Profilbild von Kwinsu

Kwinsu

Lesejury Profi
offline

Kwinsu ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Kwinsu über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.05.2024

100 Seiten mehr...

Was der See birgt
0

Gianna ist Polizeireporterin bei einer Lokalzeitung am Gardasee. Ihr Leben, das vom Verschwinden ihres Vaters vor einem Jahr und dem Zerwürfnis mit ihrer Mutter geprägt ist, nimmt einen unerwarteten Verlauf, ...

Gianna ist Polizeireporterin bei einer Lokalzeitung am Gardasee. Ihr Leben, das vom Verschwinden ihres Vaters vor einem Jahr und dem Zerwürfnis mit ihrer Mutter geprägt ist, nimmt einen unerwarteten Verlauf, als ein junger Mann tot am See aufgefunden wird: mit Filippo hatte Gianna seinen letzten, lebenden Abend verbracht... Nun setzt sie alles daran, den rätselhaften Mord an ihm aufzuklären...

Lenz Koppelstätter startet mit "Was der See birgt" eine neue Krimireihe um die junge Polizeijournalistin Gianna Pitti. Sein Schreibstil ist unterhaltsam und kurzweilig. Die kurzen Kapitel beschreiben abwechselnd die Erlebnisse von Hauptprotagonistin Gianna, aber auch von deren Chefin Elvira und ihrem Onkel, dem Marchese. Besonders am Anfang führt er die Figuren, als auch die Landschaft rund um den Gardasee ausführlich ein, was einem beides sehr gut näherbringt und gut in die Geschichte starten lässt. Der Fall selbst baut sich nur langsam auf, was aber der Lesefreude keinen Abbruch tut. Vor allem der schrullige Onkel von Gianna hat einen einnehmenden Charakter und interessant ist, dass er mit einer beginnenden Demenz zu kämpfen scheint. Gianna wird als ehrgeizige, interessierte und engagierte Journalistin beschrieben, ihre Vorgesetzte Elvira hat zwar eigene Kapitel, kommt aber in der Beschreibung etwas zu kurz.

So nett der Anfang war und sich der Fall entwickelt, so enttäuschend war für mich der Showdown im letzten Drittel. Hier wird verpackt, was nur hineingestopft werden kann, die Ereignisse und handelnden Personen überschlagen sich, es passiert sehr, sehr viel, einiges, was meines Erachtens einer Erklärung bedürfte, wird nur angedeutet, viel zu schnell werden Erklärungen hin geklatscht. Es ist gar nicht so leicht, den Überblick über alles zu behalten, so vieles passiert. Ja, natürlich wird der Fall aufgeklärt, für meinen Geschmack aber viel zu schnell und viel zu dicht. Hier hätte sich der Autor ruhig 100 Seiten mehr Zeit lassen können, sodass die Story eine ordentliche Abrundung erhalten, die die vielen Facetten der Geschichte in Ruhe aufgelöst hätte.

Mein Fazit: "Was der See birgt" ist ein kurzweilig geschriebener Krimi, der seine Charaktere und die Kulturlandschaft rund um den Gardasee eindrücklich einführt. Das angenehm gemächliche Tempo der ersten zwei Drittel geht aber leider in einem viel zu opulent verpackten Showdown komplett verloren und die Geschichte hätte sich nach meinem Dafürhalten noch 100 Seiten mehr verdient. Lust auf den Gardasee und auch auf eine Fortsetzung macht er trotzdem.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.05.2024

Grenzen und Wege

Das andere Tal
0

Odile ist 16 Jahre alt und lebt in einem begrenzten Tal - es ist abgeschirmt durch strikte Grenzzäune und keinem ist es erlaubt, diese zu überschreiten. Außer die Bewohner:innen stellen einen Antrag - ...

Odile ist 16 Jahre alt und lebt in einem begrenzten Tal - es ist abgeschirmt durch strikte Grenzzäune und keinem ist es erlaubt, diese zu überschreiten. Außer die Bewohner:innen stellen einen Antrag - meist im Trauerfall. Denn im Westen existiert das selbe Tal, nur 20 Jahre in der Vergangenheit, wohingegen sich im Osten das Tal 20 Jahre in der Zukunft befindet. Alleinig die jeweiligen "Conseils" entscheiden, ob der oder die Antragssteller:in reisen darf. Odile entscheidet sich, an der Aufnahmeprüfung für die Schule der Conseils teilzunehmen, um ihren beruflichen Weg in dieser hochangesehenen Tätigkeit zu bestreiten. Doch ein folgenschweres Ereignis verändert ihre Pläne - und somit auch Zukunft und Vergangenheit...

Der kanadische Autor und Philosoph Scott Alexander Howard präsentiert mit "Das andere Tal" sein literarisches Erstlingswerk. Er besticht durch eine atmosphärische, bildgewaltige Sprache, die einen umgehend in diese ganz besondere Welt versetzt. Howard beherrscht die Kunst, die Erzählung voranschreiten zu lassen, ohne dass geahnt werden kann, in welche Richtung sie sich entwickelt. Dabei begleiten einen stets philosophische Denkanstöße über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Gut und Böse, Recht und Unrecht. Erst im Laufe der Zeit wird einem bewusst, dass es sich bei der hier geschaffenen Welt wohl um eine Diktatur handelt, die unbarmherzig mit ihren Bewohner:innen umgeht. Alle haben ihren vorbestimmten Weg, haben sich an die Regeln zu halten, haben keine zweite Chance verdient. Erstaunlich ist, dass sich scheinbar keiner mit diesem strikten Regelwerk auseinanderzusetzen und widersetzen zu scheint, (fast) alle nehmen ihre Lebensumstände als gegeben hin.

Ein besonderes Highlight ist die Hauptprotagonistin Odile. Sie erzählt in der Ich-Form, man bekommt viele Einblicke in ihre Gedankengänge, bis zum Schluss ist es jedoch nicht möglich, sie zu charakterisieren, geschweige denn einzuordnen. Sie scheint ein sehr regelkonformer Mensch zu sein, der sich seinem Schicksal ergibt - allerdings täuscht man sich hier, wie in einigen anderen Aspekten auch. Was aber feststeht ist, dass sie zäh ist. Ihr Leben entwickelt sich in Richtung Hölle auf Erden, aber aufgeben tut sie nie.

Der Roman spielt in unterschiedlichen Zeitabschnitten. Erst begleiten wir die jugendliche Odile, die mit üblichen jugendlichen Problemen kämpft - Schüchternheit, Freundschaft, komplizierte Beziehung zu den Eltern. Der zweite Abschnitt reist 20 Jahre weiter und zeigt eine hoffnungslose Odile, die sich ihrem Schicksal, das von grauenhaften Begegnungen mit den hässlichsten Seiten der Menschheit geprägt ist, fügt. Doch wie erwähnt kommt es immer wieder zu unerwarteten Wendungen in der Geschichte, die einem die Hoffnung nach dem Guten nie gänzlich nimmt.

In den Diskussionen über den Roman wird immer wieder angemerkt, dass die geschaffenen Zeitebenen - die verschiedenen Täler - und der geregelte Umgang damit, unlogisch seien, vom Autor zu wenig erklärt werden. Für meine Wahrnehmung waren die Erklärungen ausreichend, ich habe mich mit dem vorgegebenen Konstrukt zufrieden gegeben. Viel spannender waren für mich die damit einhergehenden philosophischen Auseinandersetzungen, die mir auch viel Stoff gegeben haben, um Parallelen mit der realen Welt herzustellen.

"Das andere Tal" war für mich ein absolutes Lesehighlight, dass mich auch in den Lesepausen immer wieder fest in Gedanken bei der Geschichte sein ließ. Es ist ein fesselndes Werk, dass immer wieder mit unerwarteten Wendungen aufwartet und die Gehirnwindungen ordentlich arbeiten lässt. Die Atmosphäre - Märchenhaftigkeit gepaart mit trister, grauenhafter Realität, wird mir dieses Buch nicht so schnell vergessen lassen. Gespannt warte ich auch weitere Werke des Autors!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.05.2024

Kollektives Wachwerden

Und alle so still
0

Elin, Nuri und Ruth führen gänzlich unterschiedliche Leben. Die eine, Elin, ist Influencerin, die Bestätigung durch Follower:innen und Sex sucht, der andere, Nuri, ein junger Mann in prekären Lebensumständen, ...

Elin, Nuri und Ruth führen gänzlich unterschiedliche Leben. Die eine, Elin, ist Influencerin, die Bestätigung durch Follower:innen und Sex sucht, der andere, Nuri, ein junger Mann in prekären Lebensumständen, der kaum zum Schlafen kommt, weil er durch verschiedene, unterbezahlte Jobs seine Existenz sichern muss. Ruth hingegen ist Pflegekraft und ob der Überlastung des Systems hat sie seit Jahren schon kein Privatleben mehr. Alle hechten durch ihr Leben, bis plötzlich Frauen wahllos beginnen, sich auf die Straße zu legen. Das System beginnt zu bröckeln, rapide und unbarmherzig. Und die drei Protagonist:innen suchen ihren Weg im stillen Aufstand.

Mareike Fallwickls neuer Roman "Und alle so still" wurde, nach dem überwältigen Erfolg des Vorgängers "Die Wut die bleibt", sehnsüchtig von der Lesecommunity, Feminist:innen und Presse gleichzeitig erwartet. Für mich ist es eine Erzählung mit Durchschlagekraft - radikal, atemlos und aufschreiend. Grundsätzlich stehe ich "Hypes" skeptisch gegenüber und nachdem ich von erwähntem Vorgängerroman nicht so angetan (der Gewalt wegen) und die Vorschusslorbeeren enorm waren, machte ich mich mit Skepsis über dieses Leseerlebnis. Die Wucht der Erzählung ereilte mich schon auf den ersten Seiten - die Dichte und Unerträglichkeit der Umstände von den Lebenswelten der Protagonist:innen nahm mir fast den Atem, doch konnte ich kaum zu Lesen aufhören. Die Zeit des Aufstands der Frauen kommt unvermittelt, greift in die Erzählung ein und gibt ihr eine Wendung, die das Erzählte in eine andere, eine kollektivere Richtung lenkt. Schnell stellt sich heraus, dass vieles, fast alles nicht mehr funktioniert, wenn Frauen ihr vermeintliches Soll nicht mehr leisten. Die Gesellschaft kommt zum Erliegen. Des Öfteren musste ich bei der Schilderung des nun auftretenden Ausnahmezustands an "Blackout" denken, wobei ich nicht bezweifle, dass es eine Gesellschaft ohne Frauen wesentlich schlechter träfe als ohne Elektrizität. Immer mehr Frauen schließen sich dem stillen Widerstand an, immer mehr finden sich ein in die sich neu bildende Solidarität unter Frauen (und einiger verbündeter Männer). Natürlich kommt das Erzählte nicht ohne das Aufbegehren der Männer zustande, oft wehren sie sich mit Gewalt gegen die Verweigerung.

Mareike Fallwickl greift vielfältigste, gesellschaftlich relevante Themen auf - allen voran die unbezahlte Care-Arbeit, vorwiegend verrichtet durch Frauen. In einer dystopischen Utopie zeigt sie auf, wohin Ungleichheit, Patriachat, die Geschwindigkeit der Turbogesellschaft - der Kapitalismus - führen - und wie sich stiller Protest dagegen wehren kann. In vielen Besprechungen war zu lesen, dass ihr hier gezeichnetes Bild und die Charaktere unrealistisch seien, keine/r würde so sprechen, keine/r würde so agieren, alles sei vollkommen übertrieben. Natürlich überspitzt sie, verkürzt sie, eskaliert sie. Aber zu was soll Literatur gut sein, wenn sie das nicht darf?

"Und alle so still" ist für mich ein Highlight in dieser Lesesaison und wohl weit darüber hinaus. Der Roman ist rasant, atemberaubend, inspirierend und für viele wohl augenöffnend. Er vermittelt die Hoffnung, dass eine Änderung des Systems möglich ist - wenn wir nur zusammenhalten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.04.2024

Gefängnis Familie

Ein falsches Wort
0

Bergljot kämpft mit ihrer Familie. Vordergründig geht es um eine Erbschaft von zwei Ferienhütten, doch der Kampf ist viel komplexer, viel tiefsitzender: sie wurde als Kind von ihrem Vater missbraucht. ...

Bergljot kämpft mit ihrer Familie. Vordergründig geht es um eine Erbschaft von zwei Ferienhütten, doch der Kampf ist viel komplexer, viel tiefsitzender: sie wurde als Kind von ihrem Vater missbraucht. Doch nicht alle glauben ihr, wollen die Realität nicht anerkennen, verdrängen kontinuierlich - auch weil, das Geschehene lange verdrängt wurde und dann mit voller Wucht wieder ins Bewusstsein rückt. Bergljot nimmt uns mit auf ihren inneren Kampf der Selbstbefreiung von den Fesseln der Familie.

Dieser Roman ist harte Kost, thematisiert er doch das Unaussprechliche. Vigdis Hjorth versteht es, mit ihren klaren Worten, ihren eindringlichen Satzwiederholungen, für die Lesenden eine Ebene zu schaffen, auf der es erträglich ist, den inneren Kampf von Bergljot mitzuverfolgen, wenn auch äußerst herausfordernd. Dieser ist so vielschichtig, dass man ihr jedes Wort glaubt. Es geht hier nicht nur darum den Täter anzuklagen, sondern das ganze System, das ihn stützt. Es geht um Machtmissbrauch, emotionale Erpressung, Vernachlässigung, körperliche Gewalt, der Suche nach Aufmerksamkeit in den unterschiedlichsten Stufen. Die komplexen Beziehungen der Schwestern, des Bruders und vor allem der Mutter zueinander werden aufgedröselt; Hjorth zeigt, dass es niemals eine einfache Antwort geben kann; dass es immer ein System ist, das den Missbrauch stützt. Und über allem steht die Frage des Beweises, die anklagend und mit Fingerzeig auf die Betroffene blickt. Der Roman ist anstrengend zu lesen, es wird einem viel abverlangt, denn das Gedankenkarussell läuft unaufhörlich und scheint nicht aufhaltbar zu sein. Oft wollte ich die Protagonistin packen und schütteln und sie fragen, warum es ihr nicht möglich ist, "einfach" mit der Familie zu brechen, den Kontakt ein für alle mal aufzugeben. Aber die Penetranz und die Verdrängungsgabe besonders der Mutter und der Schwester Astrid sind so stark, dass sie Bergljot nicht loslassen können. Gekonnt werden in die Geschichte Theorien der Psychoanalyse eingeflochten. Es werden auch Bezüge zu Theater oder Filmen hergestellt, allen voran zu dem ersten Dogma 95-Film "Das Fest", in dem es ebenso um Kindesmissbrauch geht, mit dem sich die Protagonistin vergleicht. So krass das Thema ist, umso erstaunlicher ist es, wie subtil Hjorth auch Schwarzhumoriges einfließen lässt, wenn sie über den Gebrauch des Wortes "Inzest" schreibt. Fast ist es unfassbar, wie genial das Thema aufgearbeitet wird, die Komplexität des Geschriebenen ist so tiefgängig, dass man oft vergisst, dass es sich um Autofiktion handelt. Doch mutmaßlich arbeitet Hjorth hier ihre eigene Geschichte auf. Und abgesehen von der Härte der Thematik, ist das Buch einfach eine herausragende Prosa mit schriftstellerischer Brillanz, die sicher eines meiner persönlichen Highlights des Jahres 2024 ist.

Mein Fazit: "Ein falsches Wort" ist ein heftiger Roman, der die Lesenden an ihre Grenzen bringt. Die Autorin schafft es durch ihre feinfühlige Sprache und der Vielschichtigkeit der Aushandlungen innerhalb der Familie, ein Gefängnis nachzuzeichnen, aus dem die Protagonistin nur schwer entkommen kann - jenem der Familie. Ein herausragendes Werk, bei dem es aber aufgrund der Heftigkeit gut überlegt sein soll, ob man sich dem Thema annähern kann oder will.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.04.2024

Unfassbar

Der Wald
0

Als Mira Bunting den Milliardär Robert Lemoine kennenlernt, scheint ihr Ziel in greifbare Nähe zu rücken: ihr Guerilla-Gardening-Gruppe Birnam Wood könnte dank der unerwarteten Unterstützung des geldigen ...

Als Mira Bunting den Milliardär Robert Lemoine kennenlernt, scheint ihr Ziel in greifbare Nähe zu rücken: ihr Guerilla-Gardening-Gruppe Birnam Wood könnte dank der unerwarteten Unterstützung des geldigen Mannes plötzlich rentabel werden und ihre Existenz sichern. In dem kleinen, durch einem Erdrutsch von der Außenwelt beinahe abgeschnittenen Dorf Thorndike gibt er ihnen die Möglichkeit legal an ihrem Projekt zu arbeiten. Doch nichts ist so wie es scheint und auch innerhalb der Gruppe kommt es zu Spannungen, die der Geschichte unerwartete Wendungen bringt...

Nach Beendigung des Buches bin ich immer noch sprach- und ratlos. Einerseits geht von der Kunst der Autorin, die unterschiedlichen Charaktere detailliert zu zeichnen, ihnen durch mannigfaltige, lebensweltliche Anschauungen und kritische Reflexionen auf die Welt in verschiedensten Facetten eine realistische und glaubhafte Lebendigkeit teilwerden zu lassen, eine große Faszination aus. Manche Passagen waren so eindringlich und anregend, dass ich noch Wochen nach dem Lesen darüber nachdenken muss - die gesellschafts- und kapitalismuskritischen Diskussionen waren für mich so bereichernd, dass ich vielem davon zustimmen kann und nun eine bessere Argumentationsgrundlage für persönliche Auseinandersetzungen damit habe. Andererseits rutschte die Geschichte für mich oft in eine extreme Langatmigkeit aus, die es mir schwer machten mich dazu zu überwinden, den Roman weiter zu lesen. Oft las ich den Text und meine Gedanken glitten ob der teilweise unnötig in die Länge gezogenen Gedankengänge und Betrachtungen der Charaktere weit ab, sodass ich die Seiten wieder und wieder lesen musste. Oft kam mir in den Sinn, es einfach gut sein zu lassen und einfach abzubrechen.
Aber immer wieder kamen Aspekte in die Geschichte, die mich einfingen und mich doch nicht aufgeben ließen. Und dann kam das letzte Drittel des Buches, das für mich so unglaublich fesselnd war, dass ich es schier nicht mehr aus den Händen legen konnte. Ich musste mich immer wieder daran erinnern, nicht aufs Atmen zu vergessen - so unglaublich spannend und rapide entwickelte sich die Geschichte und spätestens bei den letzten Seiten fand ich mich in einem manieartigen Zustand wieder. Den Schluss empfand ich dann als ziemlich abrupt, einerseits schlüssig, andererseits unbefriedigend.

"Der Wald" ist für mich ein unfassbares Buch im mehrdeutigen Sinn. Die Autorin weiß durch tiefsinnige Charakterdarstellung und philosophische Gedankengänge zu beeindrucken. Andererseits ist auch die immer wiederkehrende Langatmigkeit unfassbar. Unfassbar ist auch der Abschluss des Buches, der für mich als moralische Komponente zusammenfasst, dass es wohl keine Gerechtigkeit gibt - oder alle Gerechtigkeit der Welt. Ein Buch, das definitiv keine leichte Kost ist, das Durchhaltevermögen erfordert, aber aufgrund der Vielschichtigkeit und Tiefenschärfe eine unheimliche Bereicherung ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere