Das Verpuppen des 14jährigen Giacomo
»Sommer am See«, eine Novelle, wurde erstmals 1958 aufgelegt. Der italienische Autor Alberto Vigevani lebte von 1918 bis 1999.
Dieses Buch sollte, nein, muß unbedingt wiederentdeckt werden. Aus der Rubrik: ...
»Sommer am See«, eine Novelle, wurde erstmals 1958 aufgelegt. Der italienische Autor Alberto Vigevani lebte von 1918 bis 1999.
Dieses Buch sollte, nein, muß unbedingt wiederentdeckt werden. Aus der Rubrik: "Total unterschätzte Bücher". Sogar ich entdeckte es nur durch pure Koinzidenz.
Die Handlung ist in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts angesiedelt. Der vierzehnjährige Giacomo entstammt dem bürgerlichen Milieu in Milano.
Es ist ein Wendepunkt in seinem Leben. Jener Sommer. Kein Kind mehr, aber noch nicht erwachsen. Der klandestine nicht humane Hauptdarsteller neben ihm, ist der Comer See.
Alberto Vigevani war ebenfalls aus Mailand und Verleger. Warum erschien dieses schimmernde Juwel erstmals in Deutsch so spät in erster Auflage? 2007? 49 Jahre, nachdem literaturverliebte Stiefeletti sich an diesem Werk erfreuen hatten können.
Man merkt, daß der Autor vom Proust'schen Duktus auf sehr einnehmende Art inspiriert worden war.
Die Geschichte scheint ruhig und unspektakulär, aber es ist die Verpuppung des Giacomo und seine inneren Umbrüche, die Leser*in vom ersten Moment an irisierend bannen.
Wie annual Usus, verbringen die Eltern auch in jenem Jahr den Urlaub am Comer See.
Die Sprachgewalt ist poetisch und authentisch werden die psychischen Aufrüttler Giacomos geschildert.
Eine linde Wehmut nach dem für immer verlorenen, vermeintlichen Paradies der Kindheit, die er spürt, aber ( noch ) nicht in voller Breitseite verbal ausformulieren könnte, wenn man ihn denn fragte.
Die Neugier und Unruhe wegen der rapide anmutenden Veränderungen, das sich Hingezogenfühlen zu Mädchen, erstmals so richtig bewußt. Alles in einer fragilen und schmetterlingssensiblen Anmut verfasst.
Giacomo und die anderen Charaktere sind in Pastell gezeichnet, mit einem ungeheuren Tiefensog.
Eine Geschichte, zutiefst human und durch des Autoren ausgeprägt hohen Talentes larger than life.
Eine Elegie ebenso. Denn es ist die Ruhe vor dem drohenden verheerenden Sturm. Giacomo spiegelt selbstredend fiktionalisiert den Schriftsteller, weil beide Juden sind bzw. waren.
Mit dem Wissen, daß die Vigevanis zwar hatten flüchten können, aber als Exilanten bei den Eidgenossen leben mußten, verleiht dem Werk eine ernste und melancholische Note.
Marianne Schneider hat das Nachwort geschrieben, in welchem man noch einiges über Alberto Vigevani erfährt. Es gibt noch weitere Literatur aus seiner Feder.
Ich wünschte, dieser sehr lesenswerte Autor bekäme mehr Beachtung, jene, die er sehr verdient hätte. Chapeau an den zwar kleinen, aber feinen Verlag Friedenauer Presse!