Ein Krimi der etwas anderen Art
Nachdem die Journalistin Laura ihren Job bei einem Magazin für medizinische Ästhetik verloren hat, begibt sie sich an den Neusiedler See, um dort einen Reiseführer über die Sehenswürdigkeiten rund um diesen ...
Nachdem die Journalistin Laura ihren Job bei einem Magazin für medizinische Ästhetik verloren hat, begibt sie sich an den Neusiedler See, um dort einen Reiseführer über die Sehenswürdigkeiten rund um diesen Steppensee zu schreiben. Während der Erkundung der Landschaft trifft sie - just an der Österreichisch-Ungarischen Grenze - auf eine Leiche im Wasser. Während die Ermittler den Fall zu lösen versuchen, kann es Laura nicht lassen, sich ihre eigenen Gedanken zu dem Geschehen zu machen. Es beginnt eine umfangreiche Suche nach Motiven, nicht nur zur Tat, sondern auch für Lauras Reiseführer und nach der Richtung, die sie in ihrem Leben einschlagen will.
Bernadette Németh ist mit "Neusiedler Tod" ein kurzweiliges und anspruchsvolles Buch gelungen, das nur auf den ersten Blick ein bloßer Kriminalroman ist. Vielmehr erfahren die Lesenden viel über die Menschen und Kulturen auf österreichischer sowie ungarischer Seite des Neusiedler Sees. Die Charaktere werden vielschichtig und eindrücklich beschrieben, sodass es ein Leichtes ist, sich in deren Situation hineinzuversetzen. Den Schreibstil habe ich als einnehmend und literarisch empfunden. Durch Zeitsprünge bekommen wir Einblicke in die Vorgeschichte der Protagonist:innen - sowohl das künftige Opfer, als auch Laura selbst erhalten Platz, um ihre Charaktere im Laufe der Geschichte weiter zu entwickeln. Auch gesellschaftspolitische Themen werden aufs Tapet gebracht; so spielt der Klimawandel ebenso eine Rolle wie die prekären Arbeitsbedingungen, welchen viele Ungar:innen ausgesetzt sind. Die Autorin hat m.E. ein großes Beobachtungstalent, nicht nur für ihre Figuren, sondern auch für die (Kultur-)Landschaft, in der sie sich bewegen.
Der Kriminalfall selbst wird vorwiegend durch die Wahrnehmungen von Laura beschrieben, es kommen zwar auch Ermittler vor, in die polizeiliche Arbeit werden die Leser:innen jedoch nur sehr am Rande mitgenommen. Dies verleiht dem Fall eine unübliche Perspektive, auch, weil er nicht immer vordergründig thematisiert wird. Zwischendurch erhalten wir Einblicke in die Gedankenwelt des Täters, die einen aber bis am Schluss um dessen Identität im Dunklen lassen, was den Spannungsbogen zusätzlich strafft. Gekonnt werden verschiedene Spuren zu den möglichen Tätern gelegt, die einen immer wieder in die Irre führen. Die Auflösung kommt schlussendlich überraschend.
Mein Fazit: Neusieder Tod ist ein anspruchsvoller Roman mit einem ungewöhnlichen Krimisetting, bei dem der Fall nicht unbedingt im Vordergrund steht. Es ist ein kurzweiliges Buch, das viel erzählt über die Österreich-Ungarische Kulturlandschaft um den großen See, über menschliche Beziehungen, den Wert der Natur und schließlich auch darüber, wie man sich gut täuschen kann. Große Leseempfehlung!