Konnte mich nicht überzeugen
Das Nibelungenlied ist das bekannteste hochmittelalterliche Epos, doch wer es geschrieben hat, weiß man nicht. Conny Burian hat die Theorie, dass es eine Frau gewesen sein könnte, in ihrem Roman verarbeitet, ...
Das Nibelungenlied ist das bekannteste hochmittelalterliche Epos, doch wer es geschrieben hat, weiß man nicht. Conny Burian hat die Theorie, dass es eine Frau gewesen sein könnte, in ihrem Roman verarbeitet, in dem sie dieser Frau zusätzlich ein abenteuerliches Leben verpasst.
Ich hatte mich auf den Roman gefreut, ich liebe historische, gut recherchierte Romane, die mir zusätzlich zu einer guten Geschichte auch noch ein Stück Historie vermitteln. Die Nibelungen sind mir in meiner Lesebiographie schon oft auf die eine oder andere Weise begegnet, vor vielen Jahren habe ich sie zum Teil sogar im Original gelesen, ich war gespannt auf Conny Burians Geschichte.
Leider, um das vorwegzunehmen, hat der Roman mir keine Freude gemacht. Eine sehr unangenehme Protagonistin, lediglich oberflächlicher historischer Hintergrund, und eine Geschichte, bei der für mich vieles nicht passt, nein, das ist so gar nicht meins. Ich will versuchen, näher darauf einzugehen.
Die Geschichte spielt im 12. Jahrhundert. Hilde ist „adelsfrei“, einziges Kind ihrer Eltern, und landet nach vielen Abenteuern unfreiwillig im Kloster Niederburg. Die Geschichte dieses realen Klosters wird in die Geschichte eingebaut, es soll auch im Nibelungenlied erwähnt worden sein. In diesem Kloster trifft Hilde übrigens auch auf Hildegard von Bingen, die in meinen Augen allerdings nicht ganz korrekt dargestellt wird.
Die Geschichte wird von Hilde selbst in Ich-Form erzählt. Dabei stellt sie sich immer wieder als besonders klug und gebildet dar, auch andere charakterisieren sie so. Angeblich konnte sie, direkt nachdem man ihr das Alphabet erklärt hat, fehlerfrei lesen. Für mich ist sie allerdings jemand, die ein paar Talente hat, vor allem, was Lesen und Schreiben angeht, ansonsten aber eher naiv ist, und ihr eigenes Verhalten kaum reflektiert.
Hilde ist jemand, die im Grunde tut was sie will, ohne Rücksicht auf andere zu nehmen. Das führt zu einigen Katastrophen, auch für sie persönlich, sie lernt aber nichts daraus. Ob eine Frau im Hochmittelalter wirklich so handeln konnte, wie sie, bezweifele ich, und hätte mir im Nachwort ein Statement der Autorin dazu gewünscht. So erhält Hilde zum Beispiel eine besondere Ehrung durch den damaligen Kaiser, was ich persönlich für unmöglich halte.
Eine wichtige Rolle spielt der Wendenkreuzzug, hier kommt zumindest ein bisschen Historie ins Spiel, ich hätte ich mir aber auch hier etwas mehr historischen Tiefgang gewünscht. Hilde wird aufgefordert, als Chronistin mitzukommen, dafür hätte sie durchaus Hintergrundinformation haben können. Immerhin habe ich aber etwas über die Ranen erfahren, die ich bisher noch nicht kannte, was mich dann auch zum Googeln animiert hat. In meinen Augen wird Hildes Leben nur am Rande in den realen historischen Hintergrund eingebaut, das habe ich in anderen Romanen schon besser gelesen. Insgesamt hatte ich öfter das Gefühl, dass der historische Hintergrund nicht stimmig ist, wenn z. B. von „Kilometern“ gesprochen wird, eine Längeneinheit, die es damals nicht gab. Dadurch wirkt die Geschichte immer wieder wenig authentisch.
Während des Lesens konnte ich so einiges nicht nachvollziehen, z. B. wie Hilde zu ihrem ersten Ehemann, Rüdiger, kam. Hier habe ich besonders heftig mit dem Kopf schütteln müssen. Nicht nur Rüdigers Handeln hier ist in meinen Augen vollkommen unglaubwürdig. Wenn ich eine Geschichte lese, muss ich schon das Gefühl haben, dass es so hätte sein können. Hatte ich in diesem Roman leider sehr oft nicht.
Die Antagonisten sind vor allem böse, haben keine Grautöne, und auch bei ihnen frage ich mich oft, warum sie so handeln. Auch hier reflektiert die Protagonistin kaum. Hilde kommt übertrieben oft in Lebensgefahr, das wirkt, wie vieles andere auch, aufgesetzt.
Nicht alles finde ich schlecht, immer wieder gab es auch Dinge, die mir gut gefielen, z. B. einiges von ihrer Zeit in Worms, oder wie das Nibelungenlied letztlich entsteht. Leider kamen dann immer wieder Kopfschüttel-Szenen. Ich habe den Roman zweimal unterbrochen, um ein anderes Buch zu lesen, weil ich Abstand brauchte, und ein bisschen die Hoffnung hatte, doch noch hineinzufinden. Aber für mich stimmte hier einfach viel zu wenig, eine Protagonistin, die ich immer weniger mochte, deren Handeln oft nicht nachzuvollziehen war, die anderen Charaktere größtenteils blass und auch mit nicht immer nachvollziehbarem Handeln, eine Geschichte mit, in meinen Augen, vielen Unstimmigkeiten, und viel zu wenig Tiefgang beim historischen Hintergrund.
Die Geschichte ist, wie das Nibelungenlied in Aventurien aufgeteilt, es gibt auch viele Anspielungen auf dieses, das ja unter anderem auf schon lange vorher bekannten Legenden aufbaut. Aber auch manche Namen kommen einem bekannt vor.
Manches hätte vielleicht ein ausführliches Nachwort noch gut machen können, in dem die Autorin über ihre Recherche, über Fakten und Fiktion und über ihre Intention, diesen Roman zu schreiben, hätte erzählen können. Es gibt zwar ein Nachwort, dieses ist aber viel zu knapp, und bezieht sich vor allem auf das Nibelungenlied. Ich glaube, dass Conny Burian viel Wissen zu diesem Epos mitbringt, aber in meinen Augen hat sie zu sehr versucht, die Geschichte damit in Beziehung zu bringen. Warum habe ich den Roman überhaupt zu Ende gelesen? Nun, ich hatte mich dazu verpflichtet. Wahrscheinlich merkt man, dass es mir nicht leicht gefallen ist, eine Rezension zu schreiben, ich hoffe, ich konnte dennoch vermitteln, warum ich diesen Roman so gar nicht mag.
Für mich war dieser Roman leider ein Reinfall. Ich hatte nicht nur etwas anderes erwartet, sondern hatte auch ständig ein ungutes Gefühl beim Lesen, vieles erschien mir nicht stimmig. Leider kann ich somit auch keine Leseempfehlung aussprechen.