Wo bin ich zuhaus‘, wo gehör‘ ich hin`? (Betina Graf)
Wo bin ich zuhaus‘, wo gehör‘ ich hin`?
Wo such‘ ich ihn, wo find‘ ich ihn,
den Ort, wo ich aufgehoben bin? (Betina Graf)
Für viele von uns ist er ein Wegweiser Richtung Süden, ein Hotspot für Motorradfahrer:innen ...
Wo bin ich zuhaus‘, wo gehör‘ ich hin`?
Wo such‘ ich ihn, wo find‘ ich ihn,
den Ort, wo ich aufgehoben bin? (Betina Graf)
Für viele von uns ist er ein Wegweiser Richtung Süden, ein Hotspot für Motorradfahrer:innen und ein bekanntes Postkarten-Motiv - der Kirchturm im Reschensee. Die wenigsten kennen die emotionale und grausame Geschichte, die dahinter steckt.
"Das versunkene Dorf" mit seinem stummen Zeitzeugen mitten im See ist ein Tourist:innen-Magnet und zugleich ein Mahnmal, erzählt von Heimat- & Identitätsverlust, Macht- & Geldgier, Zwangsenteignung und dem verzweifelten Versuch, zu retten, was noch zu retten ist. Ein Buch, das nicht nur Zahlen und Fakten bietet, sondern viel tiefer geht - nämlich unter die Haut, mitten ins Herz und es berührt die Seele.
Stimmen von Zeitzeug:innen, die miterleben mussten, wie alles, was sie sich mühsam aufgebaut haben, teilweise über Generationen hinweg, dem Untergang geweiht ist. Mitspracherecht - Fehlanzeige ! Anspruch auf Entschädigung - nur nach großen Protestaktionen ! Und wofür das alles ? Für Macht, Einfluss und ein Prestigeobjekt, das die Bewohner:innen der Dörfer nicht gewollt haben.
Doch Geld kann die Heimat nicht ersetzen, gibt den Toten nicht ihr Leben zurück und trocknet nicht die Tränen, die die Hinterblieben weinen. Das Autoren-Duo geht sehr einfühlsam und mit viel Fingerspitzengefühl vor, um nicht Wunden aufzureißen, die sowieso nie ganz verheilt sind. Spätestens dann, wenn der See wieder trocken fällt und die Überreste von Alt-Graun und Alt-Reschen wie Atlantis aus den Tiefen auftauchen, werden Ungerechtigkeit und das traurige Schicksal wieder greifbar.
Ein Buch, das von Leid und Rücksichtslosigkeit erzählt, von der Sehnsucht nach einem Ankommen und dem Gefühl, doch nie ganz Zuhause zu sein. Die Zeitzeug:innenberichte und viele Schwarz-Weiß-Fotografien machen Geschichte lebendig, wirken wie ein stummer Schrei, der nie ganz verhallt und geben denjenigen ein Gesicht, die bis heute nicht mit dem Schiff über den See fahren - aus Respekt und Ehrfurcht vor dem, was war. Für sie gibt es keine Zeit des Loslassens, sondern immer wieder nur den Versuch, sich mit der Tragödie auseinanderzusetzen und die Lücke im Herzen mit Erinnerungen zu füllen.
Ein sehr eindringliches Zeitdokument, das zum Nachdenken und Diskutieren anregt - sehr lesenswert !