War’s das für Raymond Ash? An der Uni träumten er und sein Kumpel Simon von einer Zukunft als Rockstar, stattdessen hat er jetzt, mit Mitte 30, ein schreiendes Baby und einen neuen Job als Lehrer an der Backe – und Simon ist seit drei Jahren tot. Kein Wunder, dass Ray seinen Augen nicht traut, als er ihn am Glasgower Flughafen sieht. Und dann geschehen auf einmal Dinge, die seltsamer und brutaler sind als jedes von Rays geliebten Computerspielen.
Gemeinsam mit der Polizistin Angelique de Xavia (bekannt aus Die hohe Kunst des Bankraubs) gerät er in sich immer schneller überschlagende Ereignisse, und die beiden müssen über sich hinauswachsen, um einen Terroranschlag zu verhindern, den der »neue«, sehr sehr böse Simon verüben will. Nur: was ist überhaupt das Ziel der Attacke? Die Spur führt in die schottischen Highlands …(Klappentext)
Hier muss man definitiv Geduld haben bis man weiß wohin einem der Autor führen will, sich der Unzufriedenheit der Protagonisten stellen und sich darauf einlassen.
Der Autor schafft es ein Portrait der Gesellschaft zu zeichnen in der alle unzufrieden sind und vor sich dahin leben, angepisst auf das Leben und einem selbst sind bis...ja bis ihnen alles um die Ohren fliegt (im wahrsten Sinne), das Grauen Einzug hält und man, genau wie auch die Protagonisten selbst, erkennt, dass die ganze Jammerei unnötige Kleinscheißerei ist....doch dann ist es zu spät.
In einem Moment fragt man sich, wohin einem der Autor führen will, im nächsten fliegen einem so plötzlich die Körperteile entgegen, sodass man nahezu genauso geschockt ist, wie die Protagonisten selbst.
"Zwischen sich und dem kornblumenfarbenen Sommerkleid sah er zwei Beine in den Trümmern liegen. Ein Fuß fehlte, der andere hing noch an fransigen Fleischfetzen. Der Schuh sah aus wie seiner. Genau solche hatte er auch, aber heute hatte er sie nicht angezogen. Heute nicht. Heute hatte er andere an, die alten. Bitte!" (S. 44)
Die Thematik des Terrors, die der Autor hier aufgreift, ist aktueller denn je und Brookmyre geht hier noch um einiges weitere - Auftragsterrorismus. Für Geld Bomben legen und so viele Menschen wie möglich mitreißen.
Und in dieser Branche hat einer die Nase ganz vorne - Black Spirit.
Er hieß mal Simon, war aber schon immer ein arrogantes Arschloch und immer der Meinung er wäre zu etwas Großem bestimmt. Nun ist er freischaffender Terrorist und genießt die Macht über Menschenleben zu bestimmen. Dieser beginnt nun sogar Visitenkarten zwischen all dem Schutt und der Leichen zu hinterlassen. Besseres Marketing gibt es fast nicht und eines muss man schon sagen - die coolsten Sprüche hat er auf Lager.
Doch die Anti-Terroreinheit Englands ist nun auf seinen Fersen. Darunter die zierliche aber toughe Angelique de Xavia (kurz Angel X genannt), die vor allem damit zu kämpfen hat die einzige Frau in dieser Truppe zu sein. Aber das schert sie einen Scheißdreck und ebenso wenig hat sie Respekt vor diesem Auftragsterror-Heini. Sie will ihn einfach nur zur Strecke bringen.
Dann wäre da noch Ray. Ein Mittdreißiger der seinem alten Leben als Profi-Gamer ohne Baby mit Koliken nachheult. Er hat für die Familie all seine pubertären Träume aufgegeben und führt jetzt ein solides Leben als Lehrer und Papa eines schreienden Kindes. Hinfort sind seine Träume Rockstar zu werden, oder das Geld als Gamer zu verdienen. Nach der Arbeit flüchtet er sich manchmal auf den Flughafen. Er beobachtet die Abflüge und genießt das Gefühl die Möglichkeit zu haben aus der ganzen Alltagsscheiße auszubrechen - einfach in einen Flieger steigen, Frau und Kind hinter sich lassen und einen Neuanfang wagen. Doch dann sieht er einen alten Freund, was eigentlich nicht möglich ist, da Simon seit über 3 Jahren tot ist. Erinnerungen kommen hoch und es macht KLICK.
"Es war eine schallende psychologische Ohrfeige gewesen, die ihn aus seinem depressiven Tunnelblick gerissen hatte, sodass er wieder richtig sehen konnte, was wirklich vor ihm lag." (S. 101)
Doch was nützt einem diese Erkenntnis, wenn man auf einmal gejagt und versucht wird einem den Kopf wegzupusten?
Last but not least hätten wir da noch zwei 13-jährige Jungs, Murph und Lexy.
Zwei typische Jungs, die sich in ihrer Coolness übertreffen wollen, die Schule schwänzen und allzu neugierig sind. Diese Neugierde wird ihnen jedoch zum Verhängnis und sie sind dadurch in dieser terroristischen Action schnell mitten drin, statt nur dabei. Nun müssen sie über sich hinauswachsen, um aus dieser Scheiße wieder heil herauszukommen und wenn man schon dabei ist, kann man den bösen Kriminellen doch auch gleich ordentlich ans Bein pissen.
Dieser Thriller wurde bereits 2001 veröffentlicht, trotzdem ist er aktueller denn je.
Mit Ray und Simon reist man in deren Rückschau jedoch auch in die verrückten 90er und vor allem Gamer werden daran ihre Freude haben. Ray vergleicht nämlich sein Leben und was darin passiert gerne mit einem PC-Game.
"Es war Team Deathmatch, dachte Ray, Rocket-Arena-Regeln: keine Health Packs, keine neue Armour, keine Respawns; wenn man stirbt, bleibt man tot, das erste Team, das komplett ausgelöscht wird, hat verloren." (S. 457)
Zudem ist dies nicht nur ein Thriller, sondern auch eine Milieustudie vom Feinsten. Hier werden also auch ruhigere und tiefsinnige Töne angeschlagen und daher hat der Thriller zwischendurch auch den Charakter eines Romans.
Beides ist jedoch gewürzt mit herrlich schwarzem Humor und bissigem Sarkasmus. Dieser Thriller erinnert mich daher so ein wenig an den Film "Bube Dame König Gras", falls den jemand kennt.
Fazit:
Dieser Thriller ist für all diejenigen, die ein Faible für Spannung UND intelligente Unterhaltung und nichts gegen bissigen Humor und den ein oder anderen derben Spruch haben.
Vor allem Gamer der 90er, die "Doom" und "Half-Life" zockten, kommen durch Ray auf ihre Kosten und können daher, wie ich, in Erinnerungen schwelgen.
Ich habe geschmunzelt, gelacht, mir vor Spannung die Nägel abgekaut und reiste mit Vergnügen in die 90er. Es war eine Freude in diesem Thriller im typischen scottish Style zu lesen und wurde bestens unterhalten. Herz, was willst du mehr?
© Pink Anemone