Das Buch „Eine neutrale Tüte bitte – Geschichten im Sexshop“ wurde bereits im Frühjahr im Acabus Verlag veröffentlicht. Und mindestens solange schleiche ich schon um dieses Buch von Candy Bukowski herum.
Candy Bukowski arbeitet dort, wo es tausende Menschen jährlich hinzieht: auf der Reeperbahn. Die Autorin ist verantwortlich für die Fetisch-Abteilung und Social Media der Boutique Bizarre in St. Pauli. Dort trifft sie auf die unterschiedlichsten Menschengruppen, die der Boutique einen Besuch abstatten. Und so hat Candy Bukowski Geschichten gesammelt, die sie bei ihrer täglichen Arbeit erlebt hat. Obdachlose, Betrunkene, Pärchen jeglichen Alters und Sozialstruktur, Singles, Promis aus allen Ländern kommen vorbei. Während viele am Anfang noch ihre Unsicherheit mit Kichern oder unpassenden Kommentaren überspielen, richten viele Kunden auch zielgerichtet ihre Wünsche an das Personal. Diese können sich auf jeden Kunden einlassen, können mit den entsprechenden Fragen genau das dem Kunden aus dem großen Portfolio das Richtige heraussuchen. Sei es Kleidung, Spielzeug, Zeitschriften und DVDs. Doch auch Kundschaft, die den Betriebsablauf eher stört, wird freundlich und bestimmt des Ladens verwiesen. Und so kann jeder in der Boutique Bizarre sein Plätzchen finden.
Während des Lesens musste ich mehrfach schmunzeln. Durch meine Tätigkeit im Einzelhandel habe ich viele Kunden wieder erkannt: die, die alles besser wissen; die anderen, die eigentlich nur für einen Plausch kommen; die einen, die still und heimlich ihre Lieblingsprodukte kaufen, Kunden, die recht anstrengend sind, oder einfach die Kunden, mit denen man herzlich lachen kann. Da ist es egal, ob man Hochprozentiges, Gemüse oder eben Sexspielzeug verkauft, jeden Menschenschlag findet man irgendwo wieder.
Ergänzt werden die Geschichten der Boutique Bizarre durch weitere Einblicke in den Kiez St. Pauli. Dort ist Candy Bukowsky unterwegs in Szene-Kneipen, begiebt sich auf besonderen Kieztouren mit Olivia Jones. Sie berichtet von der geschichtlichen und sozialen Entwicklung des Kiezes. Und so gewinnt man einen herzlichen Einblick in die frivole Welt von St. Pauli.
Heutzutage hängt einem Sexshop immer noch etwas anrüchiges an. Und gerade deswegen finde ich ein Buch wie „Eine neutrale Tüte bitte“ von Candy Bukowski so erfrischend. Es lässt einen hinter die Fassaden schauen und die menschlichte Normalität erkennen, die viele so nicht vermutet hätten. Dieses Buch lehrt einen, dass oft der Schein trügt, und es nicht so schmutzig hergeht wie man sich das vorstellt.
Ein Buch, das mit einem Augenzwinkern die menschliche Realität des Kiezes vorstellt. Sehr gelungen.