Vertauschte Leben
„Ich denke, also bin ich. Ich plane, also bin ich. Ich produziere, also bin ich. Und ich bin geliebt, also bin ich. Wertvoll ist, wer geliebt wird. So einfach war das. Unglaublich.“
Dieses Buch erschlich ...
„Ich denke, also bin ich. Ich plane, also bin ich. Ich produziere, also bin ich. Und ich bin geliebt, also bin ich. Wertvoll ist, wer geliebt wird. So einfach war das. Unglaublich.“
Dieses Buch erschlich sich mein Interesse durch den Klappentext, der von einem schrecklichen Irrtum in einem Krankenhaus erzählt, von einem Chaos in einer Nacht, in der zwei Jungen geboren wurden. Eine Verwirrung, die dazu führte, dass die Babys vertauscht wurden. Und ein Leben führten, für das sie ursprünglich nicht bestimmt waren … oder doch?
Wer sich von diesem Roman eine dramatische und zu Tränen rührende Geschichte erhofft, wird vermutlich enttäuscht werden. Dieses Buch entbehrt allzu große Spannung, ist leise, unaufdringlich und wird von einigen Rezensenten sogar als „streckenweise langatmig“ tituliert. Für meinen Geschmack zu unrecht. Ich habe die ruhige, bedächtige Art der Autorin, die Geschichten von Tim und David langsam aufzurollen, genossen. Ich mochte ihre anschaulichen Beschreibungen und die wundervolle Ausarbeitung der einzelnen Charaktere dieser beiden Familien, und fand es hoch interessant, deren Lebenseinstellungen und Wertvorstellungen sowie ihren Umgang miteinander kennen zu lernen. Ich genoss die Diskussionen und Gespräche, in denen es meist über tiefgründige Themen ging, und ich fand die Art und Weise, wie Birgit Gassmann das Gefühlschaos beschrieb, das die Entdeckung dieses folgenschweren Irrtums vor beinahe 18 Jahren mit sich zog, zutiefst beeindruckend. Dieses Buch geht tief unter die Haut. Es ist nicht mitleidheischend oder rührselig, aber sehr emotional. Es möchte nicht bekehren, veranlasst aber zu nachdenklichen Reflexionen über sich selber. Was macht meinen Wert aus? Wann ist der Mensch etwas wert und wie misst man diesen Wert? In Gesprächen zwischen Tim und seiner leiblichen Schwester Katrin werden plötzlich viele Dinge klarer, verständlicher. Die Themenfülle in „Vertauschte Leben“ ist beeindruckend und wer sich darauf einlässt, darf eine breite Palette an Gefühlen an der Seite der Protagonisten durchleben und erhält vielleicht auch Antworten auf grundsätzliche Fragen über die Religion und Gott. Ich habe jede einzelne Seite dieses Romans genossen und zähle „Vertauschte Leben“ zu einem meiner größten Lesehighlights des heurigen Jahres.
(Rezension zum Printexemplar)