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Veröffentlicht am 20.03.2024

Ergreifend und dicht

Wir sitzen im Dickicht und weinen
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Valerie ist alleinerziehende Mutter des 16-jährigen Tobi, mit dessen Wunsch, sich abzunabeln sie schwer zurecht kommt. Das Verhältnis zu ihrer eigenen Mutter Christina ist aus gutem Grund angespannt. Doch ...

Valerie ist alleinerziehende Mutter des 16-jährigen Tobi, mit dessen Wunsch, sich abzunabeln sie schwer zurecht kommt. Das Verhältnis zu ihrer eigenen Mutter Christina ist aus gutem Grund angespannt. Doch als diese an Krebs erkrankt, sieht Valerie sich dennoch gezwungen, sich um sie zu kümmern.
Aber Valerie und Christina agieren gewissermaßen nicht im luftleeren Raum. In Rückblicken werden immer wieder Schlaglichter auf die Lebenswege von Valeries Großmüttern geworfen, durch welche auch die Schicksale ihrer Töchter und Enkelinnen beeinflusst wurden.

Es ist interessant zu beobachten, wie sich die Vergangenheit auf die Gegenwart auswirkt, wie manche Themen sich durch die Generationen durchziehen, während andererseits auch jede Protagonistin mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen hat. Es geht dabei um die Stellung der Frau in der Gesellschaft, vor allem aber um die Schwierigkeiten der Mutterschaft.
Letztlich hat hier niemand eine perfekte Mutter, was natürlich die Frage aufwirft, ob es eine solche überhaupt geben kann. Allerdings ist keine der hier auftretenden, in ihren Einstellungen und ihrem Verhalten gegenüber ihren Kindern so unterschiedlichen Mutterfiguren wirklich „böse“, jede hat sympathische und weniger sympathische Eigenschaften und bei jeder konnte ich zumindest ein Stück weit nachvollziehen, warum sie so geworden ist wie sie ist.

Die Handlung ist dicht mit relativ kurzen Kapiteln. Auf insgesamt nur 200 Seiten kommt sehr viel Inhalt zusammen.
Mir war dies jedoch ein bisschen zu viel. Die Geschichte hätte mindestens die doppelte Seitenzahl benötigt, um sich richtig entfalten zu können und alle Handlungsstränge so gründlich auszuleuchten, wie sie es verdient hätten. Außerdem wären bei den in der Vergangenheit spielenden Episoden öfters konkretere Zeitangaben/ Jahreszahlen hilfreich gewesen, um die Ereignisse besser einordnen zu können.

Alles in allem dennoch eine ergreifende Lektüre, die zum Nachdenken anregt und länger nachwirkt. Es kann sich wohl jede Leserin (und sicher auch so mancher Leser) in der einen oder anderen Situation bzw in dem einen oder anderen Konflikt wiederfinden.

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Veröffentlicht am 26.02.2024

Lebensratgeber für Privilegierte

Der Wald, vier Fragen, das Leben und ich Von einer Begegnung, die alles veränderte
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Die Ich-Erzählerin ist glücklich verheiratet, hat zwei Kinder und einen gut bezahlten Job. Dennoch hat sich eine gewisse Unzufriedenheit breitgemacht. Ihr Alltag ist bestimmt von ständigem Stress, um allen ...

Die Ich-Erzählerin ist glücklich verheiratet, hat zwei Kinder und einen gut bezahlten Job. Dennoch hat sich eine gewisse Unzufriedenheit breitgemacht. Ihr Alltag ist bestimmt von ständigem Stress, um allen Anforderungen gerecht zu werden. Daher hat sie keine Zeit, sich ihren Kindern oder ihrem Mann wirklich ausgiebig zu widmen, geschweige denn Zeit für sich selbst. Eine Begegnung mit einer alten Dame auf einer Waldlichtung verändert ihr Leben. Denn diese konfrontiert sie nach und nach mit vier Fragen, durch welche sie dazu animiert wird, mehr und mehr darüber nachzudenken, was wirklich wichtig ist, und erst kleine, dann größere Veränderungen vorzunehmen.

Die Idee, einen Lebensratgeber in eine hübsche Geschichte zu verpacken, ist ganz originell, und ich fand es durchaus interessant, mich mit diesen Fragen auseinander zu setzen. Dass sie nur nach und nach enthüllt werden, trägt wohl ebenfalls dazu bei, die Leser(innen) bei der Stande zu halten.
Wirklich viel Substanz ist aber nicht dahinter. (Zugegeben, bei 100 Seiten darf man auch keine großen Erwartungen haben.) Letztlich läuft es darauf hinaus, dass „weniger mehr ist“: Nach dem Motto: Wenn Du nur auf Dein großes Haus und Deinen überfüllten Kleiderschrank verzichtest und Deine Arbeitsstunden reduzierst, werden sich alle Probleme in Wohlgefallen auflösen.
Außerdem bin ich mit der Protagonistin nicht wirklich warm geworden. Viele ihrer Gedanken sind „Jammern auf sehr hohem Niveau“. Unter solchen Bedingungen kann man leicht ein (oberflächliches) Happy End kreieren. Aber was soll beispielsweise eine Alleinerzieherin daraus mitnehmen, die schon (mehr als) einen Vollzeitjob braucht, um nur die allernötigsten Dinge bezahlen zu können?

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.02.2024

Wie wir der malthusianischen Falle entkommen sind

The Journey of Humanity – Die Reise der Menschheit durch die Jahrtausende
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Jahrtausende lang war die Menschheit wie jede andere Tierart dem täglichen Kampf ums nackte Überleben unterworfen. Zwar gab es immer wieder technologischen Fortschritt von Steinwerkzeugen über die Landwirtschaft ...

Jahrtausende lang war die Menschheit wie jede andere Tierart dem täglichen Kampf ums nackte Überleben unterworfen. Zwar gab es immer wieder technologischen Fortschritt von Steinwerkzeugen über die Landwirtschaft bis hin zum Buchdruck. Doch führten diese jeweils nur zu einer vorübergehenden Erhöhung des Lebensstandards. Denn wie der englische Gelehrte Thomas Malthus Ende des 18. Jahrhunderts feststellte: Jeder durch technische Innovationen erreichte Überschuss an Nahrungsmitteln führte zu einem Bevölkerungszuwachs, welcher die Nahrungsüberschüsse aufzehrte, sodass die Lebensbedingungen wieder auf das Existenzminimum zurücksanken.
Doch in den letzten Jahrhunderten kam es – zunächst in Europa und Nordamerika - zu einem sprunghaften Anstieg des Wohlstands, der nicht nur einen Ausweg aus dieser Armutsfalle bedeutete, sondern auch zu großer Ungleichheit zwischen verschiedenen Gesellschaften führte.
Der Wirtschaftswissenschaftler Oded Galor spürt hier den Gründen für diese in der Geschichte der Menschheit (und des Lebens) einzigartige Entwicklung nach und untersucht auch, warum sie in verschiedenen Weltgegenden so unterschiedlich verlief.
Als unmittelbare Ursache für die Überwindung der malthusianischen Falle identifiziert er die steigende Bedeutung von Fähigkeiten und Kenntnissen für Arbeitskräfte, die notwendig waren, um sich in einem neuen technologischen Umfeld zurechtzufinden. Deshalb wurden Eltern dazu animiert, weniger Kinder zu bekommen und dafür mehr in deren Erziehung und Bildung zu investieren.
Doch diese Umwälzungen kamen nicht so plötzlich wie es auf den ersten Blick scheint, sondern beruhen auf langfristigen unterschwelligen Strömungen.
Während der Autor daher im ersten Teil des Buches dem Weg des Menschen von der Steinzeit ins Industriezeitalter folgt, geht er im zweiten Teil in der Zeit zurück, um die tieferliegenden Ursachen für die heutige Ungleichheit in der Welt zu finden.
Auch diese Kapitel enthalten zahlreiche interessante Gedanken. Beispielsweise, dass Beschaffenheit der Böden und klimatische Bedingungen (und damit die Frage, ob sich die Gründung großer Plantagen rentierte) in ehemaligen Kolonien die dortigen politischen Institutionen und damit auch die Gegebenheiten nach dem Ende des Kolonialismus beeinflussten. Oder dass das richtige Verhältnis von Homogenität und Diversität in einer Gesellschaft über ihren Wohlstand entscheidet. Weshalb sogar die geographische Entfernung von Afrika einen Faktor darstellt, der Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen erklären kann.

Fazit: Geschichte und Gegenwart der Menschheit werden hier aus einer ungewöhnlichen und faszinierenden Perspektive betrachtet. Der Autor hat das große Ganze im Blick, verdeutlich seine Ausführungen aber auch mit zahlreichen konkreten Beispielen. So erklärt er etwa, woher die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Norditalien und Süditalien rühren, oder dass die Regierungen von Bolivien und Äthiopien völlig konträre Strategien verfolgen müssten, um das Pro-Kopf-Einkommen ihres Landes zu steigern.
Auch der Aufbau hat mir sehr gut gefallen. Er ist klar strukturiert, ein Argument folgt logisch auf das andere. Jede Aussage wird dabei gründlich belegt. Der Autor kann auf umfangreiche Kenntnisse der Menschheits- und Wirtschaftsgeschichte zurückgreifen und beruft sich beispielsweise auf natürliche Experimente (bei denen etwa der Zustand von zwei Ländern verglichen wird, die sich nur in einem Faktor unterscheiden). Zahlreiche Grafiken veranschaulichen die Ergebnisse.
Zwar ist nicht jede der hier verarbeiteten Ideen neu. Die Art, wie sie zusammengestellt und zu einer konsistenten Erklärung verarbeitet werden, inspiriert aber immer wieder zu interessanten Gedankengängen und ließ mich die gegenwärtige Weltlage mit anderen Augen sehen.

Veröffentlicht am 26.02.2024

Schöne Landschaftsbeschreibungen, aber kein Krimi

Bitterwasser
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Carolin Halbach zieht von Düsseldorf nach Bad Gastein, um die Leitung der dortigen Bibliothek, die sich in einem neu gegründeten Kulturzentrum mitten im historischen Ortskern befindet, zu übernehmen. Der ...

Carolin Halbach zieht von Düsseldorf nach Bad Gastein, um die Leitung der dortigen Bibliothek, die sich in einem neu gegründeten Kulturzentrum mitten im historischen Ortskern befindet, zu übernehmen. Der erste Eindruck von dem Ort ist eher durchwachsen, doch schnell gewöhnt sie sich an die neue Umgebung und stürzt sich mit Begeisterung in ihre Tätigkeit.
Die Eröffnung der Bibliothek wird allerdings von einem Todesfall überschattet, der sich bald als Mord herausstellt. Die Polizei hat schnell eine Verdächtige gefunden, doch Carolin hat Zweifel. Außerdem scheint jemand die Arbeiten am Kulturzentrum sabotieren zu wollen.

Die Autorin hat ihre Hausaufgaben gemacht: Landschaft und Leben in Gastein werden anschaulich und überwiegend realitätsnah beschrieben. Nur manche Eigenheiten des Ortes und seiner Bewohner sind ein bisschen überzeichnet. Wesentliche Abweichung von der Realität ist die Revitalisierung des seit langem leerstehenden Kongresshauses, aber vielleicht erfüllt sich diese Prophezeiung ja eines Tages.
Es ist schön, gemeinsam mit Carolin mehr und mehr von Bad Gastein zu entdecken und zu beobachten, wie sie sich langsam einlebt und wie sie sich generell als Deutsche in Österreich zurechtfindet. Außerdem treten interessante, bisweilen etwas skurrile Personen auf.

Als Krimi kann man diesen Roman jedoch nicht bezeichnen. Zunächst mal ist der Erzählstil eher gemächlich, was nicht gerade dazu beiträgt, Spannung aufzubauen. Dazu kommt, dass der Mord über weite Strecken bloß eine Nebenrolle einnimmt. Er wird zwar immer wieder mal erwähnt, es gibt aber nur wenige Szenen, die echte „Ermittlungen“ (im weitesten Sinne) beschreiben. Außerdem ist die Auflösung sehr vorhersehbar.
Fazit: Die Protagonisten als solches hätten sicher Potential (und Bad Gastein als Schauplatz erst recht), die Autorin sollte sich in Zukunft allerdings besser an einem anderen Genre versuchen.

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Veröffentlicht am 26.02.2024

Fundierter Überblick zur Genetik (vor allem der Viren)

Wilde Gene
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Obwohl die Aufmachung dieses Werkes (mit Comic-artigen Zeichnungen etc) es nicht gleich vermuten lassen würde, hat es doch einiges zu bieten. In lockerem Tonfall erklären die Autoren beispielsweise, was ...

Obwohl die Aufmachung dieses Werkes (mit Comic-artigen Zeichnungen etc) es nicht gleich vermuten lassen würde, hat es doch einiges zu bieten. In lockerem Tonfall erklären die Autoren beispielsweise, was es mit Genen und DNA auf sich hat, wie die Evolution hin zu immer komplexeren Lebensformen abgelaufen ist, wie es vor allem den Viren immer wieder gelingt, sich die Mechanismen in fremden Zellen zunutze zu machen und abschließend, wieso gerade Viren auch für therapeutische Zwecke eingesetzt werden könnten - und einiges mehr. Daneben stellen sie auch die Personen vor, welche an bedeutenden Fortschritten und Erkenntnissen in diesen Bereichen beteiligt waren (und verhehlen auch deren Schattenseiten nicht).

Mache Aussagen sind vielleicht ein bisschen zu flapsig und die Episoden um die „Tante Hedwig“ hätten etwas kürzer ausfallen können. Außerdem kann bei einer solchen Themenfülle auf nur ca 270 Seiten natürlich nicht sehr in die Tiefe gegangen werden. Insgesamt wirkt der Inhalt aber fachlich fundiert.

In erster Linie richtet sich dieses Buch an Einsteiger. Aber auch Fortgeschrittene können auf unterhaltsame Weise ihr Wissen auffrischen und noch das eine oder andere dazulernen.