Langsamer, schleichender Jugendthriller
Als ich die Inhaltsangabe zu Stille Feindin gelesen habe, bekam ich richtig Lust auf einen intensiven Jugendpsychothriller. Das Buch hat mich in der Hinsicht im Großen und Ganzen überzeugt, aber eben ...
Als ich die Inhaltsangabe zu Stille Feindin gelesen habe, bekam ich richtig Lust auf einen intensiven Jugendpsychothriller. Das Buch hat mich in der Hinsicht im Großen und Ganzen überzeugt, aber eben nicht völlig.
Ein riesiger Pluspunkt sind die Figuren. Gerade Farina und Tami bestechen durch ihre Vielschichtigkeit und charakterliche Tiefe. Beide sind hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, geliebt und anerkannt zu werden und der Angst, nicht gut genug zu sein. Doch während sich die eine nicht darum schert, ob sie von ihren Mitschülern angehimmelt oder einfach nur miteinbezogen wird, kennt die zweite keine Schuldgefühle in Bezug auf frühere schwerwiegende Fehler, die man ihr zur Last legen könnte. In der Hinsicht ergänzen sich die beiden wunderbar und lernen viel voneinander, auch wenn Farinas Vergangenheit eine wirklich enge Bindung kaum zulässt. Trotzdem konnte ich mich mit ihr eher anfreunden als mit Tami, obwohl auch sie nachvollziehbar und realistisch gestaltet ist.
Gemeinsam mit den Nebenpersonen, die sich toll in das Gesamtbild einfügen und dennoch nicht wie bloße Statisten wirken, hat die Autorin ein nicht alltägliches, aber umso lebensnahes Ensemble geschaffen. Besonders stechen daraus Volker (nicht als Sympathieträger!!!), Gesine und Joris hervor.
Der Schreibstil hatte ebenfalls etwas an sich, das mir sehr gefallen hat. Tiefgründig, poetisch und unglaublich bildhaft regt er einen immer wieder zum Nachdenken an. Dabei gewährt er dem Leser einen ausführlichen Einblick in die Gefühlswelt der Protagonisten und nimmt einen darin gefangen, dass man all die Emotionen und die innere Zerrissenheit beinahe am eigenen Körper spüren kann.
Leider ist das auch der Grund für meine Kritik: Nicht nur der Klappentext, auch der Prolog suggerieren einen mitreißenden Thriller, der unaufhörlich auf einen Höhepunkt zusteuert. Allerdings plätschert die Handlung eher gedankenverloren vor sich hin, was durch die anschaulichen und weitschweifigen Beschreibungen verstärkt wird. Anfangs hielt ich das noch für notwendig, um die Hintergründe zu erklären, die Charaktere vorzustellen und ihr Handeln zu begründen. Darin lag die hauptsächliche Spannung der Geschichte. Doch die eigentliche Auflösung hat Alexandra Kui viel zu schnell, zu einfach und zu kurz für einen typischen Roman dieses Genres abgehandelt. Die Frage danach, ob es das wirklich jetzt gewesen sein soll, stellte sich bei mir sofort ein. Deswegen hat mich das Ende so enttäuscht, dass ich nicht die volle Sternenzahl vergeben kann.
Fazit
Stille Feindin von Alexandra Kui ist ein eindringlicher und nachdenklich stimmender Jugendroman. Die vielschichtigen lebensnahen Charaktere voller Tiefe und der ungewöhnliche, aber sehr poetische und anschauliche Schreibstil haben mir wirklich gut gefallen und mich positiv überrascht.
Doch für einen Thriller fehlte mir eindeutig die Spannung, besonders an den Stellen, die die eigentlichen Höhepunkte der Handlung darstellen sollen. Das Ende kommt plötzlich und wirkt entgegen den im Leser geweckten Erwartungen unspektakulär und zu unausgegoren.
Wer Figuren mag, die nicht einfach gestrickt sind und deren Hintergrundgeschichten überzeugen können und der nicht enttäuscht darüber ist, wenn die Story die mitreißenden Szenen vermissen lässt, die sie verspricht, der kann sich dieses Buch ruhig einmal genauer anschauen.