Videokassette statt Livestream
Durch eine Lovelybooks Leserunde hatte ich die Chance, ein neues und anderes christliches Buch zu Lesen - so dachte ich zumindest, als ich mich beworben habe. "Gott im Livestream wurde von Sarah Schnell ...
Durch eine Lovelybooks Leserunde hatte ich die Chance, ein neues und anderes christliches Buch zu Lesen - so dachte ich zumindest, als ich mich beworben habe. "Gott im Livestream wurde von Sarah Schnell und Carlin Schubert herausgegeben und ist 2018 bei SCM Hänssler erschienen.
Worum geht es?
Das Buch wirbt mit dem Untertitel "
erlebt
erhört #Gottkann - wahre Geschichten" und im weitesten Sinne entspricht das auch dem Inhalt: Junge Leute erzählen von ihren Begegnungen mit Gott. Allerdings, und hier kommt das große ABER, nicht so, wie man es erwarten würde. Allein die Hashtags lassen einen modernen Kontext vermutet, doch tatsächlich sind nur 3 Texte in den letzten drei Jahren erschienen. Die Meisten sind älter als das Smartphone und sind so wohl unter einem Titel mit Hashtags fehl am Platz.Wer beim Wort "erschienen" aufgemerkt hat, der denkt wahrscheinlich wie ich: Bei einem neuen Buch (anders als bei einer Neuauflage) erwartet man auch neue Inhalte, doch das ist hier nicht der Fall. Stattdessen wurde alles aus anderne Büchern zusammen kopiert. Natürlich wurde dabei darauf geachtet, dass die Texte so ungefähr in den Erlebnisshorizont der Jugend von heute passen, aber wirklich gelungen ist es nicht. Die Lebensrealität heute ist halt einfach ganz anders als die vor 20 Jahren.
An sich sind die Geschichten ganz nett, auch wenn keine dabei ist, die mich besonders angesprochen hat bzw. der ich mich verbunden gefühlt habe. "Der fürsorgliche, wilde Hund" aus "Heaven touching Earth" war dabei noch am Schönsten, wenn auch am weitesten von meinem Erfahrungshorizont entfernt.
Graphische und rethorische Gestaltung
Graphisch hat man sich bei diesem Buch viel Mühe gegeben - das Äußere weckt die Aufmerksamkeit junger Leser und auch im Inneren setzt sich das schicke Design fort. Diesbezüglich gibt es absolut nichts auszusetzen und zu dem "hippen" Style passen auch die vielen Hashtags.
Einen konstanten Schreibstil oder eine durchgängige Perspektive gibt es hier nicht, da Texte von ganz unterschiedlichen Autoren zusammen getragen wurden. Dabei ist jedoch alles sehr simpel gehalten und dadurch auch gut verständlich.
Meine Meinung
Dieses Buch richtet sich an junge Christen und genau zu denen gehöre ich - allerdings hat es zumindest mich recht enttäuscht zurück gelassen. Da ist zum einen der Aspekt des Evangelikalen: Als konservative Lutheranerin kann ich mich mit Themen wie "Übergangsgebeten" u.ä. überhaupt nicht identifizieren und logischerweise kann ich auch mit manch anderen Dingen/ Ansichten in den Texten theologisch überhaupt nicht mitgehen - was ich Schade finde, denn eigentlich sollte doch gerade ein Buch für junge Menschen alle ansprechen können! (Und wenn es schon nicht ökumenisch ist, könnte man sich doch zumindest Mühe geben, verschiedene Perspektiven aus der protestantischen Welt zu vereinen und nicht nur die evangelikalen Freikirchen.)
Was mir an diesem Buch am wenigsten gefallen hat, ist der mangelnde Bezug zur modernen Welt und dem im Titel angepriesenen "Livestream". Ich als junge Christin (und ich bin mir sicher, dass sich da auch Andere anschließen können) bin konstant auf der Suche danach, meinen Glauben in der heutigen Welt zu leben. Wie geht man dabei mit Social Media um? Sollte man sie meiden oder zur Mission nutzen? Wie kann man allgemein neben all den Ablenkungen seinen Blick auf Gott richten? Wie erlebe ich Gott im Livestream (und nicht in gefühlt uralten Geschichten)? Meine Hoffnung für dieses Buch war, dass es endlich mal eine geupdatete Perspektive auf den Glauben gibt und Geschichten wiedergibt, die unserem Lebensalltag tatsächlich nahe kommen. Das war allerdings leider nicht der Fall.
Fazit
Mit einer Empfehlung tue ich mich an dieser Stelle schwer. Sicher - es ist kein schlechtes Buch, aber man sollte sich nicht von seinen Hoffnungen fehlleiten lassen und erst recht nicht auf den Titel herein fallen. Vom Lebensalltag junger Christen, zu dem Smartphones, YouTube oder zumindest das Fernsehn gehören, ist dieses Buch (gefühlt) meilenweit entfernt. Wer nach ein paar netten Geschichten über (teilweise zeitlose) Glaubenserlebnisse sucht, ist hier an der richtigen Adresse. Allen anderen würde ich vom Kauf des Buches abraten.