Was uns der Schreiber wirklich damit sagen will
Das Duo aus einer Literaturwissenschaftlerin und einer Psychiaterin schafft nicht immer ganz ernstzunehmende, aber interessante neue Perspektiven bei der Deutung weltbekannter literarischer Werke. Der ...
Das Duo aus einer Literaturwissenschaftlerin und einer Psychiaterin schafft nicht immer ganz ernstzunehmende, aber interessante neue Perspektiven bei der Deutung weltbekannter literarischer Werke. Der Ödipus aus der Antike erscheint dabei als zeitloses Werk, wenn man daraus liest, dass alles besser gelaufen wäre, wenn die Protagonisten nicht irgendwelchen Orakeln blind gefolgt, sondern ihr eigenes Hirn eingeschaltet hätten. Wenn Menschen sich nicht als handelnde Subjekte begreifen und lieber Weissagungen glauben, wird es auch heute problematisch. Dass die Story von Artus und Merlin wirklich frauenverachtend ist, hätte ich nie geglaubt, ich fand das alles immer romantisch, aber sicherlich ist unser Bild aufs Mittelalter verklärt-verfälscht. Denn Frauen wird immer nur die Rolle der unglücklich Leidenden zugedacht. Über Guineveres Schicksal entscheidet nicht sie selbst, sie ist eine passive Heldin, und die große Liebe darf sie nicht erleben, denn weibliche Lust wurde schon im Mittelalter als Bedrohung erlebt. Dass Julia und Romeo nicht das Liebespaar sind, sondern eher zwei egozentrische pubertierende Wesen tröstet, wenn es in der Liebe mal wieder floppt (wäre auch in der Renaissance so gekommen, wenn Julia und Romeo weitergelebt hätten). Werther war schon immer ein psychopathologischer Rebell, ungeeignet für Gesellschaften jedweder Art, von daher war unser Deutschlehrer froh, dass es der gesamte Kurs nach der Lektüre geschafft hat, vollzählig zu bleiben. Mit der ganzen Vampirlektüre von Dracula "Biss zum Abendrot" verbunden ist auch die Emanzipation der Frau. Die Analyse der Frauenfiguren der Scarlet und der Melanie in Vom Winde verweht ist ebenfalls lesenswert. Momo ist kein Kinderbuch, wie die Autorinnen beweisen. Sehr schön gelungen ist die Analyse von Harry Potter als Plädoyer gegen Ausgrenzung und Klassismus jedweder Art - ein Thema des 21. Jahrhunderts. Der Schluss mit 50 Shades of Grey hat mich nicht interessiert und daher habe ich mit dem Lesen hier aufgehört, mancher Klassiker ist eben auch nur ein Schinken.