Die Wurzeln aller Ungleichheit?
Carel van Schaik und Kai Michel suchen hier nach den historischen Wurzeln für die Diskriminierung der Frauen.
Bereits in einem früheren Buch haben die Autoren demonstriert, wie die Bibel als „Tagebuch ...
Carel van Schaik und Kai Michel suchen hier nach den historischen Wurzeln für die Diskriminierung der Frauen.
Bereits in einem früheren Buch haben die Autoren demonstriert, wie die Bibel als „Tagebuch der Menschheit“ dienen kann, und auch diesmal nehmen sie eine biblische Geschichte zum Ausgangspunkt.
Ihre Überlegungen ziehen jedoch viel weitere Kreise. Sie unternehmen eine Tour durch einige Jahrhunderttausende der Menschheitsgeschichte und zeigen, dass der weitaus größte Teil dieses Zeitraums von einem (wenn auch delikaten) Gleichgewicht der Geschlechter geprägt war, ja, dass starke Frauen und die Kooperation der Geschlechter sogar ein Erfolgsgeheimnis unserer Spezies war.
Die heutige Ungleichheit habe also keine biologischen Ursachen, sondern liege in kulturellen Überlieferungen (unserer „zweiten Natur“) begründet.
Auf der Suche nach deren Herkunft werden zahlreiche Etappen unserer Vergangenheit besucht – beispielsweise die Anfänge von Sesshaftigkeit und Landwirtschaft, deren Ausbreitung in Europa und Mesopotamien (mit durchaus unterschiedlichen Folgen), die ersten größeren Reiche mit Kehrseiten wie Ungleichheit, Gewalt und Sklaverei, die Ursprünge des Judentums als Religion eines kleinen Volkes, das im Schatten seiner mächtigeren Nachbarn stand, das Aufkommen des Christentums als frauenfreundliche und egalitäre Bewegung – und seine Transformation in eine Kirche, die an der Seite der Mächtigen steht.
Anders als viele ähnliche Werke identifiziert dieses hier nicht DEN einen Faktor – Landwirtschaft, Pflug, Städte, ... -, von dem die Benachteiligung der Frauen ihren Ausgang genommen habe, sondern es werden vielgestaltige und sich über Jahrtausende erstreckende Prozesse geschildert, die zusammen dazu führten, dass wir heute in einer zutiefst ungerechten Welt leben.
Der Inhalt ist gründlich recherchiert, das Buch weist ein umfangreiches Literaturverzeichnis mit Werken aus unterschiedlichen Epochen und Fachbereichen auf. So fließen hier diverse Erkenntnisse aus Evolutionsbiologie, Geschichtswissenschaften, Psychologie und weiteren Disziplinen ein.
Dennoch sind die Ausführungen allgemein verständlich und oftmals richtig fesselnd. Sie enthalten viele interessante Informationen und werfen spannende Fragen auf. Deren Beantwortung wirkt stellenweise vielleicht ein bisschen zu stark vereinfacht bzw setzt ein etwas zu optimistisches Menschenbild voraus, ist insgesamt aber doch nachvollziehbar und könnte einen guten Ausgangspunkt für weitere Forschungen zu diesem Thema bilden.
Einziges Manko: Die Darstellung beschränkt sich auf die Regionen und Kulturen, die letztlich von der christlichen Religion beeinflusst wurden. Warum Frauen auch in anderen Weltgegenden benachteiligt wurden und werden, wird dagegen nicht angesprochen. Auch wenn eine ausführliche Behandlung natürlich den Rahmen gesprengt hätte, wären ein paar diesbezügliche Überlegungen doch schön gewesen.