Der Ritter mit der traurigen Gestalt
Bei diesem Buch hat bei mir es auf den ersten Blick „klick“ gemacht, ich liebe den Titel, das Cover und dass es quasi um die Ecke meiner eigenen Heimat spielt. Ich wollte dieses Buch unbedingt lesen und ...
Bei diesem Buch hat bei mir es auf den ersten Blick „klick“ gemacht, ich liebe den Titel, das Cover und dass es quasi um die Ecke meiner eigenen Heimat spielt. Ich wollte dieses Buch unbedingt lesen und habe es keine Sekunde bereut. Dieses Buch ist einfach herrlich unterhaltsam, toll geschrieben und übertrieben authentisch. Es erfasst den ganzen Mief einer Kleinstadt, mit ihren tragischen Gestalten, den allzu vertrauten Ecken und der jugendlichen Hoffnung auf „mehr“.
Zum Inhalt: Büren in den 60er Jahren. Der Jesuitenschüler Julian träumt von einer Karriere als Schriftsteller, einem roten Cabrio und Cornelia. Aber die Verlage zeigen sich eher zurückhaltend, was die Annahme seiner Manuskripte angeht und auch die Mädchen erliegen noch nicht wie geplant Julians Charme. Doch Julian lässt sich davon nicht zurückschrecken und zwischen Internat, Eisdiele und Szenedisko erkundet Julian die Liebe, schließt Freundschaften, macht sich Feinde, scheitert und steht wieder auf.
Die ganze Geschichte strotzt nur so vor Retro-Vibes, Referenzen zu Musik und Filmen versetzen den Leser zurück in eine andere Zeit. Der Erzählstil hat etwas eigenwilliges. Julian erzählt sehr sprunghaft aus seinem Leben, ist aber mitnichten ein verlässlicher Erzähler. Vielmehr schwelgt er in seinen verzerrten Wahrnehmungen und alternativen Realitäten in denen er mutiger, cooler, begehrter ist. Unterbrochen wird dies durch Kommentare seiner ehemaligen Freunde und Klassenkameraden. Dieser Erzählstil hat großartig zur Geschichte und zur Figur Julian gepasst, zukünftiger Star des Literaturhimmels, der schon in seiner Jugend ein Talent für Fiktion und alternative Realitäten aufzeigt, wann immer es ihm dienlich erscheint.
Julian Freytag ist ein naiver Träumer, der in seinen illusorischen Wunschvorstellungen versinkt, ein schüchterner Junge und ein Außenseiter. Er neidet anderen, was sie haben, gerät immer mal wieder auf die Abwege der Moral und fürchtet sich aber so sehr vor der Strafe Gottes, dass es ihn innerlich zu zerreißen droht. Das ländliche Büren ist zu klein für Julians Hoffnungen und Wünsche, gleichzeitig hat er Angst davor den Schutz der gewohnten Umgebung zu verlassen. Julians Gedanken, Ängste, Sorgen und Hoffnungen wirken teilweise sehr kindlich (in seinen Erzählungen bewegt er sich in einer Altersspanne zwischen 11 und 18 Jahren, aber dadurch auch sehr nahbar.
Julian erzählt hauptsächlich von der jugendlichen Tragödie erster Verliebtheit, absolut überzogen wahrgenommen und beschrieben, als wäre es Weltschmerz. Sehr real, ich habs absolut gefühlt, musste aber auch schmunzeln über Julians Erwachen sexueller Interessen. Als Jesuitenschüler fällt es ihm nicht leicht zu seiner Sexualität zu stehen oder sie in geregelte Bahnen zu lenken, und ich habe ein ums andere Mal überrascht auflachen müssen. Ich hatte auch wahnsinnig viel Spaß an Julians literarischen Ergüssen und hat total mitgefiebert, ob ihm wohl noch sein großer Durchbruch gelingt.
Ein absolut atmosphärischer Roman, der für mich die ganze Nostalgie der Jugend verkörpert und mich absolut gepackt hat.