weltweit gefeierten Debütroman >>Das Verschwinden der Erde<< aus dem Jahre 2021 legt die in Brooklyn lebende Autorin Julia Phillips mit >>Cascadia<< ihren zweiten Roman vor, der im Juni unter dem Originaltitel >>Bear<< erschienen ist.
Die hier vorliegende Übersetzung erfolgte erneut durch Pociao und Roberto de Hollanda, erscheint bei >>hanseblau<< und beschert dem Leser eine klare und eingängige Sprache, die der Ausgangssituation des Romans entspricht : Die beiden Schwestern Sam und Elena, beide Ende zwanzig und nur 13 Monate >>auseinander<< führen ein eher freudloses Dasein in der Zeit nach dem Ende der Corona-Pandemie. Mühsam arbeiten sie im Dienstleistungsgewerbe in der Gegend von San Juan Island im Grenzgebiet zwischen dem Nordwesten der USA und Kanada, der Region Cascadia.
Träume von einem sorgloseren und schuldenfreien Leben werden von der Realität immer wieder eingeholt, die Pflege der schwerkranken Mutter jedoch wird ungeachtet aller damit verbundenen Belastungen nie infrage gestellt.
Eines Tages jedoch wird das Leben der drei Frauen in ihrem kleinen hinfälligen Haus auf der Insel gehörig durcheinander gebracht.
Mit dem Auftauchen eines Grizzlybären wird zunehmend deutlich, dass sich die Schwestern ungeachtet ihrer nahezu identischen häuslichen Ausgangssituation doch völlig unterschiedlich entwickelt haben.
Sam, die jüngere Schwester, hat immer zu Elena aufgesehen und ihre eigenen Bedürfnisse völlig zurückgestellt.
Schon in der Schule hat sie sich immer mehr isoliert, Hilfe von anderen steht sie misstrauisch gegenüber und der freudlose Sex mit ihrem Kollegen Ben auf der Fähre befriedigt sie allenfalls nur kurzzeitlich.
Und so verwundert es nicht, dass lebensverändernde Ereignisse sie zu spontanen Aktionen veranlassen, die nicht nur ihre Fassade, sondern ihre gesamte Existenz ins Wanken bringen.
Und ob der Bär jene Gutmütigkeit aufweist wie im vorangestellten Märchen der Brüder Grimm von >>Schneeweißchen und Rosenrot<<, wird der Leser selbst erkunden dürfen.
Ihn erwartet eine unterhaltsame Geschichte, die etwas konstruiert wirkt und geraume Zeit wollte der Funke nicht so recht überspringen.
Dies liegt auch daran, dass die Geschichte ausschliesslich aus der Sicht von Sam erzählt wird und die Charaktere ihrer Schwester und den wenigen Männern in ihrem Umfeld reichlich blass bleiben. Die zerrissene Figur von Sam hingegen im Kampf und den Erhalt der Liebe ihrer Schwester wird tiefgründig und glaubwürdig beschrieben.
Gegen Ende des Roman entsteht (endlich) ein Sog, dem man sich nur schwerlich entziehen kann.