Ich habe dir immer über alles die Wahrheit gesagt ist ein Roman der schwedischen Schriftstellerin Amanda Svensson, der im Hochsommer 2019 im btb-Verlag erschienen ist. In Schweden wurde die Geschichte bereits 2014 veröffentlicht. Es geht um eine Beziehung, die vor allem durch Macht und Missbrauch geprägt ist.
Sie leben eine Fiktion. Mal ist sie Sylvia Plath, ein anderes Mal Vivienne Haigh-Wood Eliot. Er nennt sie Lilja, wie die Frau des russischen Dichters Wladimir Majakowski. Die Beziehung beider spielt sich weniger in der Realität, als viel mehr in Scheinwelten ab. Anfangs noch inspiriert und entzückt von ihm, muss sie erkennen, dass das Verhältnis durch Kontrolle und Ausbeutung geprägt ist. Er will sie besitzen und erzwingt dabei die Macht über sie.
Schon tief im Beziehungsgeflecht gefangen, erkennt sie seine wahre Natur, kann sich seiner aber nicht mehr entziehen. Er umgibt sie, fügt ihr körperliche Schäden zu und macht sich von ihr abhängig. Dabei nutzt er die Lyrik als Lockmittel um sie zu besänftigen, aber auch, um sein Spiel mit ihr zu spielen und die Fassade aufrecht zu erhalten, sie sei seine von ihm abhängige, depressive Geliebte und ohne ihn vollkommen wertlos. Doch dann lernt sie Ilse kennen, die arglos ist und voller Energie und fantastischer Geschichten steckt. Mit ihr fühlt sie sich stark und allem gewappnet.
Die Geschichte liest sich zunächst sehr verwirrend und wird hauptsächlich von der Lyrik getragen. Nach und nach werden die Figuren und ihre Absichten aber deutlich. Sie ist wenig selbstbewusst, teilweise naiv und begibt sich in seine Fänge, weil sie hofft, endlich gesehen und geliebt zu werden. Er ist ein Einzelgänger, ein Narzisst und nennt sich selbst ihren Welpen. Beide Hauptcharaktere bleiben namenlos, weshalb bis zum Ende eine innere Distanz zu den Figuren bestehen bleibt.
Bei ihrer Freundin Ilse, die sich Anne Bonny nennt, ist sie Mary Read, Schrecken der Meere. Dort ist sie stark und rachlüstern. Die beiden Studentinnen leben eine Zeit lang in ihrer eigenen Welt und lernen sich so kennen und lieben. Sie sind Piratinnen, die um die Welt segeln und sich vom Unheil befreien, das ihnen durch Männer widerfährt. Bis die Realität sie am Ende schließlich einholt.
Amanda Svensson hat ein Buch geschrieben, das besonders Mädchen und Frauen inspirieren dürfte. Es ist kein offenkundig feministisches Werk und dennoch schwingt die leise Forderung nach Gleichberechtigung auf angenehme Weise mit. Die Charaktere werden nicht detailreich dargestellt und dennoch reichen die Handlungen aus, um sich als Leser ein Bild von ihnen machen zu können. Die Heftigkeit der Ereignisse wird durch den Schleier der Lyrik gedämpft und kommt doch beim Leser an. Sprachlich wunderschön erzählt bringt Svensson die Ambivalenz ihrer Protagonistin auf den Punkt.
Ich mag die Geschichte wegen ihrer fiktiven Darstellungen, die zwar ins Fantastische abgleiten, dies aber auf unterhaltsame und wohlige Weise tun. Zudem gefallen mir die Grundaussagen, die für das Recht der Frauen sprechen und an den Mut und Selbstwert des weiblichen Geschlechts appellieren, ohne dabei in Misandrie zu verfallen, wie ich es in feministischen Texten auch erlebt habe.