Apokalypse mit Hoffnungsschimmer
Überblick
„Alien Love“, Sex mit Außerirdischen? Mit der Zufallsbekanntschaft aus der Spacebar auf Melmac? Weit gefehlt! Wer sich das von Corinna Griesbachs Buch erhofft, liegt falsch. Moralischer Tiefgang ...
Überblick
„Alien Love“, Sex mit Außerirdischen? Mit der Zufallsbekanntschaft aus der Spacebar auf Melmac? Weit gefehlt! Wer sich das von Corinna Griesbachs Buch erhofft, liegt falsch. Moralischer Tiefgang ist angesagt, auch wenn er dem Leser nicht sofort „ins Auge springt“. Als Mensch, der sich selbst Schriftsteller nennt, lese ich anders – nüchtern und analysierend. Doch auch mir erschloss sich die Erkenntnis nicht bei jeder Geschichte auf den ersten Blick.
Inhalt
Die Erzählungen spielen an exotischeren Orten als auf Melmac, nämlich auf einer Erde, die in apokalyptische Zustände verfällt. Dystopie, Endzeitstimmung, aber auch Hoffnung. Der Leser erinnert sich an „WALL.Y – der Letzte räumt die Erde auf“, wenn er „Sarkophag“ liest, doch nur das Motto ist gleich, denn bei keiner Kurzgeschichte wurde abgekupfert. Kindliche Roboter als Belohnung für die in Armut lebenden Mütter, die ihre Kinder gebären für Bessergestellte. Und der berühmte große A****, der alles zu… Breit angelegt ist die Palette der Erzählungen, alle in ihrem eigenen Ambiente, alle mit unterschiedlichem Hintergrund und alle mit anderem Ausgang.
Schreibstil
Was man mir für das kreative Schreiben beigebracht hat, finde ich in Corinna Griesbachs Buch kaum wieder. Statt des immer geforderten „Show, don’t tell“ berichtet sie recht nüchtern, und Dialoge verwendet sie sparsam, weil ihre Figuren das Sprechen verlernt haben. Regelmäßig kreisen deren Gedanken ums eigene Schicksal, meist hadernd, seltener hoffnungsfroh. Alles ist sprachlich treffend eingefangen, nicht zuletzt dadurch, dass die Perspektive von Geschichte zu Geschichte wechselt. Der Ich-Erzähler kommt genauso zu Wort wie der auktoriale Erzähler, der alles weiß, oder die dritte Person, aus deren Blickwinkel der Leser nur erfährt, was sie selbst sieht und hört. Insgesamt „klingt“ das Buch so düster wie die Ausgangslage, die die Autorin jeweils vorstellt, um anschließend ein Plädoyer zu halten für Menschlichkeit und verantwortungsvollen Umgang mit unseren Mitmenschen und mit der Umwelt. Den belehrend erhobenen Zeigefinger bemerkt man erst bei genauerem Hinsehen, denn der Ton der Moral ist entgegen der oft an „Enemy Mine“ erinnernden Szenerie wohltuend leise. Wären die Geschichten Bilder, sähe ich Hieronymus Boschs Werke – nachgemalt von Picasso.
Fazit
Der zart besaitete Leser, der beim Titel Alien Love Liebesgeschichten der etwas anderen Art erwartet, hätte mit diesem Buch einen Fehlgriff getan. Es ist auch kein Buch, dessen Erzählungen man „einfach mal so nebenbei“ liest, denn dafür ist es zu düster, fordert gleichzeitig aber auf, Auswege zu entdecken. Jenen empfehle ich es, die Dystopien lieben, die den dafür angemessen schnörkellosen Schreibstil zu schätzen wissen, und die sich der leise ausgesprochenen Forderung nicht verschließen, Ansichten und Anordnungen zu hinterfragen, um genau die aufgezeigte Weltordnung zu verhindern. Je länger ich mich mit diesen Gedanken auseinandersetzte, desto besser gefielen mir die Geschichten.