Profilbild von milkysilvermoon

milkysilvermoon

Lesejury Star
offline

milkysilvermoon ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit milkysilvermoon über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.11.2024

Alles für die Familie?

Honey
0

Von ihrer wohlhabenden und gewalttätigen Familie hat sich Ilaria Fazzinga schon vor langer Zeit losgesagt. Die 82-Jährige nennt sich nun Honey und hat auch ihren Nachnamen etwas abgeändert. Doch nun ist ...

Von ihrer wohlhabenden und gewalttätigen Familie hat sich Ilaria Fazzinga schon vor langer Zeit losgesagt. Die 82-Jährige nennt sich nun Honey und hat auch ihren Nachnamen etwas abgeändert. Doch nun ist sie zurück in New Jersey, ihrer alten Heimat, und begegnet unfreiwillig ihrer Verwandtschaft wieder. Das bringt einige Komplikationen mit sich…

„Honey“ ist ein Roman von Victor Lodato.

Die Struktur des Romans ist sinnvoll und klar durchdacht: Er besteht aus sechs Teilen und insgesamt rund 60 Kapiteln mit kreativen Überschriften. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Honey. Die Haupthandlung spielt in New Jersey und erstreckt sich über viele Monate.

Der sehr detaillierte Schreibstil lässt mich zwiegespalten zurück. Einerseits haben mir die Wortneuschöpfungen und originellen Metaphern gefallen. Auch die lebensnahen Dialoge empfinde ich als sehr gelungen. Andererseits sind manche Sprachbilder ein wenig schief, einige Beschreibungen wie die von Blumenbeeten, Kunstwerken und Zutaten von Gerichten zu ausführlich geraten.

Die größte Stärke des Romans ist seine Protagonistin, Honey. Dass eine mehr als 80-jährige Person, noch dazu eine Frau im Mittelpunkt einer Geschichte steht, ist ebenso ungewöhnlich wie begrüßenswert. Noch dazu ist Honey ein überaus interessanter und charmanter Charakter: kinderlos, unabhängig, vermögend, unorthodox, schillernd, selbstbewusst, mit einer erfolgreichen Karriere in der Vergangenheit und einer dubiosen, italienischstämmigen Familie im Hintergrund. Größtenteils ist die Darstellung ihres Charakters realitätsnah und klischeefrei. Ihre authentischen Gedanken und Gefühle lassen sich sehr gut nachvollziehen. Nur an wenigen Stellen offenbart sich der männliche Blick des Erzählers.

Aus inhaltlicher Sicht handelt es sich in erster Linie um ein Portrait. Es geht vor allem um Traumata, nämlich die schrecklichen Erlebnisse während ihrer Kindheit und Jugend, die Honey noch immer nicht gänzlich verarbeitet hat. Auch die Fragen, was die Familie darf und welche Opfer für sie gebracht werden, werden beleuchtet. Darüber hinaus kommen weitere Probleme ins Spiel, die ich an dieser Stelle nicht vornehmen will. Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass auch aktuelle gesellschaftlich relevante Themen wie beispielsweise die Transgeschlechtlichkeit aufgegriffen werden.

Auf den mehr als 450 Seiten finden sich etliche lebenskluge Passagen. Darüber hinaus hat mich die vielschichtige Geschichte mehrfach bewegen, zum Teil sogar amüsieren können. Allerdings bleibt die Handlung recht überschaubar. Sie kommt zudem nur sehr langsam in Fahrt. Dies liegt auch an einigen Redundanzen und macht den Roman immer wieder ein wenig langatmig.

Das auffällige Cover ist ein Hingucker. Er sagt mir ebenso sehr zu wie der prägnante Titel, der 1:1 aus dem amerikanischen Englisch übertragen wurde.

Mein Fazit:
Mit „Honey“ hat Victor Lodato einen Roman geschrieben, der mich wegen seiner Ausführlichkeit leider nicht ganz überzeugen konnte. Dennoch alles in allem eine unterhaltsame und lesenswerte Geschichte.

Veröffentlicht am 15.11.2024

Weil Aufgeben keine Lösung ist

Parts Per Million
0

München im Jahr 2026: Eine Schreibblockade hat Johanna Stromann gerade fest im Griff, als die Autorin in eine Straßensperre der Letzten Generation gerät. Durch die Aktion knüpft sie Kontakt zu Klimaaktivisten. ...

München im Jahr 2026: Eine Schreibblockade hat Johanna Stromann gerade fest im Griff, als die Autorin in eine Straßensperre der Letzten Generation gerät. Durch die Aktion knüpft sie Kontakt zu Klimaaktivisten. In ihrem Kopf entsteht schnell die Version eines neuen Buchprojekts: Sie möchte über die Gruppe schreiben. Johanna stürzt sich in die Recherche und wird zunehmend von der Initiative vereinnahmt. Ihre Familie, Ehemann Stefan und Tochter Finja (14), steht bald hintenan. Zudem wird nach kurzer Zeit klar: Die Aktivisten wollen künftig nicht nur friedliche Mittel einsetzen.

„Parts Per Million - Gewalt ist ein Option“ ist eine Mischung aus Science-Fiction-Roman und Klimathriller, geschrieben von Theresa Hannig.

Der Roman besteht aus 32 kurzen Kapiteln. Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Johanna, in chronologischer Reihenfolge. Die Handlung erstreckt sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten, beginnend im April 2026. Sie spielt überwiegend an unterschiedlichen Orten in Deutschland, zum Teil in Frankreich.

Der Schreibstil ist eingängig und sprachlich treffsicher. Lebensnahe Dialoge und anschauliche Beschreibungen wechseln sich ab. Gendersensible Formulierungen fügen sich sehr organisch ein.

Im Vordergrund steht Johanna, eine interessante Protagonistin. Ihre Gedanken und Gefühle werden sehr gut deutlich. Die Figur verändert sich im Laufe der Geschichte sehr, was allerdings nur in geringem Umfang die Realitätsnähe schmälert.

Umweltschutz und Klimawandel sind die zentralen Themen. Dazu liefert der Roman viele interessante Informationen, die gleichermaßen aufrütteln, zum Nachdenken anregen und schockieren. Die Recherche der Autorin war offenbar besonders sorgfältig und fundiert. Jedes der Kapitel ist mit Zitaten aus internationalen Medien aus den Jahren 2023 und 2024 versehen, in denen es um die konkreten, bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels geht. Sie sind im Anhang verlinkt. In die Geschichte eingeflossen sind darüber hinaus viele weitere Fakten zu den klimatischen Veränderungen, dem Klimaaktivismus und ähnlichen Themen.

Sehr aufschlussreich ist das Nachwort der Autorin. Darin schildert sie nicht nur die Entstehung des Romans, sondern auch ihre Intention. Sie möchte ausdrücklich nicht zu Gewalt aufrufen, aber für das Thema Klimawandel sensibilisieren.

Auf den rund 350 Seiten ist die Geschichte unterhaltsam, spannend und vielseitig. Die Handlung ist größtenteils stimmig und nachvollziehbar. Nur wenige Details sind meiner Meinung nach unglaubwürdig.

Der Titel und das grafische Cover passen sowohl zum Genre als auch zum Thema.

Mein Fazit:
Obwohl ich ein paar Aspekte als nicht ganz realistisch empfunden habe, halte ich den Roman „Parts Per Million - Gewalt ist ein Option“ von Theresa Hannig für unbedingt lesenswert. Eine fesselnde und informative Lektüre, die die Augen für ein aktuelles Problem öffnet.

Veröffentlicht am 08.11.2024

An der Seite der Freiheitskämpfer

Antichristie
0

Durga Chatterjee, eine Drehbuchautorin, ist im Jahr 2022 in London, als der Tod von Queen Elizabeth II. die Runde macht. In der Stadt will die 50-jährige Tochter eines Inders und einer Deutschen einen ...

Durga Chatterjee, eine Drehbuchautorin, ist im Jahr 2022 in London, als der Tod von Queen Elizabeth II. die Runde macht. In der Stadt will die 50-jährige Tochter eines Inders und einer Deutschen einen Agatha-Christie-Krimi neu verfilmen. Doch unversehens findet sie sich im Kampf indischer Revolutionäre vor mehr als 100 Jahren und im Körper von Sanjeev Chattopadhya wieder…

„Antichristie“ ist ein Roman von Mithu Sanyal, der auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2024 gelandet ist.

Der Roman besteht aus zwölf Teilen, dem Todestag der Queen und den elf weiteren Trauertagen. Sie untergliedern sich jeweils in mehrere Kapitel. Erzählt wird einerseits in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Sanjeev, andererseits aus personaler Perspektive. Es gibt zwei Erzählstränge: einer im Jahr 2022, der zweite im Jahr 1906.

Das Personal der Geschichte ist ebenso interessant wie skurril. Neben historischen Persönlichkeiten tummeln sich einige fiktive Figuren in der Geschichte. Eine Übersicht am Ende des Buches erleichtert die Orientierung.

Auch in sprachlicher Hinsicht ist der Roman ungewöhnlich. Der flotte Schreibstil ist geprägt von vielen Dialogen, die einen Mix von Deutsch und Englisch beinhalten. Immer wieder sind Filmzitate, vor allem aus „Doctor Who“, und andere Referenzen eingearbeitet. Das sorgt für zusätzliche Komik, erfordert jedoch viel Vorwissen.

Der Roman beschäftigt sich vor allem mit dem britischen Kolonialismus, der Kampf um die indische Unabhängigkeit und der Gewalt, die in uns allen steckt. Nicht erst beim Lesen des Nachwortes („Abspann“) wird deutlich, wie tief die Autorin in die fundierte Recherche zu diesen spannenden Themen eingestiegen ist. Darüber hinaus ist die Geschichte so facettenreich und voller unterschiedlicher weiterer Aspekte, die ich hier nicht vorwegnehmen möchte, dass es nicht leicht ist, den Überblick zu behalten.

Auf den mehr als 500 Seiten ist die Handlung sowohl unterhaltsam als auch weitestgehend kurzweilig. Allerdings gelingt es nicht, alle Fäden bis zum Ende miteinander zu verknüpfen.

Das grellbunte Cover, dessen Motiv durchaus zur Geschichte passt, trifft zwar überhaupt nicht meinen Geschmack. Dafür gefällt mir der mehrdeutige, etwas augenzwinkernde Titel jedoch umso besser.

Mein Fazit:
Auch mit „Antichristie“ legt Mithu Sanyal einen kreativen und ungewöhnlichen Roman vor, der wichtige Themen beleuchtet und dabei auf unterhaltsame Weise aufklärt. Leider ist die Geschichte ein wenig überfrachtet. Dennoch eine erfrischende und durchaus lesenswerte Lektüre!

Veröffentlicht am 02.11.2024

Wer mobbt, ist feige

Perla der Superhund
0

Hündin Perla wohnt mit Familie Rico in einem großen Haus. Vor allem mit dem Jungen Nico verbringt sie viel Zeit. Zwei Talente kann sie vorweisen: Sie bringt andere dazu, sie zu lieben, und sie kann furchteinflößend ...

Hündin Perla wohnt mit Familie Rico in einem großen Haus. Vor allem mit dem Jungen Nico verbringt sie viel Zeit. Zwei Talente kann sie vorweisen: Sie bringt andere dazu, sie zu lieben, und sie kann furchteinflößend kläffen. Als Nico in der Schule zum Opfer von Hänseleien und Schikanen wird, ist vor allem ihre letztere Fähigkeit gefragt…

„Perla der Superhund“ ist das erste Bilderbuch von Isabel Allende, empfohlen für Kinder ab vier Jahren.

Auf knapp 30 Seiten breitet sich die Geschichte aus. Erzählt wird sie in chronologischer Reihenfolge in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Perla. Das hat uns sehr gut gefallen.

Der Text ist kindgerecht und verständlich formuliert: Die Sätze sind nicht zu lang, die meisten Wörter stammen aus dem Alltagsgebrauch. Daher ist die Geschichte meines Erachtens schon für Kinder ab dreieinhalb Jahren nachvollziehbar. Ein Stolperstein ist lediglich, dass der Junge Nico Rico heißt, insbesondere da der Nachname hierzulande mit einem Vornamen verwechselt werden kann.

Protagonistin Perla und Rico stehen im Vordergrund der Geschichte, zwei sympathische Charaktere. Auch die übrigen Figuren werden angemessen dargestellt.

Zwei begrüßenswerte Botschaften enthält die Geschichte auf der inhaltlichen Ebene. Erstens: Wer mobbt, ist feige. Zweitens: Gegen Mobbing kann man sich zur Wehr setzen. Beides wird auf verständliche Weise erklärt. Zwar ist die Umsetzung in der Geschichte recht einfach. Für die Zielgruppe erscheint es mir jedoch passend. Mir als Erwachsene hat sich nicht erschlossen, was es mit dem erwähnten Zauberer und dem Zauberversteck auf sich hat.

Das Erzähltempo ist absolut angemessen. Der Handlung lässt sich sehr gut folgen. Auch der Abschluss ist sinnvoll und macht das Bilderbuch zu einer schönen Abendlektüre.

Die bunten Illustrationen aus der Feder von Sandy Rodriguez sind ebenfalls gelungen. Sie erstrecken sich zum Teil über eine Doppelseite und zeigen teilweise nur Ausschnitte. Die Bebilderung ergänzt die Geschichte hervorragend und zeigt das Geschehen. Der Stil ist eher modern. Dennoch gibt es etliche liebevolle Details zu entdecken.

Das hübsche Cover, für das eine Szene aus dem Buch herausgegriffen wird, ist eine gute Wahl. Auf den prägnanten Titel, der sich eng am Original orientiert („Perla The Mighty Dog“), trifft das ebenso zu.

Mein Fazit:
Mit „Perla der Superhund“ hat Isabel Allende ein empfehlenswertes Bilderbuch geschrieben, das beim abendlichen Vorlesen mittlerweile zu den Favoriten zählt. Die positiven Botschaften zum Thema Mobbing haben uns überzeugt. Wir hoffen auf eine Fortsetzung.

Veröffentlicht am 27.10.2024

Erin und der Mystery Man

Wir treffen uns im nächsten Kapitel
0

Drei Jahre ist es her, seit Erin Connolly ihre beste Freundin Bonnie verloren hat. Ihre Trauer hat sie noch immer im Griff. Doch sie beschließt nun, ihr Leben zu ändern, kündigt ihren verhassten Job und ...

Drei Jahre ist es her, seit Erin Connolly ihre beste Freundin Bonnie verloren hat. Ihre Trauer hat sie noch immer im Griff. Doch sie beschließt nun, ihr Leben zu ändern, kündigt ihren verhassten Job und mistet aus. Eine Ausgabe von „Wer die Nachtigall stört“ stellt sie aus Versehen in den Bücherschrank, wo sie ein junger Mann findet. So entsteht eine ungewöhnliche Brieffreundschaft in den Randspalten von Klassikern. Dabei ahnt Erin nicht, dass ihr unbekannter Brieffreund kein Fremder ist. Ihr Mystery Man ist nämlich Edward James Parr, genannt JJ…

„Wir treffen uns im nächsten Kapitel“ ist der Debütroman von Tessa Bickers.

Der Aufbau des Romans ist unkompliziert und sinnvoll: Er besteht aus 34 kurzen Kapiteln. Erzählt wird im Präsens und abwechselnd aus der Sicht von Erin und der von James, jeweils in der Ich-Perspektive.

Der Schreibstil ist schnörkellos und unauffällig, aber anschaulich und lebhaft. Die Dialoge wirken authentisch.

Erin und James stehen im Mittelpunkt der Geschichte. Zwei Charaktere, die aufgrund ihrer Schwächen einen lebensnahen Eindruck erwecken.

Erwartet hatte ich eine romantische Komödie, also eine heitere Lektüre. Auf den mehr als 300 Seiten ist die Liebesgeschichte zwar unterhaltsam und abwechslungsreich. Tatsächlich ist der Inhalt jedoch oft traurig und nicht ganz so leicht verdaulich. Es geht um den Tod, schwere Krankheiten, Mobbing, Traumata und weitere Probleme. Das macht die Geschichte zwar weniger amüsant, stattdessen aber emotional bewegend und überraschend tiefgründig.

Besonders gut haben mir die literarischen Verweise gefallen. Verschiedene Klassiker der Weltliteratur tauchen auf. Neben dem genannten Werk von Harper Lee sind es unter anderem „Wuthering Heights“, „Middlemarch“ und „Mansfield Park“.

Das deutsche Cover passt inhaltlich gut. Der deutsche Titel ist weit weg vom englischsprachigen Original („The Book Swap“) und weniger einprägsam, aber ebenfalls passend.

Mein Fazit:
Mit „Wir treffen uns im nächsten Kapitel“ hat Tessa Bickers einen kurzweiligen und vielschichtigen Liebesroman geschrieben, der mir schöne Lesestunden bereitet hat. Vor allem für bibliophile Romantiker empfehlenswert.