Ein ruhiger, atmosphärischer Roman nach einer wahren Begebenheit
Derborence, das ist ein kleines Tal in den Waadtländer Alpen. Hierhin ziehen die Männer der umgebenden Dörfer jedes Jahr im Sommer mit ihren Kühen und Ziegen und bleiben einige Monate dort. Eigentlich, ...
Derborence, das ist ein kleines Tal in den Waadtländer Alpen. Hierhin ziehen die Männer der umgebenden Dörfer jedes Jahr im Sommer mit ihren Kühen und Ziegen und bleiben einige Monate dort. Eigentlich, denn dieses Jahr wird ihnen der Aufenthalt schon nach wenigen Tagen zum Verhängnis, als sich große Teile eines Berges lösen und ins Tal hinabstürzen. Auf seinem Weg begräbt der Fels nicht nur Bäume und Bäche unter sich, sondern auch die Hütten der Männer und ihre Tiere.
Im Mittelpunkt steht der junge Antoine, der erst vor kurzem Thérèse geheiratet hat und nun vor Sehnsucht nach ihr kaum auf der Alm ausharren kann. Auch er wird, wie die anderen knapp 20 Männer, unter den Bergmassen begraben, überlebt jedoch in einem kleinen Hohlraum. Seine Frau Thérèse weiß davon nichts, überhaupt hält man das laute Knacken und Donnern, das sich mitten in der Nacht im Dorf vernehmen lässt, erst für ein Gewitter und wundert sich, dass der Sternenhimmel so klar ist. Als sich am nächsten Tag das Unglück erahnen lässt, das hier geschehen ist, ist man entsetzt von der gnadenlosen Macht der Natur, die so viele Menschen das Leben gekostet hat - denn dass es keine Überlebenden geben kann, darin ist man sich sicher. Bei Antoine selbst machen sich die Folgen des Ereinisses nicht nur körperlich bemerkbar. Er hat Schwierigkeiten, sich an das Geschehene zu erinnern, sieben Wochen sind wie ausgelöscht aus seinem Gedächtnis.
In den Schreibstil musste ich mich anfangs erst einfühlen, denn er ist stellenweise recht assoziativ, erinnert in einzelnen Passagen beinahe an einen Bewusstseinsstrom und ist sicher nicht jedermanns Sache. Nach einigen Kapiteln empfand ich ihn dann aber als sehr gut zur Stimmung passend.
Die drohende Gefahr im Kontrast zur Idylle der Landschaft, die Verzweiflung und der Schmerz der Menschen, ihre Ohnmacht und die Angst davor, dass hier der Teufel seine Hand im Spiel hat - all diese Gefühle fängt der Autor eindrucksvoll ein und so ist es vor allem die Atmosphäre, von der dieses Buch lebt.
Ich habe diesen auf einer wahren Begebenheit beruhenden Roman am Stück gelesen - so sehr war ich nach wenigen Seiten von der Atmosphäre in den Bann gezogen. Ein starkes Buch, das ich gerne weiterempfehle!