Cover-Bild Kleine Schwester
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Kunstmann, A
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 240
  • Ersterscheinung: 30.08.2017
  • ISBN: 9783956141966
Barbara Gowdy

Kleine Schwester

Ulrike Becker (Übersetzer)

Ein Gewitter nach dem anderen zieht sich in diesem heißen Sommer am Himmel zusammen und immer, wenn es ausbricht, verliert Rose Bowan das Bewusstsein und hat intensive, vollkommen realistische Träume, in denen sie im Körper einer anderen Frau ist. Sind das nur Träume? Oder »bewohnt« sie tatsächlich eine Fremde? Was geschieht ihr? So verstört wie fasziniert fängt sie an zu recherchieren, verlässt den Kokon des kleinen Programmkinos ihrer Familie und taucht in das aufgewühlte Leben von jemandem ein, der ganz anders ist als sie. Gleichzeitig erkrankt ihre Mutter an Demenz und fängt an – zum ersten Mal seit Jahrzehnten –, über eine andere gespenstische Präsenz zu sprechen: über Roses kleine Schwester.
In Kleine Schwester erkundet Barbara Gowdy die erstaunliche Macht der Empathie, die Frage, wo wir aufhören und die anderen anfangen, und erzählt mit großer Eindringlichkeit von den tiefen familiären Bindungen, die uns prägen – ob wir wollen oder nicht.

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Veröffentlicht am 05.03.2019

Im Körper einer Anderen

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„Rose hatte noch nie geträumt, dass sie eine andere Person war. Oder in einer anderen Person drin. Ja, in ihr drin beschrieb das Gefühl, den Körper dieser Frau zu besuchen, statt ihn zu besitzen treffender.“


Inhalt


Rose ...

„Rose hatte noch nie geträumt, dass sie eine andere Person war. Oder in einer anderen Person drin. Ja, in ihr drin beschrieb das Gefühl, den Körper dieser Frau zu besuchen, statt ihn zu besitzen treffender.“


Inhalt


Rose erlebt ganz plötzlich ein paranormales Ereignis, dessen Einsetzen lediglich an heftige Gewittererscheinungen gekoppelt ist. Sie schlüpft für kurze Momente in den Körper einer gewissen Harriet Smith, die als Lektorin bei einem Buchverlag ganz in der Nähe angestellt ist. Dabei erlebt sie ein wahres Gefühlschaos, dem sie im normalen Leben eigentlich nicht ausgesetzt ist. Denn Harriet ist schwanger von einem Mann, der bereits verheiratet ist und seine Frau für die Affäre aus dem Büro nicht verlassen wird. Unbewusst nimmt Rose Einfluss auf die Gedankenwelt der Anderen die zunächst einen Selbstmordversuch unternimmt und sich dann für den Weg der Abtreibung entscheidet. Der Grund, warum Rose versucht der Fremden emotionalen, geistigen Beistand zu leisten, ist ein ganz besonderer, denn Harriet erinnert sie an die eigene kleine Schwester, die es zu beschützen gilt, selbst wenn das in der Realität nicht mehr möglich ist. Denn Ava, die Schwester, ist schon viele Jahre tot und kann keine Hilfe mehr annehmen. Für Rose werden die ungewöhnlichen Ausflüge in den Geist und Körper der jungen Frau zum Lebenselixier, denn dadurch spürt sie wieder, welcher Weg der richtige für sie selbst ist.


Meinung


Die Autorin hat mit diesem fiktiven, durchaus surrealen Roman eine sympathische, kurzweilige Geschichte über die Kraft der positiven Gedanken und die Macht der Empathie geschrieben. Obwohl die genauen Umstände der Bewusstseinsveränderung nicht geklärt werden, merkt man die innere Beteiligung der Betroffenen und ihre Entschlossenheit dem scheinbaren Schicksal die Stirn zu bieten. Sehr geschickt und humorvoll führt Barbara Gowdy durch die Erzählung, in dem sie wechselnde Episoden aus dem Leben von Rose und Harriet beschreibt und den Leser für die persönlichen, familiären Belange der beiden Frauen sensibilisiert.

Die Besonderheit des Erzählten beruht auf einer gewissen Authentizität, trotz oder gerade wegen der übersinnlichen Erfahrung, die hier im Zentrum steht. Ganz nebenbei ergeben sich Einblicke in das Seelenleben der Frauen, in ihre Schuldgefühle ebenso wie in ihren Willen zur Veränderung.


Fazit


Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen mit Herzblut geschriebenen Roman der durch seine ungewöhnliche, abwechslungsreiche Geschichte, die nicht nur bildlich wirkt, sondern auch Innerlichkeit besitzt, sehr einprägsam bleibt . Geschrieben für alle Mütter, Töchter, ja Frauen generell und für Leser, die psychologische Facetten diverser Lebensmodelle nachempfinden möchten.

Veröffentlicht am 06.09.2017

Wo fängt das Ich an

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Rose führt das Kino ihres verstorbenen Vaters zusammen mit ihrer an Demenz leidenden Mutter. Da beginnt sie in den Sommergewittern das Bewusstsein zu verlieren und sich im Körper einer anderen Frau wiederzufinden. ...

Rose führt das Kino ihres verstorbenen Vaters zusammen mit ihrer an Demenz leidenden Mutter. Da beginnt sie in den Sommergewittern das Bewusstsein zu verlieren und sich im Körper einer anderen Frau wiederzufinden. Fasziniert von diesem so anderen, aufwühlenden Lebe sucht Rose ihre eigenen Aussetzer. Das fremde Drama, das sie so gerne steuern möchte. Gleichzeitig taucht in ihr selbst die Erinnerung an ein ganz anderes Drama auf, den Tod ihrer jüngeren Schwester Ava, an die die Fremde sie so sehr erinnert.

Kleine Schwester ist ein Buch über Fluchten. Anders kann ich es gar nicht ausdrücken. Rose flüchtet vor ihrem eigenen Leben, ihren Erinnerungen und Entscheidungen in das Leben der Fremde. Die Obsession, dieses Leben zu retten, in dem sie doch nur Zuschauerin ist. Hier wirkt das Motiv des Kinos umso mehr. Das Mitfiebern, der Wunsch nach Erlösung und die eigene Befriedigung, wenn sie auf der Leinwand eintritt. Die Metapher für die Flucht aus dem Alltag, aber auch die Flucht vor den eigenen Problemen.
Und Probleme hat Rose genug. Nicht nur die Mutter, deren Aussetzer nur eine andere Art von Parallelismus zu Roses eigener Situation beschreiben, sondern auch die Vorurteile ihres Lebens, die Beziehung zu einem Mann, der nur oberflächlich zu ihr passt. Viele Feinheiten und tief dahinter das Trauma um ihre Schwester Ava. Verdrängung, jede Menge, aber auch die Suche nach dem, was das Leben noch zu bieten hat.

Elementar dahinter ist die Frage, wie Rose sich selbst sieht. Durch ihr Eintauchen in das fremde Leben kann sie etwas erfahren, was ihr selbst immer fremd sein wird. Dass diese Selbstfindung so nah an Tochter, Schwester aber auch Mutterschaft ausgemacht wird, hat mich leicht irritiert. Rose definiert sich nicht über sich selbst, sondern über das Fremdbild ihrer Mitmenschen. Das ist ihr Problem und löst sich auch eher durch die Notwendigkeit. Sie beginnt erst aktiv zu werden, als sie glaubt, ihre Passivität wieder gut machen zu können.
Dabei spielt der Roman mit den Erwartungen des Lesers immer wieder auf alles Zeitebenen. Ein großer Vorteil in diesem Buch voller Innensichten, dass der Leser sich verbunden fühlt und dennoch außen vor bleibt. Rose sieht die Welt durch die Augen einer anderen, das Fremdbild wird geradezu perfektioniert, während der Leser nie richtig eintauchen kann. Ein sonderbares Spiel um die Perspektiven, das seinen Reiz hat.

Vielleicht ist es darum auch weniger die Handlung an und für sich, die fesselt, als die Blickwinkel und Reflektionen dahinter. Nicht zuletzt, die Reflektion auf sich selbst und das eigene Leben. Aber auch auf die Spiegelung der anderen, die wir absichtlich oder unabsichtlich durchleben. Wo fängt da eigentlich das wirkliche ICH an. Eine spannende Frage, die Kleine Schwester behandelt, aber nicht beantwortet. Muss es auch nicht. So wie sich die Gewitter bricht auch Rose aus und wird zur Akteurin. Die Entwicklung dahin ist spannend zu betrachtet.