Cover-Bild Man kann Müttern nicht trauen
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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 240
  • Ersterscheinung: 16.03.2022
  • ISBN: 9783423290135
Andrea Roedig

Man kann Müttern nicht trauen

»Ein ergreifend aufrichtiges Buch« WDR 5

»Ich kenne sie als etwas, das früher war. Vertrautheit ohne Boden.« 

Ihre Mutter Lilo war eine schöne Frau, Jahrgang 1938, ein Kriegskind. Durch Heirat gelang ihr der soziale Aufstieg von der Modeverkäuferin zur Chefin einer Metzgerei. Das Unglück ist noch nicht absehbar, doch Alkohol- und Tablettenabhängigkeit prägen zunehmend das Familienleben. Als ihre Tochter zwölf Jahre alt ist und nachdem die wohlhabende Düsseldorfer Metzgerfamilie Insolvenz angemeldet hat, verlässt Lilo die Familie. Sie ist für drei Jahre verschwunden, um danach immer wieder kurz im Leben ihrer Tochter aufzutauchen. Doch der Riss lässt sich nicht mehr kitten. Eine beeindruckend klare, literarische Annäherung an eine fremde Frau, die eigene Mutter.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.03.2022

Autofiktion über ein kompliziertes Mutter-Tochter-Verhältnis

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as Buch „Man kann Müttern nicht trauen“ ist die autofiktionale Geschichte der Mutter von Andrea Roedig. In ihrem Werk versucht sich die Autorin vorzustellen, welche Motive diese für ihr Handeln hatte und ...

as Buch „Man kann Müttern nicht trauen“ ist die autofiktionale Geschichte der Mutter von Andrea Roedig. In ihrem Werk versucht sich die Autorin vorzustellen, welche Motive diese für ihr Handeln hatte und von welchen Gedanken sie geleitet wurde.
Lieselotte, kurz Lilo gerufen, war Jahrgang 1938. Ihr Vater wurde im Krieg vermisst, weswegen ihre Mutter sie allein großzog. Dabei wird sie oft gemaßregelt. Sie lernt den Beruf der Modefachverkäuferin in einem Bekleidungsgeschäft an bester Adresse. Doch sie wird den Sohn eines Metzgers heiraten und hinter der Fleischtheke stehen. Lilo bekommt neben Andrea drei Jahre später auch noch Christoph. Wichtige Helferlein sind für sie Zigaretten, Alkohol und Tabletten. Als ihre Tochter zwölf Jahre alt ist kommt es zu einem großen Bruch in der Familie und Andrea hat drei Jahre lang keinen Kontakt mehr zu ihr und später auch immer nur für kurze Phasen.
Die Autorin versucht eine chronologische Aufarbeitung anhand von Fotographien und Tagebucheinträgen ihrer eigenen Aufzeichnungen und der aus einer Chronik, die Lilo aufgezeichnet und ihr eines Tages geschenkt hat. Andrea Roedig beschreibt ihre Mutter, die beruflich ständig im Kontakt zum Kunden stand, als darauf bedacht, im Privatleben auf Abstand zu bleiben.
Das Verhalten ihrer Mutter war oftmals ein Rätsel für die Autorin. In bestimmten Situationen, wie beispielsweise im ersten Kapitel beschrieben, schien sie Freude daran zu finden, ihre Kinder auf eine psychisch verletzende Weise zu behandeln. Es gab nie eine Erklärung für ihr Tun und auch im Niedergeschriebenen gibt es keine Erläuterung. Daher füllt Andrea Roedig viele geschilderten Szenen aus dem Leben von Lilo mit Annahmen bei denen viele Fragen offenbleiben.
Lilos Leben ist gekoppelt an das ihrer Ehemänner, vor allem an der Seite ihres ersten Gatten erlebt sie Höhen und Tiefen. Sie ist ein Kind ihrer Zeit, neugierig auf Mode und Musik im Nachkriegsdeutschland. Die Autorin setzt sich ebenfalls mit der Rolle ihres Vaters auseinander und damit, wie das Gebaren ihrer Eltern Einfluss auf den jeweils anderen genommen hat. Später hinterfragt sie auch das Einmischen ihrer Großeltern in die Ehe und die Erziehung der Kinder.
Die Schilderungen der Autorin sind nicht leicht zu lesen. Obwohl sie versucht, die Begebenheiten in eine zeitliche Reihenfolge zu bringen, reichen auch ihre Erinnerungen nicht aus, die ihr vorliegenden Aufzeichnungen zu vervollständigen. Für ihre Auslegungen lässt sie manchmal ihre Gedanken schweifen, doch sie bleibt selber dabei auf Distanz. Weder zur Gefühlswelt der Mutter noch zu der der Tochter konnte ich engen Zugang finden.
In ihrer Autofiktion „Man kann Müttern nicht trauen“ legt Andrea Roedig erstaunlich offen das Leben ihrer Mutter dar, mit dem sie sich auf mehrfache Weise beschäftigt hat. Dabei räumt sie ein, dass auch sie selbst zu dem komplizierten Verhältnis beigetragen hat. Mit dem Anliegen, Gefühle an die Oberfläche zu bringen, puzzelt sie aus Fotos, Tagebucheinträgen und Erinnerungen ihre ganz eigene Wahrheit, deren Lesen mir nicht immer leicht fiel, mich aber berührten.

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Veröffentlicht am 10.02.2023

Ekel, Scham, Angst & Stolz

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Als pragmatische, kinderlose Mittdreißigerin hätte ich mir das Buch aufgrund des Klappentextes wohl nicht ausgesucht. Ich mag jedoch Abwechslung beim Lesen und habe mich bewusst auf meine erste Monografie ...

Als pragmatische, kinderlose Mittdreißigerin hätte ich mir das Buch aufgrund des Klappentextes wohl nicht ausgesucht. Ich mag jedoch Abwechslung beim Lesen und habe mich bewusst auf meine erste Monografie eingelassen. Diese Romanform definiert sich als eine umfassende, in sich vollständige Abhandlung eines bestimmten Themas, Problems bzw. einer Person. Im Nachhinein würde ich den Debütroman von Andrea Roedig als eine Art Retrospektive einordnen, einen Versuch zu verstehen...

Der Einstieg in die Geschichte ist mir nicht leicht gefallen. Trotz des emotionalen Auftaktkapitels hatte ich Schwierigkeiten mit dem Stil von Andrea Roedig. In überwiegend chronologischen Episoden werden die Lebenswege fremder Frauen nachgezeichnet: von Oma Gertrud, Mutter Lilo bis hin zur Autorin selbst. Die distanzierten Verhältnisse spiegeln sich auch sprachlich wider: es braucht etwas Zeit sich an die Erzählperspektive zu gewöhnen. Zitate aus Tagebüchern beeinträchtigen den Lesefluss ebenso wie gezielte häufige Wortwiederholungen. Durch längere Aufzählungen und Schachtelsätze mit vielen Einschüben wirkt der Text abgehackt. Hier ein Beispiel: „In den einzeilig auf Rechenpapier beschriebenen Zeilen meines Tagebuchs, in den unendlichen Fluten der Buchstaben, ganz am Ende eines langen Eintrags, in dem ich mich darüber auslasse, wie eingefangen ich mich fühle und dass ich so sehr hoffe, mit der Freundin Simone zum Düsseldorfer Rosenmontagszug gehen zu können, wenn sie doch nur anriefe, steht dieser Satz: »Gestern sagte Oma mir, dass Mami angerufen hatte.«

In einem Interview fasst die Autorin ihr Werk treffend zusammen: "Das Buch erzählt in autofiktionaler Weise die Geschichte meiner Mutter, die die Familie verließ, als ich 12 Jahre alt war. Es ist eine persön­liche Auseinandersetzung mit der Frage, wer diese Frau war, die mir zeitlebens fremd geblieben ist, und zugleich erzählt das Buch über ein Frauenleben in den 60er- und 70er-Jahren, über Wünsche, Hoffnungen und Befreiungsversuche."

Ich habe mich letztendlich für eine neutrale Bewertung mit drei Sternen entschieden. Es fällt mir schwer ein solch persönliches Werk zu beurteilen, zumal die Handlung überwiegend einseitig geschildert wird. Teilweise fließen Vermutungen in die Verhaltensanalyse ein. In wie weit erfolgt eine Differenzierung von Selbst- & Fremdwahrnehmung der ambivalenten familiären Beziehungen? Entscheiden Sie selbst!

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