Navid Kermani - Eine starke Botschaft durch viel Emotionen
Navid KermaniDer deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani wurde 1967 in Siegen geboren. 1994 gründet er im Iran ein internationales Kulturzentrum, dass er jedoch nach nur ein paar Jahren wieder schließen musste. ...
Der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani wurde 1967 in Siegen geboren. 1994 gründet er im Iran ein internationales Kulturzentrum, dass er jedoch nach nur ein paar Jahren wieder schließen musste. Des Weiteren schrieb er Reportagen über verschiedene Krisengebiete und schilderte den Alltag der dort lebenden Menschen. 2015 erhielt Kermani den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. In demselben Jahr verübte ein Mitglied des Islamischen Staats den Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Frankreich. Des Weiteren verschärfte sich die Flüchtlingskrise, es kam zu Anfeindungen des Islams und der Islamische Staat rückte in Syrien weiter vor. Daher war es nicht verwunderlich, dass der Orientalist Navid Kermani in seiner Rede, genau diese Ereignisse thematisierte. Sie trägt den Titel „Über die Grenzen – Jacques Mourad und die Liebe in Syrien“ und handelt von dem Zustand in Syrien und der Welt, Kermanis Verständnis vom Islam, dessen Entwicklung und vor allem um die Verständigung zwischen verschiedenen Kulturen. All diese Themen werden durch die Geschichte von Pater Jacques Mourad verbildlicht. Kermani lernte Pater Jacques 2012 kennen und führte mit ihm ein Interview. Pater Jacques betreute die katholische Gemeinde in Qaryatein, war ein starker Kritiker der syrischen Regierung und vermittelte erfolgreich zwischen den verschiedenen Konfessionen. Im Mai 2015 wurde er vom Islamischen Staat entführt, konnte jedoch im Oktober 2015 befreit werden. Seine Geschichte erzählt von einem Mann, der sich für die Verständigung über die verschiedenen Kulturen hinaus einsetzt und die Toleranz, von der immer wieder gesprochen wird, lebt. Des Weiteren vermittelt Kermani sein Verständnis des Islams. Seiner Meinung nach muss der Islam sich auf seine alten Traditionen zurückberufen und den Koran wieder mit Blick eines Literaturwissenschaftlers sehen. Am Ende seiner Rede bittet er die Anwesenden nicht zu klatschen, sondern für die in Gefangenschaft des Islamischen Staats Lebenden zu beten bzw. mit ihren Wünschen bei diesen Menschen zu sein.
Navid Kermanis Rede ist alles andere als eine typische Danksagung nach Erhalt eines Preises. Die meisten kennen dies wohl eher von der Oscar Verleihung mit den ausschweifenden Dankesbekundungen und den kurzen und knappen politischen Parolen. Diese Rede jedoch lässt einen Inne halten und stimmt einen nachdenklich. Sie zielt ganz klar auf die Gefühlsebene ab, was prima funktioniert. Man ist mitgerissen und berührt von der Pater Jacques Geschichte und seinem Schicksal, welches sich bestimmt unzählige Male in Syrien und anderen Orten auf der Welt finden lässt. Es ist daher eine sehr persönliche Rede, die einen die Augen öffnen lässt. Gerade deshalb funktioniert der belehrende und appellierende Teil so gut. Durch Emotionen lassen sich Botschaften besser transportieren als durch harte Fakten. Der hier stattfindende Aufruf zu mehr Toleranz und Verständigung, über die Kultur hinaus, ist hier für mich die Kernbotschaft und Sinnbild von Pater Jacques Geschichte. Für mich persönlich war der Islamtheoretische Teil etwas zu langatmig, aber ein positiver Einblick, den man heutzutage doch eher vermisst. Des Weiteren war ich überrascht, über die Paradoxe Aussage über den Aufruf zum Krieg. Navid Kermani sagt zwei Mal, dass er als Friedenspreisträger nicht zum Krieg aufruft. Dennoch bringt er mit dieser Wiederholung und exakten Aussage genau dies auf den Tisch. Bis zu dieser Erwähnung wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass er zum Krieg aufruft. Vielleicht eher zu einer Art Widerstand. Doch durch die bloße Erwähnung, auch wenn er sie verneint, bekommt man einen gegenteiligen Eindruck.
Abschließend lässt sich sagen, dass Navid Kermani mit seiner Rede die aktuelle Situation in der Welt und in Syrien transparent macht und sie einen gut gelungenen Appell an mehr Menschlichkeit und Verständnis, auch über die Grenzen der Kulturen hinaus, darstellt.