Cover-Bild Hier ist alles sicher
Band der Reihe "Oktaven / Die literarische Reihe für Kunst im Leben und Lebenskunst"
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Freies Geistesleben
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: Familienleben
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 266
  • Ersterscheinung: 15.03.2023
  • ISBN: 9783772530319
Anneleen Van Offel

Hier ist alles sicher

Christiane Burkhardt (Übersetzer)

Ein Riss geht durch eine Familie. Und ein Riss geht durch ein Land.

"Komm nach Israel, Mama." Lang hat Lydia den Hilferuf ihres Stiefsohnes ignoriert, und als sie endlich ankommt, ist es zu spät. Immanuel ist tot. Selbstmord. Sie begibt sich auf die verzweifelte Suche, will verstehen. Ihn und damit auch das Land, das eigentlich eine Zuflucht sein sollte. Vor dem Hintergrund des israelisch-arabischen Konflikts beginnt ein spannender Roadtrip, der tief hineinführt in die Strukturen und Wunden ganzer Generationen.
Atmosphärisch dicht und mit einer unverwechselbaren literarischen Stimme schildert Anneleen Van Offel, wie schwer es ist, unter den falschen Umständen richtig zu handeln. Ein Roman über Liebe, Sehnsucht, Verlust, Tod und Trauer und gleichzeitig eine berührende Ode an das Leben.

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Veröffentlicht am 20.03.2023

Zerrissene Familie, zerrissenes Land

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Es hat Wochen gedauert, bis die Belgierin Lydia auf die Nachricht ihres Stiefsohns Immanuel reagiert hat, den sie seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Damals verließ ihr Lebensgefährte Joachim die ...

Es hat Wochen gedauert, bis die Belgierin Lydia auf die Nachricht ihres Stiefsohns Immanuel reagiert hat, den sie seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Damals verließ ihr Lebensgefährte Joachim die Kinderärztin, nahm den 13-Jährigen mit, für den Lydia die einzige Mutter war, die er je kannte: Edyth, seine biologische Mutter, war bei der Geburt gestorben.

Es war nicht das übliche Beziehungsende von zwei Menschen, die sich auseiandergelebt haben. um das es in Anneleen van Offels Debütroman "Hier ist alles sicher" geht: Lydia und Joachim verwendeten als gemeinsame Sprache Englisch - und das ist eigentlich schon der erste Hinweis, dass der aus Polen stammende Jonathan in Belgien eigentlich gar nicht heimisch werden wollte. Denn Jonathan, der von der eigenen Familiengeschichte nur Bruchstücke kennt, entdeckt seine jüdischen Wurzeln. Der sechsjährige Imanuell muss auf einmal Kippa tragen und zum Thora-Unterricht. Bis Joachim eben beschließt, dass nur Israel seine Heimat sein kann - ohne Lydia. Die hatte den Gedanken, in den nahen Osten zu ziehen, schon mit Blick auf die damalige Intifada zurückgewiesen - viel zu unsicher, dort ein Kind aufzuziehen.

Als Lydia Immanuels Ruf folgt, ist alles schon zu spät. Der Sohn, der einzige, den sie je haben wird, ist tot, Selbstmord. Zuletzt lebte er schwer heroinabhängig auf der Straße. Lydia muss Abschied nehmen, doch das kann sie auch nach der Beerdigung nicht. Überall sucht sie Immauels Spuren, glaubt einen Riss zu sehen, der sowohl für die zerrissene Familie wie auch für das zerrissene Land stehen kann.

Wie alle jungen Israelis war Immanuel beim Militär, diente in einer Einheit in Hebron, in den besetzten Gebieten. Es ist ein Gedanke, der Lydia entsetzt. Sie identifiziert sich mit den Palästinensern, fragt sich, ob Immanuel sich zu Taten hinreißen ließ, die sie verurteilt. Über Gespräche mit seiner Ex-Freundin und seinen ehemaligen Kameraden versucht sie, sich dem toten Sohn wieder anzunähern, die Leerstellen auszufüllen, auch die Leerstellen im eigenen Leben. Auf einer der Touren, die ins Westjordanland führen und die ausländischen Besuchern angeboten werden, versucht sie sich vorzustellen, wie das Armeeleben Immanuels aussah.

Der Zeitpunkt von Lydias Reise und dem Auseinanderbrechen der Familie bleibt dabei offen. Angesichts der verschiedenen Intifadas der vergangenen Jahre kann nur gerätselt werden, ebenso wie über die Motive Joachims, nach Belgien zu gehen. Die verschiedenen Wellen jüdischer Emigration aus Polen im Zusammenhang mit Pogromen und antisemitischen "Säuberungen" hatten schließlich allesamt während des Kommunismus stattgefunden.

Van Offel hat für ihr Buch mehrere Reisen nach Israel unternommen, doch das Land bleibt vage, beschränkt auf den Blick auf die Armee und die Besatzungs- und Siedlungspolitik. Dass die israelische Gesellschaft und ihr Blick auf den Nahostkonflikt eine viel größere Bandbreite hat, bleibt ebenso unerwähnt wie der israelische Alltag, den Lydia mit ihrem Tunnelblick nicht zur Kenntnis zu nehmen scheint. Auch das religiöse Erwachen Jonathans und die Auseinandersetzung mit Antisemitismus in Europa bleibt merkwürdig blass.

So ist dieses Buch stark - in meinen Augen zu stark - auf Lydia und ihr Innenleben beschränkt. Eine weitere Erzählperspektive aus der Sicht Immanuels lässt ebenfalls vieles offen. Warum hat er nicht auf Lydia gewartet? Was hat seine Entscheidungen ausgelöst? Ein interessantes Debüt, dem mehr Dimensionen aber nicht geschadet hätten.

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