EInmal Himmel und Hölle und zurück - Bagdad
ie deutsche Journalisten Birgit Svensson lebt seit 2003 im Irak. In diesem Buch sind ihre Beobachtungen, Erfahrungen und Reportagen zusammengefasst.
In zehn Kapiteln versucht sie Ursache und (Aus)Wirkung ...
ie deutsche Journalisten Birgit Svensson lebt seit 2003 im Irak. In diesem Buch sind ihre Beobachtungen, Erfahrungen und Reportagen zusammengefasst.
In zehn Kapiteln versucht sie Ursache und (Aus)Wirkung der Politik in dieser Region darzustellen. Für den interessierten Leser eröffnen sich neue Sichtweisen.
Das Unverständnis der USA für diese Region, die seit Jahrzehnten durch Diktatoren und Stammesfehden beherrscht wurde, und das Aufzwingen einer Demokratie nach westlichem, amerikanischen Vorbild, (wobei das auch ein Widerspruch in sich ist), hat erst die religiösen Fanatiker erstarken lassen. Das Grundübel ist allerdings im 19. Jahrhundert zu suchen, als vor allem die Briten willkürlich Länder und Grenzen schufen, ohne Rücksicht auf Religionen, Ethnien oder Traditionen zu nehmen.
Denn mit dem Sturz von Saddam Hussein 2003 bricht nicht der Weltfrieden aus, sondern im Gegenteil, die seinerzeit mit eiserner Klammer zusammengehaltenen unterschiedlichsten Interessen implodieren in ein nicht beherrschbares Chaos.
Seit dem Bürgerkrieg in Syrien sind die Konflikte im Irak ein wenig aus dem Fokus der Öffentlichkeit entschwunden. Daher sind Bücher, wie das vorliegende, notwendig. Der Irak ist nicht ausschließlich ein Tummelplatz des IS und anderer militanter Gruppierungen.
Die Herausforderungen, denen sich das Land und seine Bevölkerung stellen müssen, reichen weiter: Da ist zum Beispiel der Ölreichtum, der Fluch und Segen zugleich ist. Oder die Lage der Frauen und/oder Jugend dort – brachliegendes Potenzial, versäumte Gelegenheiten.
Meine Meinung:
Dieses Buch hat mich fasziniert. Es ist eine Reportage aus dem Inneren eines Landes, das nach dem Wegfall der eisernen Klammer und dem Terror des IS, sich neu erfinden muss, sich seines brachliegenden Potenzials bewusst werden muss. Wahrscheinlich wird es eine Herkulesaufgabe sein, ein funktionierendes Justizwesen zu errichten. Derzeit scheint ein Rückschritt eingetreten zu sein, dass die Rechtsprechung wieder an die jeweiligen Stammesfürsten „delegiert“ werden, die dann den status quo zementieren.
Nebenbei und unterschwellig lernen wir hier das Denken, die Wahrnehmung, die Hoffnungen und Ängste der irakischen Menschen kennen. Nur die ältesten können sich an eine Zeit ohne Krieg, Bürgerkrieg, Verbrechen, Unruhen, Diktatur und Exil erinnern. Eine ganze Generation ist von Gewalt und Terror geprägt. Es ist an der jungen Generation, die seit einigen Monaten darangeht, konfessionelle Gegensätze zu überwinden und die Geschicke ihres Landes in eigene Hände zu nehmen. Hier kommt vor allem den Frauen große Bedeutung zu, die ihre traditionelle Rolle in islamischen Gesellschaften zunehmend in Frage stellen. Immerhin wird Bagdad als erste arabische Großstadt überhaupt, von einer Oberbürgermeisterin regiert.
Der Schreibstil ist eingängig und das Buch lässt sich gut lesen.
Für die Autorin besteht die Region und besonders Bagdad nicht ausschließlich aus der Hölle, sondern bedeutet auch Himmel, selbst wenn der noch Verbesserungsmöglichkeiten bietet.
Der Titel passt perfekt, denn die Menschen sind nach dem Sturz von Saddam Hussein in eine mörderische Freiheit hineingestoßen worden, die sie sich (die Freiheit nämlich) wohl so nicht vorgestellt haben.
Fazit:
Wer sich also für diese Region und ihre Konflikte interessiert, kommt an diesem außergewöhnlich sachlichen und beeindruckenden Buch nicht vorbei. Gerne gebe ich für dieses Buch 5 Sterne und eine Leseempfehlung.