Über eine Ikone der deutscher Literatur
Aufgewachsen in der Hansestadt Lübeck, soll der junge Thomas Mann seinen Vater, den Senator, beerben. Doch dem Geschäftsmann kann er nicht auf Dauer etwas vormachen: Für den Handel taugt der kunstinteressierte ...
Aufgewachsen in der Hansestadt Lübeck, soll der junge Thomas Mann seinen Vater, den Senator, beerben. Doch dem Geschäftsmann kann er nicht auf Dauer etwas vormachen: Für den Handel taugt der kunstinteressierte Thomas ebenso wenig wie dessen Bruder Heinrich. Als der Senator stirbt, bricht die Familie zunächst auseinander. Aber Thomas wird dennoch seinen Weg machen. Auf ihn wartet ein turbulentes Leben. Er wird in bewegten Zeiten ein Schriftsteller von Weltruhm…
„Der Zauberer“ ist ein Künstlerroman von Colm Tóibín.
Meine Meinung:
Der Roman gliedert sich in 18 Kapitel. Er beginnt im Jahr 1891 und endet Anfang der 1950er-Jahre. Erzählt wird in streng chronologischer Reihenfolge aus der Sicht von Thomas Mann. Dieser Aufbau ist insgesamt gut durchdacht. Etwas verwirrend sind lediglich die Ortsangaben und Jahreszahlen zu Beginn der Kapitel, denn sie weisen nur auf Schauplatz und Zeit der ersten Szene hin. Im weiteren Verlauf des Kapitels wechseln diese mit dem Fortschreiten der Handlung.
In sprachlicher Hinsicht ist der Roman mit seinen verschachtelten Sätzen und der sehr gehobenen Ausdrucksweise zuweilen ein wenig sperrig. Mir gefällt es jedoch ausnehmend gut, wie der Autor in dieser Form den Stil Thomas Manns nachahmt.
Im Zentrum des Romans stehen neben dem berühmten Schriftsteller dessen Frau Katia und ihre gemeinsamen Kinder. Zudem tauchen die Mutter und Geschwister Thomas Manns mehrfach auf.
Inhaltlich umfasst der Roman den Großteil des Lebens des Nobelpreisträgers. Von der Kindheit in Lübeck bis kurz vor seinem Tod begleitet man den bekannten Autor bei all seinen Stationen. Zwischendurch gibt es durchaus zeitliche Sprünge. Alles in allem wird aber ein recht vollständiges Bild vermittelt. Daher eignet sich der Roman auch für Unkundige. Für Mann-Kenner kommt auf den immerhin rund 550 Seiten dennoch keine Langeweile auf.
Der Roman beleuchtet sowohl Manns Privatleben als auch sein schriftstellerisches Schaffen. Mit der Schwerpunktsetzung war ich während des Lesens nicht immer komplett glücklich. So nehmen mir die homoerotischen Abenteuer und Fantasien zu viel Raum ein. Stattdessen hätte ich mir an einigen Stellen Details zur Entstehung und Rezeption der Werke Thomas Manns gewünscht. Im Großen und Ganzen wird Tóibín dem berühmten Autor aber durchaus gerecht, den er authentisch darstellt.
Colm Tóibín hat für den Roman umfangreich recherchiert und lässt seine Leserinnen und Leser an seinen Quellen teilhaben. Interessiert hätte mich darüber hinaus, an welchen Stellen er von der tatsächlichen Biografie abgewichen ist und Fiktion ins Spiel gebracht hat. Leider lässt uns der irische Autor diesbezüglich im Dunkeln.
Tolle Arbeit ist bei der Gestaltung des Covers geleistet worden, wenngleich das Motiv ein bisschen vage bleibt. Auch der wörtlich ins Deutsche übertragene Titel (Original: „The Magician“) passt hervorragend.
Mein Fazit:
Mit „Der Zauberer“ liefert Colm Tóibín einen umfassenden und unterhaltsamen Roman über das Leben Thomas Manns, der sowohl für Laien als auch Fans der Manns empfehlenswert ist. Ein Buch, das Lust darauf macht, die Werke der Familienmitglieder neu oder wieder zu entdecken.