Tagebuch einer politischen Gefangenen im Frauenzuchthaus Hoheneck
Tagebuch einer politischen Gefangenen im Frauenzuchthaus Hoheneck
„Ich weiß jetzt, dass man selbst unter den brutalsten Umständen überleben kann, und dass der Mensch viel mehr ertragen kann, als man oft ...
Tagebuch einer politischen Gefangenen im Frauenzuchthaus Hoheneck
„Ich weiß jetzt, dass man selbst unter den brutalsten Umständen überleben kann, und dass der Mensch viel mehr ertragen kann, als man oft glaubt.“
Birgit Schlicke ist das Opfer einer totalitären Diktatur. Sie widmet dieses in Tagebuchform verfasste Buch über die Hintergründe und die Zeit ihrer Inhaftierung allen Opfern der stalinistischen Willkür in der ehemaligen DDR. Es ist ihr ein Anliegen, jungen Menschen ein Stück Zeitgeschichte zugänglich zu machen. Die Autorin berichtet über die Verfolgung durch die Staatssicherheit (Stasi) 1988 und 1989 und klagt das totalitäre SED-Regime und seinen gefürchteten Geheimdienst mit all seiner kriminellen Energie an.
Birgit Schlicke ist überzeugte Christin und lebte vor ihrer Verhaftung in der Kleinstadt Weißwasser im Südosten der DDR. Für die gesamte Familie Schlicke stellte die ständige Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland und damit verbunden das Erlangen der Freiheit, ein Leben ohne Mauern und Stacheldraht, das ersehnte Ziel dar. Die Eltern Wally und Jürgen und die Geschwister Britta und Holm stellten ebenso wie Birgit Schlicke im Jahre 1985 den Ausreiseantrag – und zwar aufgrund der Perspektivenlosigkeit, staatlicher Drangsalierung und allgemeiner Unfreiheit. Die Folge waren Diskriminierung, Bespitzelung, Schulrausschmiss, Boykottmaßnahmen, Bildungsverbot, Drohungen, Verhöre durch die Stasi und letztendlich die Inhaftierung von Vater Jürgen und Tochter Birgit. Einen Tag nach Birgits 19. Geburtstag im Jahre 1988 wurden die beiden nach einer Hausdurchsuchung verhaftet.
Birgit Schlicke berichtet von den Schikanen bei den unzähligen Verhören und gestattet ihren Lesern schonungslosen Einblick in ihren Alltag hinter Gittern. Sie erzählt von der Diskriminierung und Verfolgung durch einen Staat, der sich stets nach außen demokratisch gab, seinen Bürgern jedoch primäre Menschenrechte vorenthielt und politische Gegner erbarmungslos unterdrückte. Sie schreibt von Zwangsarbeit, zermürbender Monotonie, katastrophalen Zuständen und Intrigen, von zunehmender Aggressivität und entwürdigenden Durchsuchungen. In ihrer Haftzeit war sie permanenter Beobachtung ausgesetzt und hatte keinerlei Privatsphäre. Birgit Schlicke erzählt schonungslos offen von der brutalen Zuchthausatmosphäre und der damit verbundenen Destruktivität, der Hoffnungslosigkeit und der Verzweiflung.
Die Autorin verbrachte ihren 20. Geburtstag hinter Gittern und „feierte“ mit heimlich fabrizierter „Knasttorte“ und „Knastwein“. Ihre Schilderungen beinhalten tiefe Emotionen, die mit ihrem Freiheitsentzug verbunden waren – begonnen von der Hoffnung auf Häftlingsfreikauf, über aufkeimende Verzweiflung und letztendlich beginnende Resignation. Die 21 Monate ihrer Haft erlebte sie als schrecklich und menschenunwürdig. Erst der Mauerfall, die Wende, brachte durch die damit verbundene Amnestie im Herbst 1989 den Schlickes endlich die ersehnte Freiheit.
Der Inhalt dieses Buches hat mich tief betroffen zurück gelassen, sehr nachdenklich gemacht und mir erneut vor Augen geführt, dass man die kostbare Freiheit, in der wir leben, noch viel mehr schätzen sollten. Ich empfand „Gefangen im Stasiknast“ als beeindruckenden Bericht, der durch die Fotos der Haftanstalt Hoheneck und der ehemaligen Insassen zusätzlich an Authentizität gewinnt.
Abschließend möchte ich noch anmerken, dass die Inhaltsbeschreibung zu diesem Buch bei Amazon nicht den Tatsachen entspricht. Hier wird steht geschrieben: „Obwohl die Berliner Mauer bereits am 09.11.1989 fällt, wird Birgit Schlicke, nach fast 20 Jahren Zuchthaus, erst am 17.11. in die Freiheit entlassen.“ Tatsache ist, dass Frau Schlicke sich 21 Monate in Haft befand und davon 15 Monate Zwangsarbeit verrichten musste… aber keine 20 Jahre (!).