Intensiv, warmherzig und mit toller Message - genau so sollte New Adult sein! "
Als "Only One Song" mich total positiv überrascht hat, stand es für mich außer Frage, dass ich auch die weiteren Teile von Anne Goldbergs neuer Reihe lesen werde. Auch "Only One Letter" hält wieder um ...
Als "Only One Song" mich total positiv überrascht hat, stand es für mich außer Frage, dass ich auch die weiteren Teile von Anne Goldbergs neuer Reihe lesen werde. Auch "Only One Letter" hält wieder um einiges mehr bereit, als Cover, Klapptext oder Genre vermuten ließen und wurde zum überraschenden Monatshighlight!
Das Cover ist mit dem lila eingefärbten Close-Up eines Paares und dem sehr großen Titel zwar sehr hübsch anzusehen, hat aber meiner Meinung nach keinen besonderen Wiedererkennungswert. Auch der Titel hat mich nicht unbedingt vom Hocker gehauen. "Only One Letter" ist ein so typischer Titel, dass ich ihn selbst beim Lesen ein paar Mal vergessen habe und nachdem ich das Buch beendet hatte, mich immer noch frage, welcher eine Brief hier so wichtig war, dass er im Titel verewigt werden musste. Dasselbe habe ich schon bei Band 1 kritisiert, positiv anmerken muss ich aber, dass die beiden Teile optisch ganz wunderbar zusammenpassen und im Bücherregal nebeneinander ein schönes Bild abgeben. Schmerzlich vermisst habe ich hier allerdings wieder eine Triggerwarnung, die meines Erachtens aufgrund des Themas angebracht gewesen wäre.
Erster Satz: "Anfänge sind schwierig."
Besonders an der inneren Gestaltung der Geschichte ist, dass Anne Goldberg sich hier für eine interessante Erzählweise auf zwei Zeit- und Reflexionsebenen entschieden hat, welche gegen Ende langsam ineinanderlaufen. In der Gegenwart erleben wir die beiden Hauptfiguren Nate und Liz als Paar, das auf dem Heimatbesuch bei Nates Eltern in der USA auf die Probe gestellt wird. Abwechselnd zu diesen Kapiteln bekommen wir durch Einträge aus "Nates Logbuch", in welchem Liz tagebuchartig die Geschehnisse seit ihrer ersten Begegnung festgehalten hat, den Beginn ihrer Liebesgeschichte nacherzählt. In der Vergangenheit geht es dabei in erster Linie um Liz Probleme, während in der Gegenwart durch die Reise Nates alte Wunden wieder aufgerissen werden. Das Kennenlernen der beiden Figuren läuft Theo und Winstons erstem Treffen (in "Only One Song"), welchem ich in meiner Rezension feierlich dem Titel des "wohl witzigsten erste Treffens in der Geschichte der lustigen ersten Treffen" verliehen habe, beinahe den Rang ab, dennoch wird bald klar, dass die Autorin hier einen deutlich ernsthafteren Ton anschlägt als bei ihrem Auftaktband.
Das erste schwierige, aber starke Standbein der Geschichte, welche die Heiterkeit der jungen Liebe im Vergangenheitspart etwas dunkler einfärbt, ist Liz´ Umgang mit ihrer posttraumatischen Belastungsstörung, welche in "Only One Letter" sehr anschaulich und treffend umgesetzt wurde. Hier waren die nötige Präzision und Fingerspitzengefühl vorhanden, die ich bei "The Story of a Love Song", welches ich beinahe zeitgleich gelesen habe, vermisst hatte. Was bei Band 1 noch als leise spannungserzeugende Vorahnung in der Luft hing, ist hier bereits passiert und wirkt auf die Figuren zurück. Wer "Only One Song" also noch nicht gelesen hat und noch lesen will, sollte am besten JETZT damit aufhören, meine Rezension weiterzulesen! Es gibt zwar bis auf ein Ereignis nur kleine Überschneidungen mit dem ersten Teil, da das überraschend kommende Ende von "Only One Song" einen Großteil des Reizes der Geschichte ausmacht, würde ich das ungern spoilern. Aufmerksame Leser werden feststellen, dass Theo und Winston ganz kurz vorkommen und Nate und Theo am selben Projekt arbeiten. Ansonsten gibt es außer der Tatsache, dass beide Paare in London wohnen keinen Zusammenhang zwischen den beiden Geschichten, sodass man sie auch getrost unabhängig voneinander lesen kann.
"Ich glaube, der dümmste Zustand eines Menschen ist der, in dem er meint, etwas zu begreifen, wovon er gar keine Ahnung haben kann"
Auch im Gegenwarts-Teil geht es alles andere als heiter zu, da sich hier Nate seinen Dämonen stellen muss, als die beiden für die Hochzeit seiner Schwester an seinen Geburtsort zurückkehren. Zusehen, wie die beiden sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart wieder vor eine Zerreißprobe ihrer noch jungen Liebe stehen, sich gegenseitig unterstützt, dabei mal ganz wundervoll und manchmal auch ganz schrecklich verhalten, aber immer wieder einen Schritt aufeinander zu machen und verstehen wollen, was im anderen vorgeht, ist so schön wie herzzerreißend. Die Autorin zeigt hier, dass eine gesunde Beziehung nicht bedeutet, dass es keine Probleme gibt, dass man sich nicht streitet oder auch mal aneinander vorbeiredet. Eine gesunde Beziehung bedeutet, dass man zwar mal wütend ist, aber trotzdem versucht, den anderen zu verstehen, dass man mal eine Auszeit nimmt, aber trotzdem immer wieder einen Schritt auf den anderen zugeht, dass man nicht immer einer Meinung ist, aber sich trotzdem bei allem Wichtigen zur Seite steht! Genau solche Vorbilder braucht New Adult!
Genau dieses Kompliment kann ich auch den Figuren machen. Klar, dass eine Hauptfigur eine "dunkle Vergangenheit" hat oder mit einem Trauma kämpft, ist häufig der Fall in diesem Genre. Ich finde es aber wichtig, dass dies nicht nur als Motiv genutzt wird, um Drama mit einzubringen, Probleme zu erklären und Spannung aufzubauen, sondern dass das Thema auch wirklich genutzt, behandelt und auserzählt wird. Und das macht Anne Goldberg hier definitiv! Sowohl Liz als auch Nate haben ihre liebenswürdigen Eigenheiten, aber auch ihre Fehler. Sie machen vieles richtig, verhalten sich aber auch ab und zu so, dass man sie gerne an die Wand klatschen würde. Eben wie Menschen im richtigen Leben auch. Der Weg, den die beiden zusammen und auch jeder für sich gehen, geht ans Herz und erzählt von der Bedeutung kleiner Gesten, der Akzeptanz, dass es in Ordnung ist, mal nicht klarzukommen und wie man Hilfe von Menschen annimmt, die man liebt. Wie die beiden zusammengefunden haben ist hier mit relativ wenigen Worten erzählt, dennoch ist "Only One Letter" unbestreitbar eine Liebesgeschichte, nur eben eine, die erzählt, wie es nach dem "und sie lebten glücklich..." weitergeht!
"Die Sache ist nämlich die: Angst unterliegt den Gesetzen der Schwerkraft. wenn sie von einem abfällt, fällt sie nach unten. Und sie nimmt einen immer ein Stück weit mit."
Das Gleichgewicht zwischen schön und traurig hat die Autorin dabei grandios gut getroffen. "Only One Letter" ist zwar absolut kein Wohlfühlbuch, aber auch nicht wirklich harte Kost, denn Anne Goldberg versprüht mit ihrem lebendigen, spritzigen Humor immer mal wieder gute Laune. Der sehr lockere, sarkastische Erzählstil sollte sich eigentlich mit den schwermütigen Themen und der Figurentiefe beißen, seltsamerweise wirkt die Leichtigkeit des Schreibstils jedoch eher als passendes Gegengewicht und macht die Geschichte erst richtig rund. Dennoch: nachdem mir Anne Goldberg versichert hat, "Only One Letter" sei der "cozy Teil" der Reihe, habe ich aber eindeutig Angst, was mich im Finale der Trilogie erwartet...
Und wenn wir schon gerade von Enden reden... Das Ende der Geschichte ist das einzige Manko, das mich nach längerem Nachdenken dazu veranlasst hat, einen halben Stern abzuziehen. Hier ging mir alles nämlich einfach etwas zu schnell. Im letzten Viertel ist der Weg von "alles ist scheiße, wir schaffen das nicht" zu "es wird schon alles gut werden" sehr kurz, sodass das eigentlich recht positive Ende sich eher neutral und so gar nicht nach Happy End oder Ende allgemein anfühlt. Die Auflösung bleibt so offen und knapp, dass Vieles in der Luft hängen bleibt. Gerade auch die allerletzten Sätze haben bei mir Verwirrung ausgelöst. Zwei oder drei zusätzliche Kapitel hätte "Only One Letter" gegen Ende also meiner Meinung nach gut vertragen können.
Fazit:
Intensiv, warmherzig und mit toller Message - genau so sollte New Adult sein! "Only One Letter" punktet nicht nur mit einer interessanten Erzählweise auf zwei Zeit- und Reflexionsebenen, vielschichtigen Figuren und einer gesunden Beziehung - Anne Goldberg ist auch zwei schwierige Mental Health Themen mit der die nötige Präzision und Fingerspitzengefühl angegangen und hat das Gleichgewicht zwischen schön und traurig grandios gut getroffen. Nur das etwas zu knappe Ende trübt das Gesamtbild minimal ein.