Langatmig und ungeordnet
Die Grundidee von "Das Haus der Hildy Good" ist interessant: die Icherzählerin ist eine Alkoholikerin, die dies aber selbst ganz anders sieht. Dadurch, das wir alle Geschehnisse aus Sicht von Hildy erfahren, ...
Die Grundidee von "Das Haus der Hildy Good" ist interessant: die Icherzählerin ist eine Alkoholikerin, die dies aber selbst ganz anders sieht. Dadurch, das wir alle Geschehnisse aus Sicht von Hildy erfahren, sind diese subjektiv gefärbt. Das ist (größtenteils) gut gemacht und es ist lesenswert, wie Hildy an ihrem Eigenbild der erfolgreichen Geschäftsfrau, die nur ab und an mal ein Weinchen trinkt, festhält. Aus Nebensätzen, eingestreuten Informationen entblättert sich nach und nach die Wirklichkeit. Das hat mir gut gefallen.
Leider ist das Buch aber ausgesprochen langatmig. Unwichtige Details werden ausführlich beschrieben, da wird (kein Textbeispiel, dient nur der Anschauung) nicht mal eine Tasse Tee gemacht, es wird das Wasser aufgesetzt, die Schranktüre geöffnet, der Tee hinausgeholt, in die Kanne gelöffelt, die genaue Herdtemperatur erwähnt, usw. Das Buch hätte auf die Hälfte der Seiten verzichten können und meines Erachtens dadurch nur gewonnen. Zehn Seiten am Stück beschreiben ausführlich den Kauf und die Dressur eines Pferdes, sowie ein stattfindendes Turnier. Eine Bootsfahrt mit Hummerfischern wird zu einer kleinen Vorlesung über die Hummerfischerei. Der Fund einer Wasserleiche wird mit dreiseitigen Ausführungen über den Prozeß des Ertrinkens und der Verwesungserscheinungen unter Wasser eingeleitet. Für das Verständnis des Buches sind diese Informationen nicht erforderlich, und während ich gut präsentierte Hintergrundinformationen durchaus zu schätzen weiß, waren diese hier an allen Stellen zu lang und unnötig. Dadurch wird das Lesen eher zur Aufgabe, als zum Spaß. Durchgehalten habe ich nur, weil mich Hildys Entwicklung interessierte.
Eingebettet ist Hildys Geschichte in ein Panorama der neuenglischen Kleinstadt, in der sie wohnt und als Maklerin arbeitet. Zu Anfang ist dies alles etwas vignettenhaft - Parties, Hausbesichtigungen, Unterhaltungen mit Handwerkern, die reiche neue Familie an Ort...das alles zieht an uns vorbei, von Hildy mit teilweise schön trockenem Humor berichtet. Teilweise ist dies unterhaltsam, teilweise belanglos. Gerade die detaillierten Kindheits- und Jugenderinnerungen Hildys habe ich irgendwann nur noch überflogen. Nach und nach kristallisieren sich die Verbindungen der erwähnten Leute hinaus und die diverse Erzählstränge finden sich zu einer Geschichte zusammen. Auch das eine gute Idee. Bestreut wird das Ganze unnötigerweise mit einer kleinen halb-übersinnlichen Note und dem Verweis von Hildy, daß sie von einer der in Salem als Hexen verurteilten Frauen abstammt. Relevant für die Geschichte? Nein. Unterhaltsam? Nicht sonderlich.
Dies ist neben dem zu ausführlichen Schreibstil für mich das zweite Problem des Buches. Es wird dies und das eingesprenkelt, aber ohne wirklich Relevanz und Einprägsamkeit. Viele interessante Themen (Hildys Beziehung zu ihrem Ex, die Probleme mit den erwachsenen Töchtern) werden angedeutet und ich hätte gerne mehr darüber gelesen (und dafür weniger über Pferdedressur oder Hummerfang), aber dies versickert in der ungeordneten Themenvielfalt.
Nachdem der Großteil des Buches recht gemächlich dahinplätschert, wird dann zum Finale recht viel aufgeboten. Für meinen Geschmack zu viel. Es kommt zu plötzlich, es ist, wie gesagt, zu viel und paßt nicht zum Rest des Buches. Und während die Unsicherheit über den tatsächlichen Ablauf vieler Dinge durch Hildys Erzählerperspektive an sich gut ist, wird es mir schlichtweg zu viel, wenn am Ende seitenlang etwas berichtet wird, von dem man dann nicht sicher ist, ist es Traum, ist es Halluzination, ist es passiert?
Die Langwierigkeit, die Unentschlossenheit und das übertriebene Ende haben dazu geführt, daß die an sich gute Idee durch schlechte Umsetzung zumindest für mich verdorben wurde.