Bücher, die von psychischen Erkrankungen handeln, fallen absolut in mein Beuteschema. Immer lese könnte ich sie nicht, schließlich liest man solche Geschichten nicht mal so eben locker-leicht weg, da sie sehr schwere Themen behandeln. Ich halte solche Bücher aber für unheimlich wichtig, daher sind sie auf meiner Leseliste stets sehr gut vertreten. Als ich das erste Mal von „Auf einer Skala von 1 bis 10“ hörte, war meine Neugier daher sofort geweckt. Der Klappentext überzeugte mich auf Anhieb und das schlichte Cover finde ich richtig faszinierend. Ich zögerte daher auch gar nicht groß, sondern packte das Buch schleunigst auf meine Wunschliste.
Tamar war die Letzte gewesen, die Iris lebend gesehen hat. Als sie von dem Tod ihrer Freundin erfährt, steht für sie sofort fest: Sie ist schuld daran, dass ihre Freundin nicht mehr am Leben ist. Sie ist eine Mörderin. Immer mehr verschlechtert sich Tamars Zustand, sie verletzt sich selbst, wird depressiv. Schließlich landet sie in Lime Grove, einer geschlossenen Jugendpsychiatrie. Ekliges Essen, eine ständige Überwachung, sinnlose Fragen – so sieht jetzt also ihr Leben aus. Tamar soll erzählen, wie es ihr geht und was mit Iris geschehen ist. Die Antworten darauf sind allerdings nicht leicht zu geben. Ob Tamar ihr inneres Monster wohl besiegen wird?
Ich habe gesehen, dass das Buch im Englischen sehr durchwachsene Bewertungen erhalten hat. Viele haben sich sehr negativ dazu geäußert. Ich persönlich kann das nicht nachvollziehen, mir hat der Debütroman von Ceylan Scott sehr gut gefallen. Nicht ganz so gut wie erhofft, meine Erwartungen wurden hier leider nicht komplett erfüllt, aber empfehlen kann ich das Buch dennoch sehr.
Ich komme einfach mal zuerst zu meinen negativen Kritikpunkten.
Mir persönlich kam Tamars Zeit in Lime Grove extrem kurz vor. Keine Ahnung, auf mich wirkte es so, als wäre sie nur wenige Wochen da gewesen, wenn überhaupt. So, wie Tamar es aber am Ende darstellt, kann man fast den Eindruck gewinnen, dass es sich um Monate gehandelt hat. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es zeitmäßig einen großen Sprung gegeben hätte, daher hat es mich total verwirrt, dass Tamar so schnell wieder entlassen wird. Hinzu kommt, dass ihre Therapie nur sehr wenig beschrieben wird. Gruppentherapie findet irgendwie gar nicht statt und die Einzelgespräche...hm ja, ihre Termine mit Doktor Flores fand ich sehr komisch. Doktor Flores ist ein total merkwürdiger Typ. Ich konnte ihn überhaupt nicht leiden und finde, dass er kein guter Arzt ist.
Dass man insgesamt doch recht wenig über Tamars Klinikzeit und ihre Therapie erfährt, hat mich schon sehr enttäuscht, da hatte ich einfach mit mehr gerechnet. Allerdings spreche ich da auch nur für mich. Vielleicht wird da ja nicht jeder so empfinden wie ich.
Was ich sehr verwirrend fand, war, dass es zwei Charaktere mit dem Namen Will gibt. Einmal einen Pfleger und dann noch einen Patienten, einen kleinen Jungen, der ein Marmeladen-Tick hat. Ich hatte zuerst gar nicht gecheckt, dass es sich hier um zwei verschiedene Wills handelt. :D
Als ich es dann endlich geschnallt hatte, wusste ich dennoch manchmal nicht sofort, von welchem Will nun die Rede ist. Da hätte ich es besser gefunden, wenn man die beiden unterschiedlich benannt hätte. Meine Will-Verwirrung hat mich leider öfters etwas aus meinem Lesefluss gerissen.
Das war es dann aber auch schon mit dem Meckern. Ansonsten bin ich richtig begeistert von dem Buch. Mich konnte die Handlung von den ersten Seiten an in ihren Bann ziehen und bis zum Schluss fesseln. Der Schreibstil hat sich für mich super angenehm lesen lassen. Er ist flüssig, jugendlich und sehr bildhaft.
Erfahren tun wir alles aus der Sicht von Tamar in der Ich-Perspektive. Sie erzählt in zwei Zeitebenen. Einmal gibt es die Jetzt-Zeit, in der sich Tamar in Lime Grove befindet und dann gibt es die Vorher-Kapitel, die vor ihrem Klinikaufenthalt spielen und in denen wir erfahren, wie es dazu kam, dass sie in die Psychiatrie eingewiesen werden musste. Mir haben diese Zeitsprünge richtig gut gefallen. Sie machen das Lesen so spannend und abwechlungsreich und sie ermöglichen es einem, die Protagonistin sehr genau kennenzulernen.
Mir war Tamar sehr sympathisch. Ich konnte ihr Denken und Fühlen zwar nicht immer komplett nachvollziehen, denke aber, dass dies vermutlich an ihrer Erkrankung liegt. Betroffene werden sich vermutlich besser in Tamar hineinversetzen können. Allerdings muss man sich im Klaren darüber sein, dass es im Buch stellenweise sehr harte Szenen gibt. Die Triggerwarnung steht schließlich nicht ohne Grund hinten auf dem Buch. Ich persönlich habe tatsächlich mit einer etwas krasseren Story gerechnet, aber manche Szenen sind mir dann doch richtig unter die Haut gegangen. Das Buch wird auf jeden Fall nicht jedermanns Sache sein und ist auch nicht für jeden geeignet. Selbstverletzung, Selbstmordgedanken, Patienten mit Essstörungen, Schizophrenie, Schuldgefühle… „Auf einer Skala von 1 bis 10“ behandelt viele schwere und ernsthafte Themen und das auf eine fesselnde, schonungslos ehrliche und absolut realistische Weise. Tamars Gefühle werden so lebendig, echt und intensiv beschrieben, sodass ich öfters schwer schlucken musste und Gänsehaut beim Lesen hatte.
Womit ich gar nicht gerechnet hätte, ist, dass das Buch stellenweise recht humorvoll ist. Manche von Tamars Mitpatienten sind ziemlich schräg drauf, sodass man öfters mal Gründe zum Schmunzeln hat. Hat mir persönlich sehr gut gefallen, da die ernste, bedrückende Handlung dadurch etwas aufgelockert wird.
Ob sich Tamars Zustand wieder bessern wird, werde ich natürlich nicht verraten, da müsst ihr das Buch schon selber lesen. Was ihr tun solltet, zumindest dann, wenn ihr mit den psychischen Erkrankungen, die hier behandelt werden, gut umgehen könnt. Ich halte „Auf einer Skala von 1 bis 10“ für ein sehr wichtiges Buch und bin wirklich froh, dass ich es gelesen habe.
Fazit: Schonungslos ehrlich und fesselnd bis zum Schluss! Mit „Auf einer Skala von 1 bis 10“ ist Ceylan Scott ein außergewöhnliches Buch gelungen, welches mich zwar leider nicht so begeistern konnte wie von mir erhofft, welches ich aber dennoch sehr empfehlen kann. Die Story ist allerdings keine leichte Kost. Ich finde es so super, dass der Verlag mit einer Triggerwarnung hinten auf dem Buch noch mal darauf hinweist, dass die Geschichte viele schwere Themen behandelt, die garantiert nicht für jeden geeignet sind. Wenn ihr meint, dass ihr mit den Themen Suizid und Selbstverletzung klarkommt, solltet ihr „Auf einer Skala von 1 bis 10“ unbedingt lesen. Von mir gibt es 4 von 5 Sternen!