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Veröffentlicht am 13.12.2023

Was, wenn Jesus mitten in deinen Alltag hinein sprechen würde?

The Chosen: Bei mir findest du Ruhe
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Selbst für die meisten Christen ist der historische Jesus nicht jemand, dem man einfach mal so auf der Straße in die Arme laufen könnte oder der mitten im Alltag das Gespräch mit ihnen sucht. Anders ging ...

Selbst für die meisten Christen ist der historische Jesus nicht jemand, dem man einfach mal so auf der Straße in die Arme laufen könnte oder der mitten im Alltag das Gespräch mit ihnen sucht. Anders ging es den Menschen vor fast zweitausend Jahren, die Jesus ganz anders erlebten, als wir es heute tun - nicht durch Bücher und Schriften, sondern mitten im Leben. Dem versucht die Serie "The Chosen" nachzuspüren und nimmt dafür die Jünger Jesu und ihre Schicksale in den Mittelpunkt.

Im Zentrum der dritten Staffel der Serie, die in diesem Buch verschriftlicht wurde, steht die (fiktive) Frau von Simon Petrus, Eden. Während sich das missionarische Handeln Jesu fortsetzt (konkret greift das Buch etwa die Bergpredigt, die Aussendung der Jünger und die Speisung der Fünftausend auf), rücken so auch die zurück gebliebenen Familien der Jünger in den Mittelpunkt und was es für sie bedeutet, dass die jungen Männer ihre Ehefrauen und Eltern zurücklassen, um Jesus zu folgen. Dabei scheuen die Macher der Serie auch vor dunkleren Themen nicht zurück, die selbst heute erst seit wenigen Jahren offen angesprochen werden. So ist die Geschichte zwar antik, die Themen jedoch hochaktuell und für moderne Leser maßgeschneidert.

Genau an diesem Punkt stößt "The Chosen - Bei mir findest du Ruhe" allerdings auch immer wieder an seine Grenzen: Deutlicher als die beiden Vorgängerbände ist hier zu spüren, dass aus einer amerikanischen Perspektive erzählt wird, die bestimmte Regelungen oder (spirituelle) Praktiken als gegeben voraussetzt und nicht darüber nachdenkt, dass es in der Antike möglicherweise anders gewesen sein könnte. (Auffällig ist das besonders dort, wo einfache Fischerfamilien in der Freizeit Torarollen aus ihrem Familienbesitz lesen, was die Leser natürlich an ihre eigene Bibellektüre erinnern soll, in die Zeit allerdings nicht passt.) Auch an anderen Stellen driftet die Erzählung immer wieder zu scheinbaren Wahrheiten ab, die für den theologisch ungeschulten Leser auf den ersten Blick nicht klar als Fiktion zu erkennen sind. (Wie etwa die Benennung des "Bergs der Seligpreisungen" durch Matthäus, wohingegen der heute so benannte Ort erst deutlich später von Pilgern so betitelt wurde und nicht zwingend mit dem Berg der Bergpredigt identisch sein muss.)

Insgesamt sind diese schwierigen Aspekte allerdings deutlich in der Minderheit. Vielmehr erlebt man im dritten Band von "The Chosen" wie gewohnt Bibelgeschichten in einem völlig neuen Licht, deutlich lebendiger, quasi dreidimensionaler und auch packender, als man es gewohnt ist. Auf verschiedenen Wegen wird auch schon auf das angespielt, was noch kommen wird - von den acht geplanten Staffeln ist man inzwischen ja nun auch fast auf der Halbzeit - und so kriegt man auch immer wieder selbst Lust, zur Bibel zu greifen und nachzulesen, wie das Quellenmaterial von dort verarbeitet wurde. (Ein Stellenregister zu den einzelnen Teilen/Folgen im Anhang wäre dafür eine echte Bereicherung.) So wie die beiden Vorgängerbände kann ich diesen dritten Band von "The Chosen" also nur jedem ans Herz legen, der Lust darauf hat, die aus den Evangelien bekannten Geschichten einmal ganz neu zu erleben. Auch denjenigen, die die dritte Staffel von "The Chosen" bereits gesehen haben, sei das Buch wärmstens ans Herz gelegt, da hier viele Details viel besser zum Tragen kommen und Subtexte deutlicher werden. Andersherum lässt sich das Buch natürlich hervorragend zuerst lesen - versüßt durch das Wissen dadurch, dass die Verfilmung bereits in Serienlänge existiert.

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Veröffentlicht am 01.09.2023

Eine christliche Perspektive auf die Verhaltenspsychologie

Ist das Gott oder bin das ich?
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Wenn es eine Buchsparte gibt, deren Verkaufszahlen in den letzten Jahren überproportional gestiegen sind, dann ist das wahrscheinlich die der psychologischen Selbsthilfebücher. Dabei ist besonders das ...

Wenn es eine Buchsparte gibt, deren Verkaufszahlen in den letzten Jahren überproportional gestiegen sind, dann ist das wahrscheinlich die der psychologischen Selbsthilfebücher. Dabei ist besonders das Interesse daran, wie man dem inneren Kind „Heimat schenken“ kann o.ä. groß, doch meist geschieht all das vor einem klinischen Hintergrund. Christiane Sautters neues Buch bietet dagegen allen, für die, deren Persönlichkeit auch der Glaube eine wichtige Rolle spielt, eine christliche Alternative in diesem Gebiet.

Während der erste Teil von „Ist das Gott oder bin das ich?“ eher an ein Hoffnungs-Mut-mach-Buch erinnert als an eine tatsächliche Entscheidungshilfe, arbeitet sich die Autorin mit ihren Leserinnen und Lesern Stück für Stück tiefer vor und geht den eigenen Verhaltensmustern auf den Grund. Psychologische Theorien werden dabei mit Beispielen unterlegt und schließlich auch immer wieder in Fragen aufgegriffen, die bei der eigenen Reflexion über die Themen helfen sollen. Im zweiten und dritten Teil gewinnt das Buch entsprechend deutlich an Fahrt und Kraft. An einigen Stellen wären sicher ein paar Praxistipps nicht verkehrt gewesen oder Beispiele, wie hier ein „gesundes“ Verhalten aussehen würde, aber insgesamt entsteht trotzdem ein guter erster Einblick in die Thematik.

Glaube und Gott spielen dabei zunächst eher unterschwellig eine Rolle. Die dabei verwendeten Beispiele überzeugen nicht immer, ebnen aber christlichen Leser, die bisher noch nicht mit ähnlichen Büchern vertraut sind, den Weg in die Thematik. Deutlich besser gefallen hat mir jedoch der v.a. im zweiten und dritten Teil des Buches verwendete Ansatz der Autorin, Verhaltensmuster in biblischen Geschichten aufzuzeigen, um bestimmte Phänomene zu erklären - wodurch man aber auch die biblischen Texte ganz anders und besser versteht. Davon hätte ich mir mehr gewünscht! Auch Einblicke, wie psychologische Verhaltensmuster unsere Beziehung zu Gott beeinflussen, wären sicher spannend gewesen.

Vor allem ab dem zweiten Teil liest sich das Buch sehr angenehm und unterhaltsam und ist insofern definitiv eine Empfehlung wert. Gerade Christen, die sich mit traditionellen Büchern dieser Art eher schwertun, sei „Ist das Gott oder bin das ich?“ deshalb sehr ans Herz gelegt.

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Veröffentlicht am 26.08.2023

Ein roman-isiertes Tagebuch?

Tasmanien
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Wenn man über Bücher redet, spielt häufig die Frage des "Ersten Satzes" eine große Rolle. In Paolo Giordanos "Tasmanien" ist jedoch der letzte Satz der entscheidende, denn erst durch ihn versteht man das ...

Wenn man über Bücher redet, spielt häufig die Frage des "Ersten Satzes" eine große Rolle. In Paolo Giordanos "Tasmanien" ist jedoch der letzte Satz der entscheidende, denn erst durch ihn versteht man das vorher auf über 300 Seiten präsentierte Durcheinander.

Auch wenn das Buch die Bezeichnung "Roman" auf dem Cover trägt, weist dieser "Roman", dessen Hauptcharakter ebenfalls Paolo heißt, Physik studiert hat, in Rom wohnt und als Journalist arbeitet, doch starke Parallelen zur Biografie seines Verfassers auf, sodass sich unweigerlich die Frage stellt, wo die Grenze zwischen Fakt und Fiktion verläuft. Eine intendierte autobiografische Orientierung würde erklären, warum nicht alles Sinn ergibt, manche Handlungslinien unvollendet bleiben etc. - doch zunächst zurück zum Anfang.

"Tasmanien", was mit dem Land gleichen Namens nichts zu tun hat (es wird im Buch insgesamt zweimal erwähnt, hat für die Handlung allerdings keinerlei Relevanz) folgt den Erlebnissen eines freien Schriftstellers in der Zeit zwischen 2016 und 2020. Mit der Arbeit an seinem neuen Buch über die Atombombe beschäftigt, verweben sich Leben des Protagonisten und zeitgeschichtliche Themen: Klimawandel (allerdings mehr als Politikum, als als inhaltliches Thema), terroristische Anschläge und Organisationen (zu denen die Hauptfigur eine fast ambivalente Haltung zu haben scheint) und die "Gender-Frage", welche v.a. im Kontext der Rolle von Frauen im akademischen Umfeld behandelt wird, wenn auch (erneut) sehr ambivalent. Paolo geht es dabei meist eher um persönliche Beziehung als um ein Richtig oder Falsch. So erklärt es sich auch, dass moralische und politische Fragen häufig unter dem Drama seiner Gefühlswelt verschwinden, wie etwa der schwierigen Beziehung zu seiner deutlich älteren Frau oder seinem Wunsch nach einem Kind, der eigentlich der Wunsch danach ist, Vater zu sein.

An sich wäre das gar nicht einmal ein so schlechtes Konzept für einen Roman, doch gelingt es Giordano nicht, dieses auch voll durchzuziehen. Politisch fehlen etwa sehr auffällig Themen wie die #metoo Debatte oder der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche, die kaum erwähnt werden. Auch inhaltlich scheint Giordano Paolo nicht ganz zu folgen - die am Ende erwartete Katharsis, die Selbsterkenntnis des Protagonisten, bleibt in vielerlei Hinsicht aus. Andere Aspekte bleiben ebenfalls offen.

So entsteht insgesamt der Eindruck, eine Art "roman-isiertes" Tagebuch zu lesen, mit zu starken autobiografischen Einflüssen, als dass man sie ignorieren könnte, auffälligen Lücken und dem bleibenden Gefühl, dass das Schreiben des "Romans" als Ersatz für einen Besuch beim Psychologen diente. Besonders deutlich wird das hinsichtlich der Identitätskrisen des Protagonisten, bei denen man sich als Leser fünf Schritte voraus fühlt und am liebsten mit der Hauptfigur ins Gespräch treten möchte, um ihr zu zeigen, wo sie sich vor sich selbst versteckt. (Selber erkennt sie das bis zum Ende des Buches nicht.) Für eine Autobiografie wäre das sicher vertretbar, als Roman liest sich das jedoch schmerzhaft und unvollendet.

Mit einer Empfehlung tue ich mich deshalb schwer. Wer aufgrund der politischen Teaser-Themen im Klappentext, insbesondere des Klimawandels, auf dieses Buch aufmerksam geworden ist, dem würde ich sogar explizit von der Lektüre abraten. Für Fans von Paolo Giordano mag es dagegen genau das richtige sein, genau wie für Personen, die gern Romane über zwiegespaltene Persönlichkeiten lesen, deren Ende weder glücklich noch tragisch, sondern einfach offen ist - so wie das Leben. Sprachlich ist das Buch auf jeden Fall nicht schlecht. Ich wünschte nur, Giordano hätte sein Schreibtalent dafür genutzt, einen auch inhaltlich überzeugenden Roman zu präsentieren.

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Veröffentlicht am 26.08.2023

Ohne Brille sieht man besser?

Mit den Augen der Apostel
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Wer in christlichen Kreisen unterwegs ist, kennt vermutlich das Problem: Irgendwann erwacht das eigene Interesse für die Bibel und einfach nur lesen ist nicht mehr genug. Man will mehr wissen, mehr verstehen ...

Wer in christlichen Kreisen unterwegs ist, kennt vermutlich das Problem: Irgendwann erwacht das eigene Interesse für die Bibel und einfach nur lesen ist nicht mehr genug. Man will mehr wissen, mehr verstehen und gerät entweder an Nacherzählungen (wie The Chosen), allegorische Auslegungen oder an Leute, die darauf beharren, dass jedes Wort wörtlich zu verstehen ist und auch ihre Entstehungszeit keine Rolle dafür spielt. Ist das nicht genug, bleibt eigentlich nur noch ein Theologiestudium – oder man landet einen Glücksgriff, wie dieses Buch, der einem einen tieferen Einblick in den historischen Kontext mancher Bibelstellen gewährt. Gerade in evangelikalen Kreisen wird die historisch-kritische Methode zwar immer noch mit etwas Skepsis betrachtet, doch dass eine solche Auslegung und ein tiefer Glaube sich nicht ausschließen müssen, zeigt dieses Buch.

Worum geht es in „Mit den Augen der Apostel“? Kurz gesagt darum, dass wir, wenn wir die Bibel lesen, nicht alles Wort für Wort auf die Gegenwart übertragen können – bzw. nicht so Wort für Wort, wie wir es vielleicht zunächst denken würden. Als Beispiel dafür sei auf den (auch in der Leseprobe enthaltenen) Abschnitt über den Brief an die Gemeinde an Laodizea aus der Johannesoffenbarung verwiesen: Dort wird der Gemeinde vorgeworfen, sie sei „weder heiß noch kalt“. Häufig wird diese Bibelstelle so auslegt, dass man also lieber gar keinen Glauben haben sollte, als einen lauwarmen. Schaut man sich jedoch den Ort Laodizea an, stellt man fest, dass er mitten zwischen zwei anderen Orten liegt, die jeweils eine heiße bzw. eine kalte Quelle haben. Alles, was in Laodizea ankommt, ist also nur noch lauwarmes Wasser. Die eben genannte Schlussfolgerung für den Glauben greift hier also viel zu kurz.

Randolph Richards, langjähriger Professor für biblische Studien in Indonesien und Florida und Brandon O‘Brien, der im Bereich Kirchengeschichte promoviert ist, führen ihre Leser behutsam an ein gestärktes Bewusstsein für die Ideen hinter den Bibeltexten heran. Dabei bedienen sie sich des Modells eines Eisbergs, der sich zum Teil über Wasser befindet (Einflussfaktoren, die uns vielleicht noch bewusst sind), zum Teil unter Wasser, aber noch sichtbar (Aspekte, die v.a. im Vergleich der Bibellektüre unterschiedlicher Kulturen deutlich werden) und zum Teil so weit unter Wasser ist, dass wir ihn gar nicht mehr auf dem Schirm haben. Dabei lassen sie auch immer wieder eigene Erfahrungen und Anekdoten aus dem Kontakt mit anderen Kulturen einfließen. Das ist nicht nur kurzweilig und unterhaltsam, sondern hilft auch ungemein dabei, sich auf die verschiedenen Überlegungen einzulassen. Während man zu Beginn selbst noch denkt: „Stimmt, da hätte ich auch darauf kommen können!“, werden die Themen umso komplexer, je tiefer man kommt. Dabei wird dem Leser nicht selten der Spiegel vorgehalten, sodass man beginnt, seine eigenen Ansichten reflektierter zu betrachten. Am Ende ist sicherlich nicht alles davon bequem, aber Augen öffnend und bereichernd.

Was bei der Lektüre an einigen Stellen an einigen Stellen negativ auffällt, ist lediglich das Verbergen der sehr amerikanisch geprägten Ansicht der Autoren unter dem Deckmantel des „westlichen“, was auch europäische Sichten einschließen soll. Das mag an manchen Stellen zwar stimmen, an vielen Stellen handelt es sich jedoch um die Sicht von amerikanischen Südstaatlern (beide Autoren stammen aus dem Bible Belt) auf die Dinge, die nur nicht so benannt werden möchte. Als Theologin mit den Schwerpunkten biblische Studien und frühes Christentum sind mir auch einige historische Unstimmigkeiten aufgefallen, insgesamt hat mich das Buch jedoch durch seine Vielseitigkeit und Reflektiertheit stark beeindruckt.

Wer also mehr darüber erfahren möchte, wie die ursprünglichen Adressaten vor zweitausend Jahren die Bibel verstanden haben könnte, dem sei dieses Buch unbedingt ans Herz gelegt! Anders als mancher Kommentar oder manches Studienbuch ist „Mit den Augen der Apostel“ keineswegs trocken und langweilig. Es holt seine Leser direkt dort ab, wo sie sind, führt sie behutsam an neue Gedanken heran und achtet auch dort, wo alte Sichten vielleicht nicht mehr greifen können, darauf, den persönlichen Glauben trotzdem zu erhalten und zu stärken. Insofern kann ich dieses Buch auch eher konservativ geprägten Lesern guten Gewissens sehr empfehlen.

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Veröffentlicht am 30.03.2023

Ein "geist"reicher Text

Ein Geist in der Kehle
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"Dies ist ein weiblicher Text." Mit diesem Satz beginnt und endet "Ein Geist in der Kehlte" und je weiter man in die von Doireann Ní Ghríofa erzählte(n) Geschichte(n) vordringt, umso mehr versteht man, ...

"Dies ist ein weiblicher Text." Mit diesem Satz beginnt und endet "Ein Geist in der Kehlte" und je weiter man in die von Doireann Ní Ghríofa erzählte(n) Geschichte(n) vordringt, umso mehr versteht man, was sie damit meint. In ihrem Buch nimmt sie sich nicht nur ungelesener Texte, sondern auch ungehörter Stimmen, unerzählter Schicksale und unerwähnter Ereignisse an, die sich wie ein roter Faden durch die Jahrhunderte und das Leben von Frauen ziehen und doch selten einen Weg in die Literatur finden. Statt mit der übertriebenen Dramatik eines Romans, der etwas beweisen will, nähert sich Ní Ghríofa ihren Themen im Stil eines Essays an, der immer wieder durch Erzählungen aus dem Leben von Doireann Ní Ghríofa ergänzt wird.

Auch wenn das Buch zunächst sehr persönlich wirken mag, gibt die Tatsache,
dass es sich bei eben jenen autobiografischen Erzählungen (zumindest zum Teil) um Autofiktion handelt, dem Ganzen den Hauch eines Romans. Man hat das Gefühl, in einem Tagebuch zu lesen, in dem sich die Welt zumindest ein kleines bisschen um die Protagonistin dreht, die sich aber gleichzeitig das Rampenlicht mit ihrer persönlichen Heldin, Eibhlín Dubh Ní Chonaill, teilt. Zwar würde ich mich selbst als Irland-Fan beschreiben, hatte allerdings bisher wenig Kontakt mit der irischen Sprache und dem Caoineadh Airt Uí Laoghaire, dem Klagelied um Eibhlíns Mann Art, dessen Übersetzung und Hintergrundrecherche sich Ní Ghríofa in diesem Buch widmet. Umso spannender war es für mich, in eine ganz reale, fremde Welt einzutauchen - und darin doch immer wieder Vertrautes wiederzuentdecken. Da sich die Erzählung im stream of conscious fortbewegt, wirkt das Buch manchmal etwas durcheinander, womit sich aber gut umgehen lässt, wenn man sich einfach darauf einlässt, einfach zuzuhören.

Ní Ghríofa beweist dabei immer wieder, dass sie ein besonderes Gefühl für die Sprache hat und schafft es, dem Leser das Gefühl zu geben, mit ihr an den verschiedenen Stationen von Eibhlíns Leben zu stehen und mit ihr durch die Zeit zu reisen. (Dass, um ihren Stil zu würdigen, für die deutsche Übersetzung zwei Übersetzer - einer für die Gedichte und einer für den Prosatext - gewählt wurden, gefällt mir dabei sehr gut.) Doch egal, worum es auch geht: Ní Ghríofa nimmt kein Blatt vor den Mund, was z.T. fast schon brutal wirken kann. Die ersten Male überrascht das deshalb auch, passt aber letztendlich zu ihrer durch und durch ehrlichen Herangehensweise an ihre Erzählung. Ní Ghríofa möchte nichts verschweigen, vor allem nicht, wenn es um die weibliche Existenz geht.

Auch wenn die Prämisse des Buchs zunächst recht simpel ist, ist es Ní Ghríofa doch gelungen, einen "geist"reichen Text zu produzieren, der einen, wenn man sich darauf einlässt, völlig in den Bann schlägt. Als Historikerin konnte ich besonders den Wissensdurst nach Details aus dem Leben von Eibhlín Dubh Ní Chonaill verstehen und hatte so manchmal auch mehr den Eindruck, eine Art ausformuliertes Protokoll zu lesen, anstelle eines ... Essays? Fiktiven Tagebuchs? Halbromans? Einem klaren Genre widersetzt sich das Buch vehement.

So sehr mich das Buch begeistert hat, so vorsichtig bin ich mit einer Empfehlung, weil es sicherlich nicht für jeden ein Buch ist, das er oder sie mal eben nebenbei liest. Ní Ghríofa schreibt für Menschen mit Wissensdurst, mit Liebe zur Poesie, mit einem Verlangen nach Geschichte und einer Begeisterung für das Alltägliche, für die kleinen Dinge, hinter denen sich doch so viel mehr verbirgt - und genau diesen Menschen würde ich die Lektüre auch empfehlen.

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