Vom Zeitgeist, der verstanden werden will
Komplexes, differenziertes Buch, das diffizile Themen verständlich aufbereitet und so dem interessierten Leser nahebringt!
Unsere Ära wirkt immer unübersichtlicher, ja, unverständlicher. Globalisierung, ...
Komplexes, differenziertes Buch, das diffizile Themen verständlich aufbereitet und so dem interessierten Leser nahebringt!
Unsere Ära wirkt immer unübersichtlicher, ja, unverständlicher. Globalisierung, Digitalisierung und all die Krisen wirken oftmals sehr bedrohlich. Gemächlichkeit und ein allgemeiner Überblick, der nachvollziehbar ist, scheint passé und perdu zu sein.
Wer sich nicht einfach treiben lassen möchte und ebensowenig zum großen Heer der Gleichgültigen gehört, könnte ein immenses Interesse an diesem Sachbuch generieren.
Denn Andreas Herteux ist ein Ökonom aus Allemagne, aber ebenso Soziologe, Philosoph, Publizist, Autor und der Begründer der Erich von Werner Gesellschaft. Seine Bücher wurden in zehn Sprachen übersetzt.
Er analysiert scharfsichtig die Wurzeln unseres jetzigen Zeitgeistes und wie er sich in all seinen Erscheinungsformen generiert.
Globalisierung und Digitalismus befördern ebenso eine massive Zeitenwende, wenn das auch nicht die einzigen Urheber unseres alterierten Zeitalters sind.
Unser Gefüge besteht aus einem komplizierten Aufbau von fein austarierten Zahnrädern und diverse Phänomene beschleunigen sie einerseits, aber andere wiederum befördern sie aus dem empfindlichen Equilibrium.
Verhaltenskapitalismus ist eine postpostmoderne Erscheinung, die eng mit dem digitalen Leben sowie der Globalisierung alliiert ist. Sehnsüchte zu bedienen oder welche zu animieren, die gar nicht vorhanden waren, zeichnet diese spezielle Spielart unter anderem aus und sind kennzeichnend.
So etwas befördert ebenso den kollektiven Individualismus, der ebenfalls breit thematisiert wird, denn warum warten, wenn man, Liquidität vorausgesetzt, sich Träume umgehend erfüllen kann.
Amazon als potenter Global Player ist ein geschickter Manipulator solcher Sehnsüchte und Bedürfnisse, die sie detektivisch dank Algorithmen aufspüren und pekuniär äußerst gewinnträchtig umsetzen.
Der Autor schildert hervorragend, wie unsere vormaligen klar abgegrenzten Milieus erodieren, von wegen Arbeiter und Großbürgerliche, um es mal einfach und pointiert auszudrücken.
In seiner Kaste, Schicht oder Milieu ist man nur einer von vielen, aber im Individualismus definiert sich jeder als einzigartig. Wenn jedoch ein Teil seines Selbstbildes noch von seinem Milieu abhängig ist, kommt es durchaus zum Clash mit seiner ureigenen Identität. Dies wird Identitätsdissonanz genannt und der Autor bringt das verständlich und anschaulich zum Ausdruck.
Der Homo Stimulus ist ohnehin in der Breite alltägliche Realität. Wie schnell langweilen sich Menschen heute, werden unruhig, gereizt und sogar aggressiv, wenn ihr Cerebrum nicht ununterbrochen Stimuli erhält? So etwas kann zum Burn Out und Depression führen, wegen Dauerüberlastung. Entschleunigung und bewußt gesuchtes Nichtstun fällt vielen schwer.
Der kollektive Individualismus ist zweischneidig, kann Egoismus und Egomanie fördern, aber ebenso, daß man sich von seiner Peer Group löst und sich einzigartig engagiert, wie es so vor dem digitalen Zeitalter nicht möglich war.
Die gesamte Debatte und die Gedankenspiele die Zukunft betreffend bringen allerdings gar nichts, wenn wir die drängenden, eminenten Umwelt - und Klimaprobleme nicht in den Griff bekommen. Eine absolut zerstörte Erde? Dann hat ebenso die Menschheit keine Chance.
Hochinteressante Lektüre, die zum intensiven Reflektieren anregt, klar und deutlich verfasst wurde und wichtige Impulse setzt. Wer unsere Gegenwart endlich verstehen will, sollte zu diesem Buch greifen!