Cover-Bild Navid Kermani
Band 2015 der Reihe "Friedenspreis des Deutschen Buchhandels - Ansprachen aus Anlass der Verleihung"
14,90
inkl. MwSt
  • Verlag: MVB GmbH
  • Genre: keine Angabe / keine Angabe
  • Seitenzahl: 118
  • Ersterscheinung: 21.03.2016
  • ISBN: 9783765732997

Navid Kermani

Friedenspreis des deutschen Buchhandels 2015. Ansprachen aus Anlass der Verleihung

Der Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels hat den deutschen Orientalisten, Schriftsteller und Essayisten Navid Kermani zum diesjährigen Träger des Friedenspreises gewählt. Das gab Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, zur Eröffnung der Buchtage Berlin 2015 bekannt.

Die Verleihung findet während der Frankfurter Buchmesse am Sonntag, 18. Oktober 2015, in der Paulskirche statt und wird live im ZDF übertragen. Der Friedenspreis wird seit 1950 vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert.

In der Begründung des Stiftungsrats heißt es:

"Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahr 2015 an Navid Kermani. Der deutsche Schriftsteller, Orientalist und Essayist ist eine der wichtigsten Stimmen in unserer Gesellschaft, die sich mehr denn je den Erfahrungswelten von Menschen unterschiedlichster nationaler und religiöser Herkunft stellen muss, um ein friedliches, an den Menschenrechten orientiertes Zusammenleben zu ermöglichen.

Seine wissenschaftlichen Arbeiten, in denen er Fragen der Mystik, der Ästhetik und der Theodizee insbesondere im Raum des Islam nachgeht, weisen Navid Kermani als Autoren aus, der mit großer Sachkenntnis in die theologischen und gesellschaftlichen Diskurse einzugreifen vermag. Die Romane und Essays von Navid Kermani, insbesondere aber auch seine Reportagen aus Krisengebieten zeigen, wie sehr er sich der Würde des einzelnen Menschen und dem Respekt für die verschiedenen Kulturen und Religionen verpflichtet weiß, und wie sehr er sich für eine offene europäische Gesellschaft einsetzt, die Flüchtlingen Schutz bietet und der Menschlichkeit Raum gibt."

Navid Kermani, geboren am 27.11.1967 in Siegen, studierte Islamwissenschaften, Philosophie und Theaterwissenschaft. Bereits mit seiner Dissertation "Gott ist schön. Das ästhetische Erleben des Koran“ sorgte er 1999 im Feuilleton und in der Fachpresse für Aufmerksamkeit. Neben seiner Tätigkeit als Dramaturg am Theater an der Ruhr in Mühlheim (1994/95) und am Schauspielhaus Frankfurt (1998/99) schrieb er zudem regelmäßig Literaturkritiken und Reportagen. 1994 gründete er in Isfahan das erste internationale Kulturzentrum, das infolge von Spannungen im deutsch-iranischen Verhältnis 1997 wieder schließen musste. Nach einem Forschungsaufenthalt am Berliner Wissenschaftskolleg und der Veröffentlichung von „Das Buch der von Neil Young Getöteten“ (2002) und „Schöner neuer Orient. Berichte von Städten und Kriegen“ (2003) hat sich Kermani entschieden, fortan als freier Schriftsteller zu arbeiten. Gleichwohl habilitierte er sich 2005 im Fach Orientalistik mit der grundlegenden Studie „Der Schrecken Gottes – Attar, Hiob und die metaphysische Revolte“. 2010 hielt Kermani die Frankfurter Poetikvorlesungen, ein Jahr später erschien sein Roman „Dein Name“, für den er mit dem Joseph-Breitbach-Preis (2014) geehrt wurde. 2014 analysierte er in einer vielbeachteten Rede vor dem Deutschen Bundestag anlässlich der Verkündung des Grundgesetzes vor 65 Jahren dessen normative Kraft und kritisierte zugleich die deutsche Asylgesetzgebung. Die literarischen Arbeiten Kermanis, die im Ammann Verlag und seit 2011 im Carl Hanser Verlag erschienen sind, thematisieren wie zuletzt in „Große Liebe“ (2014) die Grundfragen und Grenzerfahrungen der menschlichen Existenz wie Liebe und Sexualität, Verzückung und Tod. Wie in „Zwischen Koran und Kafka. West-östliche Erkundigungen“ (2014) sind die Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen, im Verlag C.H. Beck herausgegebenen Bücher der Koran und die islamische Mystik. Zudem berichtet er in zahlreichen Reportagen aus Kriegs- und Krisengebieten, die unter anderem in „Ausnahmezustand. Reisen in eine beunruhigte Welt“ (2013) erschienen sind. Ende August 2015 erscheint sein neuestes Buch "Ungläubiges Staunen. Über das Christentum" im Verlag C.H. Beck. Für sein Werk und das gesellschaftliche Engagement hat Navid Kermani weitere Preise erhalten, darunter Hessischer Kulturpreis (2009), Hannah-Arendt-Preis (2011), Buber-Rosenzweig-Medaille (2011), Heinrich-von-Kleist-Preis (2012), Kölner Kulturpreis (2012), Cicero-Rednerpreis (2012) sowie den Gerty-Spies-Literaturpreis (2014). Navid Kermani lebt seit 1988 in Köln und ist mit Katajun Amirpur verheiratet, die als Professorin für Islamwissenschaft an der Universität Hamburg lehrt. Das Paar hat zwei Töchter.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.07.2017

Navid Kermani - Eine starke Botschaft durch viel Emotionen

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Der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani wurde 1967 in Siegen geboren. 1994 gründet er im Iran ein internationales Kulturzentrum, dass er jedoch nach nur ein paar Jahren wieder schließen musste. ...

Der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani wurde 1967 in Siegen geboren. 1994 gründet er im Iran ein internationales Kulturzentrum, dass er jedoch nach nur ein paar Jahren wieder schließen musste. Des Weiteren schrieb er Reportagen über verschiedene Krisengebiete und schilderte den Alltag der dort lebenden Menschen. 2015 erhielt Kermani den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. In demselben Jahr verübte ein Mitglied des Islamischen Staats den Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Frankreich. Des Weiteren verschärfte sich die Flüchtlingskrise, es kam zu Anfeindungen des Islams und der Islamische Staat rückte in Syrien weiter vor. Daher war es nicht verwunderlich, dass der Orientalist Navid Kermani in seiner Rede, genau diese Ereignisse thematisierte. Sie trägt den Titel „Über die Grenzen – Jacques Mourad und die Liebe in Syrien“ und handelt von dem Zustand in Syrien und der Welt, Kermanis Verständnis vom Islam, dessen Entwicklung und vor allem um die Verständigung zwischen verschiedenen Kulturen. All diese Themen werden durch die Geschichte von Pater Jacques Mourad verbildlicht. Kermani lernte Pater Jacques 2012 kennen und führte mit ihm ein Interview. Pater Jacques betreute die katholische Gemeinde in Qaryatein, war ein starker Kritiker der syrischen Regierung und vermittelte erfolgreich zwischen den verschiedenen Konfessionen. Im Mai 2015 wurde er vom Islamischen Staat entführt, konnte jedoch im Oktober 2015 befreit werden. Seine Geschichte erzählt von einem Mann, der sich für die Verständigung über die verschiedenen Kulturen hinaus einsetzt und die Toleranz, von der immer wieder gesprochen wird, lebt. Des Weiteren vermittelt Kermani sein Verständnis des Islams. Seiner Meinung nach muss der Islam sich auf seine alten Traditionen zurückberufen und den Koran wieder mit Blick eines Literaturwissenschaftlers sehen. Am Ende seiner Rede bittet er die Anwesenden nicht zu klatschen, sondern für die in Gefangenschaft des Islamischen Staats Lebenden zu beten bzw. mit ihren Wünschen bei diesen Menschen zu sein.
Navid Kermanis Rede ist alles andere als eine typische Danksagung nach Erhalt eines Preises. Die meisten kennen dies wohl eher von der Oscar Verleihung mit den ausschweifenden Dankesbekundungen und den kurzen und knappen politischen Parolen. Diese Rede jedoch lässt einen Inne halten und stimmt einen nachdenklich. Sie zielt ganz klar auf die Gefühlsebene ab, was prima funktioniert. Man ist mitgerissen und berührt von der Pater Jacques Geschichte und seinem Schicksal, welches sich bestimmt unzählige Male in Syrien und anderen Orten auf der Welt finden lässt. Es ist daher eine sehr persönliche Rede, die einen die Augen öffnen lässt. Gerade deshalb funktioniert der belehrende und appellierende Teil so gut. Durch Emotionen lassen sich Botschaften besser transportieren als durch harte Fakten. Der hier stattfindende Aufruf zu mehr Toleranz und Verständigung, über die Kultur hinaus, ist hier für mich die Kernbotschaft und Sinnbild von Pater Jacques Geschichte. Für mich persönlich war der Islamtheoretische Teil etwas zu langatmig, aber ein positiver Einblick, den man heutzutage doch eher vermisst. Des Weiteren war ich überrascht, über die Paradoxe Aussage über den Aufruf zum Krieg. Navid Kermani sagt zwei Mal, dass er als Friedenspreisträger nicht zum Krieg aufruft. Dennoch bringt er mit dieser Wiederholung und exakten Aussage genau dies auf den Tisch. Bis zu dieser Erwähnung wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass er zum Krieg aufruft. Vielleicht eher zu einer Art Widerstand. Doch durch die bloße Erwähnung, auch wenn er sie verneint, bekommt man einen gegenteiligen Eindruck.
Abschließend lässt sich sagen, dass Navid Kermani mit seiner Rede die aktuelle Situation in der Welt und in Syrien transparent macht und sie einen gut gelungenen Appell an mehr Menschlichkeit und Verständnis, auch über die Grenzen der Kulturen hinaus, darstellt.