Eine Südstaatengeschichte, deren Verfilmung bereits Furore macht und eine hochkarätige Riege von Sprechern - das hat mich sehr neugierig gemacht, und ich wurde nicht enttäuscht von der deutschen Hörbuch-Version von „Mubound. Die Tränen von Mississippi“ der Autorin Hillary Jordan. Es ist eine ergreifende, mitreißende, spannende und interessante Geschichte zweier Familien in den Südstaaten der USA nach dem 2.Weltkrieg, die von sechs Sprechern aus dem jeweiligen Blickwinkel eines der sechs Protagonisten des Romanes eindringlich und absolut passend gelesen wird.
Kurz nach Kriegsende folgt die liberal erzogene Südstaatlerin Laura McAllan ihrem Ehemann Henry auf eine Baumwollplantage in Mississippi, die weit von ihrer gewohnten städtischen Umgebung entfernt ist, und auch noch mit extrem rückständigen Wohnverhältnissen aufwartet. Begleitet von ihren beiden geliebten Töchtern und dem rassistischen, bösartigen Schwiegervater richtet sie sich mehr schlecht als recht ein, wohingegen ihr Mann Henry als Farmer förmlich in seiner Aufgabe aufblüht.
Wie damals in den Südstaaten auf den Baumwollplantagen üblich hat die weiße Farmerfamilie McAllen Pächter, die sie auf den Feldern unterstützen und einen Teil ihres Ertrages an den Eigentümer abtreten müssen. Eine davon ist die schwarze Familie Jackson, die unermüdlich dafür arbeitet und kämpft, sich ein eigenes Stück Land leisten zu können. Dafür arbeitet Hap Jackson gemeinsam mit seinen Kindern auf den Feldern für die McAllens und Florence, seine Frau, unterstützt Laura McAllan im Haushalt. Der Schmutz, der anstrengende und unsichere Alltag des Landlebens, die Engstirnigkeit der Umgebung und ein Unglücksfall schaffen eine angespannte Situation, in die die beiden Kriegsheimkehrer Ronsel Jackson und Jamie McAllen kommen. Alte und neue Wunden brechen auf, und nicht zuletzt wegen der missgünstigen und rassistischen Umgebung eskaliert letztlich alles.
Das Hörbuch bietet einen ungewohnten Blickwinkel, nämlich nicht entweder den der armen schwarzen oder einer armen weißen Familie in den Südstaaten, sondern widmet sich ausdrücklich den Berührungspunkten, an denen beide Familien verknüpft sind. Das ist die willensstarke, stolze und eindrucksvolle schwarze Florence, die als Haushaltshilfe der gütigen Laura McAllan zur Hand geht. Obwohl beide in ihren jeweiligen Rollen gefangen sind, schreiten sie an die Ihnen zugedachten Grenzen und widersetzen sich bis zu einem gewissen Grad den Rassengesetzen, indem sie fast so etwas wie Vertrautheit und Achtsamkeit füreinander empfinden.
Einen Schritt weiter gehen Ronsel Jackson, Florences Sohn und Kriegsheimkehrer, und Lauras Schwager Jamie McAllan, ebenfalls Kriegsheimkehrer, die sich beim Trinken gegen die Dämonen, die sie aus dem Krieg mitbrachten, anfreunden und dabei ziemlich offen gegen die Rassengesetze und den „guten Ton“ im Baumwollpflückerland rebellieren.
Auch dem Leid und der Schuld, die die beiden Familien verbinden, widmet sich die Autorin in ihrem eindrucksvollem Debüt, nämlich als der konservative Süden zuschlägt und Ausgrenzung, Hass und Tod über die Familien bringt.
Neben der eigentlichen Geschichte bietet das Buch Einblick in die verheerenden damaligen Zustände in den Südstaaten der USA. Heute unvorstellbar, damals Alltag, dem keiner ohne Strafe entfliehen konnte, wird von der strikten Trennung Schwarz und Weiß berichtet, die vielerorts im Süden nicht nur gesetzlich verankert war, sondern gesetzeswidrig aber dennoch geduldet durch die fürchterlichen Greueltaten des Klu-Klux-Klan durchgesetzt wurde. Durch die Nähe, die die Autorin zu den Personen schafft, und die auch die Sprecher gekonnt transportieren, bekommt dieser Aspekt des Buches eine besonders abartige und grausame Komponente. Da ist zum Beispiel der schwarze Ronsel Jackson, der für die Weißen im 2. Weltkrieg kämpfte, viele Auszeichnungen gemeinsam mit seiner schwarzen Panzerdivision bekam, aber dennoch nach seiner Heimkehr von weißen Rassisten wie Abschaum behandelt wird und einer hohen gesetzlich begründeten Gefängnisstrafe ins Auge sieht, weil er im Krieg ein weißes deutsches Mädchen liebte.
Es ist erstaunlich, wie es die Autorin schafft, aus einem recht friedlichen Anfang eine Geschichte voller Qualen aufzubauen. Geschickt verknüpft sie die Gegenwart mit ein paar eingestreuten Rückblicken, wechselt die Orte von der Farm in Mississippi in einen Panzer oder ein Flugzeug mitten im Kriegsgebiet Europa und lässt die verschiedenen Protagonisten ihren Blickwinkel der Geschichte erzählen, ohne dabei den Faden zu verlieren.
Es ist großartig, wie dadurch Spannung aufgebaut wird, so dass ich fast erbarmungslos getrieben wurde, weiter zu hören.
Das Hörbuch hat mir ausgezeichnet gefallen, es hat mich gefesselt und erschüttert durch die Geschichte selbst und durch die sehr gekonnte Umsetzung. Ich vergebe begeisterte fünf Sterne.