Cover-Bild Wintergewitter
Band 2 der Reihe "Kommissär-Reitmeyer-Serie"
10,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Suhrkamp
  • Themenbereich: Belletristik - Krimi: Historisch
  • Genre: Krimis & Thriller / Historische Kriminalromane
  • Ersterscheinung: 29.10.2016
  • ISBN: 9783518748527
Angelika Felenda

Wintergewitter

Reitmeyers zweiter Fall. Kriminalroman

München 1920. Kommissär Reitmeyer ist aus dem Krieg zurückgekehrt, versucht die dort erlittenen Traumata vor seiner Umgebung zu verbergen und dämpft aufkommende Panikattacken mit Geigenspiel. Dabei hat die Polizei alle Hände voll zu tun: Nahrungsmangel und Geldentwertung haben dazu geführt, dass die Stadt von einer regelrechten »Diebstahlseuche« heimgesucht wird und Schieber und Schleichhändler dicke Geschäfte machen. Da wird die junge Cilly Ortlieb, Kleindarstellerin in schlüpfrigen Produktionen des Münchner Filmkonzerns Emelka, tot im Keller einer Gastwirtschaft gefunden. Was zunächst wie ein Unfall aussieht, entpuppt sich als Mord mit einer großen Menge Morphium.


Während die rechte Einwohnerwehr durch die Straßen Münchens marschiert, sucht Kommissär Reitmeyer – von seinen Vorgesetzten argwöhnisch beäugt – in illegalen Spielclubs, Bars und Geheimbordellen nach einem zweifachen Frauenmörder. Dabei begegnet er Gerti Blumfeld, die auf der Suche nach ihrer abgetauchten Schwester eines der Mordopfer kennengelernt hat und bald selbst auf die Todesliste des Täters gerät …

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.12.2016

Neuer Filz im Isar-Athen

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München, 1920: Kommissär Reitmeyer ermittelt wieder! In einer Gastwirtschaft wird am Fuß der Kellertreppe die Leiche einer jungen Frau gefunden - auf den ersten Blick wirkt ihr Tod wie ein Unfall: eine ...

München, 1920: Kommissär Reitmeyer ermittelt wieder! In einer Gastwirtschaft wird am Fuß der Kellertreppe die Leiche einer jungen Frau gefunden - auf den ersten Blick wirkt ihr Tod wie ein Unfall: eine angetrunkene Frau erwischt auf der Suche nach der Toilette die falsche Tür und stürzt unglücklich. Doch auch dieses Mal wirft der zweite Blick des Gerichtsmediziners Fragen auf, denn Cilly Ortlieb starb an einer Überdosis Heroin. War das Filmsternchen in Spe drogensüchtig? Oder war sie jemandem im Weg?

Ich habe bereits Reitmeyers ersten Fall Der eiserne Sommer förmlich inhaliert. Und auch die Fortsetzung hat mich sofort in ihren Bann gezogen, es war sehr schön, so vielen der vertrauten Figuren wieder zu begegnen, auch wenn der große Krieg nicht ganz spurlos an ihnen vorübergegangen ist. Besonders der Protagonist Sebastian Reitmeyer hatte mein Herz bereits im Sturm erobert - seiner trockenen, pragmatischen Art mit den Widrigkeiten seines Berufsalltages umzugehen, kann man einfach nicht widerstehen. Auch ihn hat der Fronteinsatz verändert, er ist ein Kriegszitterer - das was ihm zu schaffen macht, würde man heute eine posttraumatische Belastungsstörung nennen. Da er nicht als Krüppel dastehen möchte, versucht er, seine Erkrankung (die damals nicht als solche wahrgenommen wurde, schließlich hat er überlebt und ist im Gegensatz zu vielen anderen sogar in einem Stück nach Hause gekommen) vor seiner Umwelt zu verbergen.
Rattler ist nach all den Jahren immer noch Polizeischüler, da sein Fronteinsatz und die anschließende Rekonvaleszenz seine Ausbildung unterbrochen haben. Er hat aufgrund von Gasverletzungen Probleme mit der Lunge, aber ansonsten ist er noch ganz der Alte und strapaziert die Nerven seiner Kollegen gerne mit Vorträgen über neue Erkenntnisse und Verfahren der Kriminaltechnik, die er nachwievor aus unzähligen Fachartikeln kennt. Steiger hat einen Arm verloren, und Brunner musste nicht an die Front, weil er ja zuvor schon beschädigt war. Alles in allem ist es schon eine ziemlich angeschlagene Truppe rund um den Kommissär, aber sie stürzen sich mit gewohntem Schwung in ihren neuen Fall, obwohl sie schon wieder in Richtungen ermitteln, die ihren Vorgesetzten wenig zusagen.

Durfte man im letzten Buch in die späte Vorkriegszeit eintauchen, als die Welt noch in Ordnung war und schneidige Offiziere sich in Glanz und Gloria sonnten, entführt Angelika Felenda ihre Leser nun in die unruhigen Nachkriegszeiten. Die Bevölkerung leidet noch immer unter den Rationierungen, für die Bezugsscheine gibt es nur eine Reihe von Ersatzlebensmitteln und auch Brennmaterial ist mehr als knapp. Die Inflation hat bereits eingesetzt, und Reitmeyers Gehalt kann mit den steigenden Preisen nicht mithalten. Freikorpstruppen treiben unter den Augen der Politiker und Behörden ihr Unwesen, Fememorde und Waffenschiebereien sind an der Tagesordnung. Der ideale Nährboden für Hitlers Hassparolen, die er zu dieser Zeit in München verbreitet und der so seine ersten glühenden Anhänger verzeichnen kann.
Angelika Felenda zeichnet den historischen Hintergrund für Reitmeyers Ermittlungen so gekonnt, dass man sehr leicht in diese politisch und wirtschaftlich chaotische Zeit abtauchen kann, ohne die Krimihandlung aus den Augen zu verlieren.

Besonders gern mochte ich wieder die lebendigen Dialoge, die mir die Figuren besonders nahebrachten. Die allgemeine Lage im Jahr 1920 war wirklich nicht rosig, und ohne eine gehörige Portion Galgenhumor wohl kaum zu ertragen - was sich auch in den Unterhaltungen widerspiegelt und mir beim Lesen regelmäßig ein Grinsen entlockt hat.

Definitiv eine gelungene Fortsetzung voller interessanter Historie mit einem verwickelten Kriminalfall. Hoffentlich bekomme ich bald Reitmeyers dritten Fall zu lesen!

Veröffentlicht am 20.12.2016

Ein dunkles Kapitel bayerischer Geschichte

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1920. Der Krieg ist seit fast zwei Jahren vorbei, doch in den Köpfen der Menschen hört er nicht auf. Kommissär Reitmeyer hat die Schrecken des Weltkrieges selbst miterlebt und er kämpft jeden Tag darum, ...

1920. Der Krieg ist seit fast zwei Jahren vorbei, doch in den Köpfen der Menschen hört er nicht auf. Kommissär Reitmeyer hat die Schrecken des Weltkrieges selbst miterlebt und er kämpft jeden Tag darum, dass niemand merkt, dass er Flashbacks hat, er ist ein sogenannter "Kriegszitterer" und "Krüppel". Paramilitärische Organisationen schießen wie Pilze aus dem Boden, heimlich unterstützt von der bayerischen Obrigkeit. Reitmeyer hat gleich mehrere Fälle auf dem Tisch, in denen er nicht vorankommt, weil er nicht gegen Männer der paramilitärischen Organisationen ermitteln darf. Dann gibt es zwei tote Frauen, auch diese oft in Begleitung von Offizieren gesehen, eine weitere Frau treibt einen Keil zwischen Reitmeyer und seinem besten Freund Sepp und dann gibt es noch einen Typen namens Hitler, der mit antisemitischen Sprüchen die Bevölkerung noch weiter aufhetzt: es ist eine dunkle, sehr dunkle Zeit, in der man kaum noch jemandem trauen darf.

Eigentlich fand ich den Kriminalfall selbst nicht so gelungen. Wenn man es genau nimmt, liegt alles nur an Gerti, die Informationen zurückhält, bewusst Sepp gegen Reitmeyer ausspielt und trotz Lebensgefahr für sich und andere niemandem was erzählt. Auch der Schluss war eher eine Notlösung, fand ich. Bei jedem anderen Krimi hätte ich dafür drei Punkte gegeben, aber dieses Buch bekommt glatt einen Bonuspunkt für die extreme Recherche und das Wissen, das hier über ein Kapitel deutscher Geschichte vermittelt wird, von dem ich überhaupt keinen Plan hatte. Eigentlich dachte ich ja, so von 1918 bis 1933 war mit der Weimarer Republik so ziemlich was Geiles am Laufen, aber hier erfährt man ganz andere Sachen, zumindest was München und Bayern allgemein angeht. Das ist eine ganz bittere Sache, was da gelaufen ist und die Art des Erzählens hat mich wirklich mitgenommen und Kopfkino entstehen lassen. Teilweise echt gruselig und schon daher für alle zu empfehlen, die etwas darüber erfahren möchten, wie es vor 100 Jahren abgelaufen ist.