Ein bürgerlicher Denker, kein Sozialist
Bürgerliche Wissenschaft und Philosophie
Andreas Herteux Buch ist bei mir auf großes Interesse gestossen. Als bekennender Sozialist, der sich offen und trotz vieler Angriffe, zum Sozialismus bekennt, habe ...
Bürgerliche Wissenschaft und Philosophie
Andreas Herteux Buch ist bei mir auf großes Interesse gestossen. Als bekennender Sozialist, der sich offen und trotz vieler Angriffe, zum Sozialismus bekennt, habe ich mit dem Buch, trotz guter Ansätze, meine Probleme:
Im ersten Kapitel stellt Herteux stellt Herteux die These auf, dass die weltweiten Gesellschaften in immer kleinere Milieus zerfallen und benennt als Ursache einen Zeitenwandel. Die Grundidee mag in Ordnung sein, allerdings vermisse ich die Einordnung des Vorganges in die Theorie des Klassenkampfes. Herteux Welt ist vielfältig. Es entstünden immer mehr Lebenswirklichkeiten mit ureigenen Wertvorstellungen und Bedürfnissen, aber ist das nicht in Wirklichkeit eine Täuschung der Kapitalisten und Imperialisten? Ist nicht alles Klassenkampf? Geht es nicht immer nur um Ausbeuter und Ausgebeutete? Herteux Analyse, die wissenschaftlich einwandfrei sein mag, lässt den Punkt weg und so versteckt er den wahren sozialistischen Kampf hinter einer vielfältigen Welt.Eine Verschleierung der Güte Klasse 1.
Im 2. Kapitel beschäftigt sich Herteux mit dem Verhaltenskapitalismus. Hier durchdringt er sehr gekonnt den digitalen Kapitalismus. Das Kapitel selbst würde mich absolut begeistern, wenn er nicht - ganz bürgerlich-altklug - neutral abwägen würde. Es ist diese aufgezwungene Neutralität, die mich stört. Anstatt den Verhaltenskapitalismus zu verteufeln, weißt er deutlich daraufhin, dass viele Menschen die Weiterentwicklung des Verhaltenskapitalismus begeistert aufnehmen werden. Damit hat er zwar leider Recht, aber alleine schon durch die positive Erwägung betreibt er indirekt Propaganda für angeblich positive Seiten des Verhaltenskapitalismus. Das geht überhaupt nicht.Herteux bleibt hier ganz bürgerlicher Denker. Damit macht er sich ein an für sich fast brilliantes Kapitel selbst kaputt.
Im 3. Kapitel macht er dafür einiges wieder gut. Herteux beschreibt die Manipulationen des kapitalisitischen Systems, die zu einer Reizgesellschaft und vielleicht den Homo stimulus geführt haben. Es geht doch! Auch das Kapitel wäre richtig gut, wenn er mehr werten und urteilen würde. Es bleibt aber bei seiner bürgerlich-wissenschaftlichen Neutralität.
Im 4. Kapitel beschäftigt er sich mit dem Milieukampf und der Identifikationsdissonanz. Das mit der Identifikationsdissonanz kann so sein, aber die Theorie des Milieukampfes geht einfach nicht, weil sie dem marxschen Credo vom Klassenkampf widerspricht. Herteux weißt das auch. Als traurigen Höhepunkt dieses Kapitels setzt er sich in einer Anmerkung(!) über mehreren Seiten mit dem Klassenkampf auseinander und verwirft(!) ihn als überholt. Damit ist es offensichtlich, dass Herteux die Grundlagen des Sozialismus und Marxismus nicht in sich aufgenommen hat, sie nicht vertritt, nicht vertreten will und damit in das bürgerliche Lager, das sich zum Handlanger von Imperialisten und Kapitalisten macht, gehört. Das ist unglaublich Schade, denn Herteux kann denken.
Im 5. Kapitel entwirft er eine Zukunftsversion und fasst seine Theorien noch einmal zusammen. Auch hier musste ich mich aufregen. Seine Zukunftsversion ist eine einzige, gut geschriebene, Horrorvision und sein zusammenfassendes Bild des 21. Jahrhunderts ein sogenannter kollektiver Individualismus, der vom Verhaltenskapitalismus und Reizgesellschaft dominiert wird. Herteux erkennt damit alles, bleibt aber weiter neutral und blind, weil er seine guten Theorien - Ausnahme: Milieukampf - nicht nach sozialisitischen Kriterien einordnen will.
Abschließendes Fazit:
Andreas Herteux ist ein definitiv ein bürgerlicher Denker und Philosoph, aber kein Sozialist. Er erkennt zwar vieles richtig, ist auch innovativ in seinen Ideen, weswegen ich drei Sterne vergebe, ist aber kein/e Genoss*in auf dem Weg zur sozialistischen Weltrevolution.