Zwei Frauen auf ihrem Weg
Da müht man sich ab, ist vielleicht sehr intelligent, begabt, außergewöhnlich, doch am Schluss mündet das Leben in Unscheinbarkeit. Und viel Erinnerung. (S.80)
Anna fliegt nach London zur Beerdigung ihrer ...
Da müht man sich ab, ist vielleicht sehr intelligent, begabt, außergewöhnlich, doch am Schluss mündet das Leben in Unscheinbarkeit. Und viel Erinnerung. (S.80)
Anna fliegt nach London zur Beerdigung ihrer Großtante Leah. Leah war eine jüdische Cellistin, die in ihrem Leben viel herumgekommen ist und ihr spätes zu Hause in London fand.
Anna wohnt in der Schweiz. Trotz der großen Entfernung hat sie ihre Großtante oft und regelmäßig besucht, vor allem in den letzten Jahren vor Leahs Tod. Nach dem Begräbnis überlässt ihr der Sohn der Verstorbenen deren Tagebücher. Diese sind auf Deutsch verfasst, eine Sprache, die die Großtante im Laufe ihres Lebens immer seltener verwendet hat.
Durch die Tagebücher erhält Anna einen neuen Einblick in das Leben von Leah und sie gewinnt ein neues Verständnis für ihr eigenes Leben und ihren eigenen Schmerz.
Bettina Spoerri erzählt die Geschichten zweier Frauen, die getrennt durch die Zeit unterschiedliche Lebensumstände vorfinden und dennoch mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Während Leah in den Wirren des Krieges die halbe Welt bereist und erleben muss wie jüdische Freunde und Verwandte dem Nationalsozialismus zum Opfer fallen, lebt Anna in unserer Gegenwart ein beschauliches Leben.
Zu Leahs Lebzeiten zerbricht eine ganze Weltordnung um dann mühevoll in vielen Jahrzehnten wieder aufgebaut zu werden. Dennoch sind es vorrangig Themen, die sich um die Liebe und ihre Familie drehen, die Eingang in ihr Tagebuch finden.
Gerade diese persönliche Sicht auf Leahs Leben hilft Anna auf ihre eigenen Themen zu reflektieren und aufzuarbeiten.
Spoerri hat ein Buch mit sympathischen Charakteren geschaffen, deren persönliche Krisen uns nahe gehen, weil wir viele davon aus unserem eigenen Leben kennen. Erfrischend ist, dass sie eine andere Geschichte der jüdischen Großtante erzählt als die des Umgangs mit dem Nationalsozialismus. Vielmehr erzählt die Autorin uns von den persönlichen Krisen und Erfolgen im Leben Leahs.
Ein nachdenkliches, ruhiges Buch von zwei Frauen auf ihrem Weg.