Der 4. August, ein vielfacher Jahrestag
Frau im MondDie Zwillinge Lilit und Lina el Shami wachsen bei ihrem Großvater Maroun in Montréal (Kanada) auf. Vor drei Generationen sind ihre libanesischen Vorfahren ausgewandert. Als die Schwestern eine alte Postkarte ...
Die Zwillinge Lilit und Lina el Shami wachsen bei ihrem Großvater Maroun in Montréal (Kanada) auf. Vor drei Generationen sind ihre libanesischen Vorfahren ausgewandert. Als die Schwestern eine alte Postkarte von ihrer Großmutter Anoush finden, beginnen sie, sich für ihre Herkunft zu interessieren. Fragen tauchen plötzlich auf: Warum haben es dem Großvater Raketen angetan? Was hat es mit dieser Frau im Mond, die im Text der Postkarte erwähnt wird, auf sich? Lilit startet eine Recherche und folgt den Spuren bis nach Beirut (Libanon)…
„Frau im Mond“ ist ein Roman von Pierre Jarawan.
Die Struktur ist, wie bei Jarawan gewohnt, verschachtelt und sehr durchdacht: Der Roman besteht aus drei Teilen, benannt nach den Stufen einer Rakete. Die 50 Kapitel sind nummeriert, allerdings in umgekehrter Reihenfolge, um einen Countdown nachzuahmen. Die Handlung umspannt mehrere Jahrzehnte. Erzählt wird vorwiegend in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Lilit, allerdings nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern mit zahlreichen zeitlichen Sprüngen.
Das Personal des Romans ist unerwartet umfangreich. Der Fokus liegt allerdings auf Lilit und ihrer Familie. Die Figuren machen einen lebensnahen Eindruck und verfügen über psychologische Tiefe.
Auf der inhaltlichen Ebene hat der Roman zwei Schwerpunkte: Zum einen ist er ein unterhaltsames Familienepos, zum anderen eine interessante Auseinandersetzung mit zwei historischen bedeutsamen Ereignissen im Libanon: der Start einer Weltraumrakete im Jahr 1966 und die Explosion im Hafen von Beirut im Jahr 2020.
Auf den fast 500 Seiten werden die Themen geschickt miteinander verknüpft. Die Handlung ist sowohl schlüssig als auch kurzweilig. Sie hält Überraschungen bereit.
Die sorgfältige und fundierte Recherche des Autors wird immer wieder deutlich, nicht erst in der ausführlichen und interessanten Danksagung. Löblicherweise hat er zudem eine Nachbemerkung verfasst, die die Geschichte um weitere historische Details ergänzt. Ein tolles Extra sind außerdem die beiden Fotos am Ende des Buches, die der Autor selbst angefertigt hat.
Auch in sprachlicher Hinsicht hat mich das Buch überzeugt, wenn auch nicht so sehr begeistert wie die beiden ersten Romane des Autors. Die Dialoge wirken lebhaft und authentisch. Die Beschreibungen sind anschaulich und atmosphärisch. Erneut stellt Jarawan sein erzählerisches Können unter Beweis.
Die Covergestaltung wirkt auf mich aufgrund des Designs, das an eine Collage erinnert, etwas unruhig. Sie passt aber genauso wie der Titel gut zur Geschichte.
Mein Fazit:
Zum dritten Mal ist Pierre Jarawan ein äußerst lesenswerter Roman gelungen, der zugleich aufklärt und hervorragend unterhält. Auch „Frau im Mond“ wird mir noch lange in positiver Erinnerung bleiben. Große Empfehlung!