Ein sehr tiefgründiger und doch lockerleichter Liebesroman
Das schlichte Cover finde ich persönlich richtig schön und anders als der Klappentext verrät es rein gar nichts über die Geschichte. Ich mag das, weil ich so völlig unvoreingenommen ans Lesen gehen kann. ...
Das schlichte Cover finde ich persönlich richtig schön und anders als der Klappentext verrät es rein gar nichts über die Geschichte. Ich mag das, weil ich so völlig unvoreingenommen ans Lesen gehen kann. Zudem bin ich gegenüber „Lemon Kiss“ schon sehr positiv eingestellt, weil ich es total interessant finde, dass die Hauptcharaktere schon Mitte vierzig sind.
Das erste Kapitel ist ein sehr kluger Schachzug von Carmen Liebing, denn sie erzeugt damit eine solche Spannung, welche die Geschichte unterschwellig durch das ganze Buch trägt. Es ist auf der einen Seite eine Art Rückschau, aber im Kern viel mehr eine äußerst gefährliche Vorschau auf Ereignisse, die schon jetzt sehr bedrohlich auf mich wirken. Doch wie es dazu kommt, erfahre ich erst einmal in den folgenden Kapiteln. Diese sind betitelt und relativ lang. Sie werden aber stets mit dem Namen des Charakters gekennzeichnet, den ich dank des auktorialen Erzählers begleiten darf. So behalte ich immer den Überblick.
Magdalena, kurz Maggie, ist eine resolute Frau, die ich sofort ins Herz schließe. Ich finde sie sehr sympathisch und bewundere sie für ihre Vehemenz, welche sie an den Tag gelegt, um den Traum vom eigenen Bistro zu leben.
Adrian hingegen ist mir zu Beginn superunsympathisch. Seine Art geht mir so dermaßen gegen den Strich, dass ich schon Angst hatte, ihn nie zu mögen. Doch gerade diese anfängliche Abneigung ihm gegenüber ist das Salz in der Suppe in dieser Geschichte. Dadurch bekommen die Wortduelle zwischen ihm und Maggie ordentliche Sprengkraft und erheitern mich. Aber nicht nur ich werde in eine paradoxe Lage gebracht, auch die beiden Protagonisten geraten in diese. Denn das Chaos aus dem Gefühlsmix aus Ablehnung und Anziehungskraft ist beinahe mit den Händen greifbar.
Generell besticht „Lemon Kiss“ durch seine liebevoll beschriebenen Szenenbilder. Sie sind erfrischend anders, lebendig und besonders die erotischen Szenen haben unglaublich viel Tiefgang und sind sehr niveauvoll umgesetzt. Der Schreibstil ist so herrlich fluffig, dass ich flott durch die Geschichte komme.
Zudem ist alles so bildlich erzählt, dass ich richtiges Kopfkino erlebe.
„Lemon Kiss“ ist ein Liebesroman, der sich mit der erotischen Spielart des BDSM beschäftigt. Dabei baut Carmen Liebing die Thematik sehr achtsam auf. Denn ihre Protagonistin Maggie liebt zwar die Bücher, in denen die Figuren BDSM ausleben, hat aber selbst keinerlei Berührungspunkte im realen Leben damit. Sie kann sich auch nicht vorstellen, sich einem Mann sexuell zu unterwerfen und ist dementsprechend über Adrians Angebot völlig erschreckt, sie in seine Welt einzuführen.
Maggies Ängste und Zweifel werden so eindrücklich geschildert, dass ich mit ihr fühlen kann.
Besonders mag ich, dass vieles zum besseren Verständnis sehr sinnbildlich erklärt wird, aber auch gezielt ausgearbeitet wird, dass der devote Part im Liebesspiel sehr wohl eine eigene und kraftvolle Persönlichkeit im Alltagsleben haben kann. Die Unterwerfung bezieht sich rein auf die Session und beschränkt sich nur auf die erotische Spielbeziehung. Genau dieser Punkt wird sehr eindrücklich klar gemacht und das finde ich großartig. Denn meiner Meinung nach spukt noch bei vielen Menschen im Kopf herum, dass eine Frau, die beim Sex devot ist, auch automatisch im Alltagsleben eine unterwürfige graue Maus sein muss. Dem ist nicht so und das wird hier sehr deutlich.
Carmen Liebing gelingt es mit Leichtigkeit, mich in diese schöne Liebesbeziehung mit vielen auf und ab's zu ziehen. Ich lasse mich beim Lesen treiben und mag die Interaktion der verschiedenen Charaktere miteinander sehr. Die frühe Einbindung eines Antagonisten bringt einen gewissen Pepp ins Buch und sorgt dafür, dass gerade die letzten zwei Kapitel mit einer völlig anderen Atmosphäre durchzogen sind.
Manchmal allerdings waren mir die wiederholten Gedankengänge von Adrian und Maggie ein bisschen zu viel, auch wenn ich verstehe, dass sie für den Kontext und die Message hinter der Geschichte bedeutsam sind. Weniger wäre vielleicht doch mehr gewesen, aber ich kann das insgesamt gut verschmerzen.
Obwohl „Lemon Kiss“ ein Einzelband ist, würde ich zu gern wissen, wie manches weitergeht. Aus Spoiler Gründen kann ich zwar nicht ins Detail gehen, aber so viel sei verraten: Carmen Liebing entlässt mich mit einer brennenden Neugierde aus ihrem Buch und ich wäre nicht böse, wenn die Nebenfigur Trixi ebenfalls eine eigne Geschichte bekäme.
Fazit:
„Lemon Kiss“ beleuchtet einen kleinen Teil der Welt des BDSM aus verschiedenen Perspektiven mit viel Gefühl. Es ist ein Liebesroman mit jeder Menge sinnlichen Szenen, aber auch packenden, spannungsvollen Augenblicken. Ein niveauvolles Leseerlebnis für offene Lesende und Fans der erotischen Lektüre.